Archiv 2014
INGENIEURKUNST
Land und Linien
Es gibt nicht nur wegweisende Architekten, sondern auch wegweisende Ingenieure. Stefan Polónyi, der jetzt seinen 84. Geburtstag feierte, ist ohne Zweifel einer der wichtigsten Tragwerksingenieure des späten 20. Jahrhunderts.
„Was hat ein Bauingenieur mit der Architektur zu tun?“
Von Stefan Polónyi stammt der Satz: „Es ist nicht die Aufgabe des Ingenieurs, dem Architekten zu sagen, dass etwas nicht geht, sondern zu zeigen, wie es geht.“ Die Umsetzung von Konstruktionsprinzipien in Tragwerklösungen war eine stete Herausforderung für Polónyi und mit seinem Fachwissen hat er in unzähligen Fällen die ursprünglichen Entwurfsideen von Architekten beeinflusst, modifiziert oder gar verändert.
Das Keramion, Museum für Keramik, in Frechen. Es wurde 1971 von dem Architekten Peter Neufert (1925-1999) und Stefan Polónyi errichtet. Das runde Dach mit rund 32 m Durchmesser wird im Inneren von fünf Säulen getragen, die sich im Untergeschoss als Rundsäulen fortsetzen. ©Foto Keramion |
Der Wahlkölner Polónyi hat in den letzten Jahrzehnten zahlreiche, gut sichtbare Spuren im Land zwischen Rhein und Ruhr hinterlassen. Dazu gehören etwa die markanten Brückenbauten, die er für einige Projekte der Internationalen Bauausstellung (IBA) 1997 entwickelte. Ebene Flächentragwerke als Stahlbeton-Faltkonstruktionen setzte Polónyi für Tankstellendächer ein. Gekrümmte Flächentragwerke, also Schalen, an der Vorhallenüberdachung des Kölner Hauptbahnhofes stammen ebenso von ihm wie die Betonausführungen bei der Kirche St. Suitbert in Essen, die zeltartige Konstruktion der St. Paulus-Kirche in Neuss-Weckhoven oder das Keramion-Museum (mehr) in Frechen.
Pfarrkirche St. Paulus in Neuss, erbaut 1969. Der ungewöhnliche Entwurf stammt von dem Architekten Fritz Schaller (1904-2002), die bauphysikalischen Arbeiten von Stefan Polónyi. Schaller entwarf zahlreiche katholische Kirchen im Rheinland und die Domplatte vor dem Kölner Dom. © Foto Pfarrkirche St. Paulus |
Stefan Polónyi wurde 1930 in Ungarn geboren. Nach dem Studium in Budapest kam er in den späten 1950er Jahren nach Köln und gründete dort ein Baubüro. Es folgte eine Lehrtätigkeit an der TU Berlin und 1971 ein Ruf an die Universität Dortmund. Dort entwickelte er mit dem „Dortmunder Modell“ eine Neuausrichtung der Lehre.
Er verband - was zunächst kritisch gesehen wurde - die Studiengänge Architektur und Bauingenieurwesen, ohne deren spezifische Profile aufzulösen. Polónyis Verständnis der Arbeit eines Bauingenieurs floss in die Ausbildung ein, er suchte bewusst die Wechselwirkung mit der Architektur, um Gestalt und Tragwerk zu einer Ästhetik zu verbinden. Seine Bauten und sein Wirken wurden mit vielen bedeutenden nationalen und internationalen Preisen geehrt.
Polónyi war es auch, der durchsetzte, dass heute in allen renommierten Fachpublikationen des Bau- und Architekturwesens nicht allein der ideengebende Architekt genannt wird, sondern auch der bauphysikalisch und materialtechnisch verantwortliche Ingenieur.
Eine Ausstellung in München mit dem Titel „Tragende Linien - Tragende Flächen. Konstruktionsprinzipien im Werk von Stefan Polónyi“ zeigt noch bis zum 30. November 2014 die vielfältigen baulichen Lösungen, zu denen der Bauingenieur im Laufe seines langen Arbeitslebens mit vielen Architekten gefunden hat.
bra
Oskar von Miller Forum
Oskar-von-Miller-Ring 25
80333 München
Tel. 089 / 15883380
Öffnungszeiten
DI - SO 12 - 18 Uhr
DO 12 – 20 Uhr
Eintritt frei