rheinische ART
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rheinische ART 05/2010

Archiv 2010: aus "Kunst erleben in der Ausstellung"

Kunstform: Informel und Abstrakter Expressionismus 

Die Kunst der Nichtform
 

Es war eine ganz besondere Malweise, der sich die Künstler der Nachkriegszeit hingaben. Was zählte, waren Gefühl, Eingebung und Spontaneität. Planerisches Denken war out. Die Rolle des Zufalls war eine wichtige: Mit ihm wurde experimentiert und provoziert. Gleiches galt für Materialien und Prozesse. Der eigentliche Schaffungsprozess selbst beinhaltete vielfach einen ungewöhnlich tatkräftigen Körpereinsatz, eben große Gesten, denn Farbe kam nicht brav mit dem Pinsel sondern höchst unkonventionell gestrichen, geschüttet, verrieben, zerlaufen auf die manchmal zerkratzte Leinwand


 

K. R. H. Sonderborg, "Komposition", 1960
Eitempera, Fotoleinwand,
110x70 cm
Courtesy Galerie Georg Nothelfer, Berlin

 

Die Emotion als kreativer Input hatte Vorrang vor allem anderen. Das Ergebnis war nicht ein bestimmtes Bild, das im Kopf des Künstlers vorstellhaft existierte, sondern das, was durch seine hingebungsvolle, manchmal exzessive Aktivität bis hin zum Extrem des Kontrollverlustes entstand.

  Den Künstlern ging es um die Auflösung von Konzept und Form, um Neues. Geschaffen wurde Abstraktes und Gegenstandsloses im Bild, das ohne Zweifel heftigste Diskussionen auslöste und oft auf Unverständniss stieß. Die lenkende Emotion konnte durchaus zart sein, aber sicherlich war es manchmal eine Urgewalt, die da auf die Leinwand krachte.

  Es waren die 50er- und 60er-Jahre, in welchen die Kunstströmung des Informel dem Zeitgeist entsprach und Mode war. Die künstlerische Avantgarde zeigte sich zerrissen und desillusioniert, aber auch moralisch motiviert. Sie befand sich auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Nach Neuem, das nicht durch die unmittelbare Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs indoktriniert war und gleichzeitig größtmögliche Freiheit ermöglichte. Diese revolutionäre Kunstströmung ist nicht singulär oder lokal zu betrachten. Sie existierte international. Das Informel wurde in Paris geboren und fand seine Entsprechung im Abstrakten Expressionismus Amerikas, dem sich u.a. Jackson Pollock sowie Mark Rothko widmeten.

  Ihre offizielle Bestätigung fand die revolutionäre Kunstrichtung mit der gestisch-abstrakten Malerei, die das Konzeptionelle so vehement ablehnte, auf der 1959 in Kassel stattfindenden documenta II. Vierzehn Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde hier eine zentrale Tendenz der Malerei gefeiert, die sich als ein internationales Phänomen präsentierte. Mit dieser documenta erhielt die so genannte informelle Malerei einen gleichsam offiziellen Status. Die Bedeutung der „Abstraktion als Weltsprache“ hatte sich durchgesetzt und etabliert.

 

Ernst Wilhelm Nay, Stunde Ypsilon, 1956, Öl auf Leinwand, 125 x 200 cm, museum kunst palast, Düsseldorf, Sammlung Moderne Kunst, Foto: Achim Kukulies © E. Nay-Scheibler, Köln

 

Die Kunstströmung ist denn auch weniger Stil als künstlerische Haltung. Mit den Worten von Karl Otto Götz (mehr), einem ihrer wichtigsten deutschen Protagonisten, handelt es sich bei der informellen Kunst um: „... die Auflösung des klassischen Formprinzips mit malerisch und materialmäßig vielen Möglichkeiten.“

 

Cy Twombly, Ritual (Lexington, Virginia), 1949, Öl auf Leinwand, 51x61 cm
Daros Collection, Schweiz,

Foto: Jochen Littkemann, Berlin
© Cy Twombly

 

 

- le grand geste! -


 

Die Ausstellung "le grand geste!" im museum kunst palast zeichnet fünfzig Jahre später mit 150 Gemälden den Weg und die künstlerische Entwicklung von Informel und Abstraktem Expressionismus nach. Ein Weg, der von Frankreich und Amerika durch Deutschland, Italien, Holland, Spanien und andere europäische Länder führte. Ziel der Schau ist, den längst überfälligen, pointierten Blick auf eine wichtige Epoche der Nachkriegskunst zu werfen. Darüber hinaus möchte sie den Werken mit frischem, unverstelltem Blick begegnen, die, wie Beat Wismer, Generaldirektor museum kunst palast sich ausdrückt - lange aus dem kunsthistorischen Bewusstsein verschwunden waren.

  Besondere Bedeutung nehmen nach Aussage der Kuratorin Susanne Rennert innerhalb der Ausstellung die deutschen gestisch-abstrakten Künstler wie Brüning, Dahmen, Gaul, Götz, Hoehme, Nay, Schultze, Schumacher, Sonderborg, Thieler oder Trier ein. Die Genannten zählen zu jener, etwas in Vergessenheit geratenen „Zwischengeneration“, deren berühmte Schüler - hierzu zählen Gerhard Richter, der bei Karl Otto Götz, Sigmar Polke (mehr), der bei Götz und Gerhard Hoehme (mehr), oder Georg Baselitz, der bei Hann Trier (mehr) studierte - der deutschen Kunst in den 1980er Jahren zu internationaler Anerkennung verholfen haben.

Irmgard Ruhs-Woitschützke

 

Die Ausstellung „le grand geste!“ ist bis zum 1. August 2010 zu sehen.

museum kunst palast
Ehrenhof 4-5
40479 Düsseldorf
Tel. 0211 / 8990200 (Mo–Fr 9–19 Uhr)
Tel. 0211 / 8992460 (Sa+So 11–18 Uhr)


Öffnungszeiten

DI – SO 11–18 Uhr

DO 11-21 Uhr


 

 

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