rheinische ART
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rheinische ART 04/2015

 Archiv 2015

 

SPEZIALMUSEUM

FIRMENMUSEUM DUJARDIN UERDINGEN 
Darauf einen…

 

Dujardin! Dieser Werbeslogan wurde ab 1952 in der Gastronomie wie auch in manchem Haushalt zu einem geflügelten Wort. Und er machte den Weinbrand vom Niederrhein berühmt. Das Produkt Dujardin, das noch heute existiert, gilt als Spitzenerzeugnis deutscher Weinbrenner-Kunst und war lange als Begleiter besonderer Anlässe geschätzt.

 

Blick in die Ausstellung: Destillationsraum mit historischen Brennereikesseln. Oben: Weinbrandfässer aus französischem Limousin-Eichenholz für die Lagerung der Spirituosen. Fotos © rART 2015

 

Die alten, traditionsreichen Destillationsapparaturen in Uerdingen arbeiten nicht mehr. Sie sind - komplett erhalten - zu einem Industriemuseum der Sonderklasse umfunktioniert worden. Matthias W. Melcher, Nachfahre der Gründerfamilie in achter Generation, ist Museums- und Verwaltungschef der denkmalgeschützten Firmen-Immobilien. Er legt Wert auf die Tatsache, dass alles Museale in eigener Regie und ohne öffentliche Mittel entwickelt und erstellt wurde, in Stand gehalten und betrieben wird.

 

Brennblase aus Kupfer mit Zollverschluss zur Destillation. Hersteller Wilhelm Kremer Apparatebau, Köln 1954. Foto © rART 2015

 

Konferenzraum der Geschäftsführung mit Ahnengalerie, Produktsortiment und dem Modell des Weintransportschiffes MS Imperial. Foto © rART 2015

 

Spezialmuseum Gut 3.000 Quadratmeter Schaufläche ermöglichen einen einzigartigen Blick in die Spirituosenproduktion eines der ehemals größten deutschen Brennhäuser sowie in die betriebswirtschaftliche Welt vor über 40 Jahren. Brennblasen, Werkstatt, Küferei, Lagerräume, hauseigenes Qualitäts- und Probenlabor, Verwaltungs- und Zollbüro, ein Konferenzraum in der Furnierholz-Leder-Optik der 60er-Jahre und Vitrienen mit Exponaten aus der gesamten Produktpalette von Dujardin: es ist alles noch da – von der Weinbrand-Bohne bis zum 500-Liter-Limousinfaß, und vieles sieht so aus, als wenn es erst vorgestern noch seinen Dienst tat.

     Eigentlich bietet das Museum noch viel mehr. Nämlich einen wunderbaren Blick zurück in die Lebenswirklichkeit der Großeltern. Irgendwie taucht plötzlich alles wieder vor dem geistigen Auge auf: die Zeit der Bonner Republik, Wirtschaftswunder, Borgward-Isabella, Hula-Hoop-Reifen, der rundliche VW-Bulli, Triumph-Schreib- und Walther-Saldiermaschinen und Filme mit „Conny“ Froboess und Rex Gildo.

 

Sonderabfüllung: „Dujardin Fine“, ein Cognac-Klassiker mit dem Prädikat V.S.O.P. Bis zu vier Jahre in Eichenfässern gelagert, gilt er als Spitzenprodukt. Die Sonderabfüllung wurde zum 200-jährigen Firmenjubiläum 2010 aufgelegt. Foto © Matthias W. Melcher 2015

 

Geschmackswandel  Aber hinter dem nostalgischen Rückblick steht der Niedergang einer einst großen Zunft. Seit dem Jahr 2000 wird in Uerdingen nicht mehr produziert.

     Der ehemalige Branchenprimus, der per anno bis zu 10 Millionen Flaschen der Marke „Dujardin Imperial“ verkorkte und Zollabgaben in Höhe von über 100 Millionen Mark entrichtete, hatte, wie Matthias W. Melcher feststellt, seine Hochzeit in den 50er- und 60er Jahren. Dann verlangte der Markt nach anderem Hochprozentigem; der Cognac-Glas schwenkende alte Herr am Kamin war out. „Man hat es leider verpasst, aus dem Weinbrand ein ´junges´ Getränk zu machen“, analysiert Melcher die Entwicklung auf dem Branntweinmarkt. Aus dem Slogan „Darauf einen…“ wurde 1957 „Der Weinbrand für Fortgeschrittene“, sechs Jahre später war die Spirituose „Sonne im Glas“ und 1970 stellte Dujardin fest: „Sein reifes Alter macht ihn so bekömmlich“.

     Es half nichts. Die Nachfrage nach traditionellem Weinbrand brach schließlich völlig ein, in den 80er- und 90er- Jahren war sie „…so gut wie tot“. Wodka und Gin, so Melcher, wurden als Basis für Mixgetränke zu trendigen Alkoholika.


Fusionen Dass heute über 200 Jahre alte Familienunternehmen mit dem klangvollen französischen Namen, das zwei Weltkriege und scharfe wirtschaftliche Restriktionen durch den Versailler Vertrag überstanden hatte, fusionierte. 1983 zunächst mit der Firma Pott & Racke - Abfüllung, Vertrieb und Verwaltung wurden nach Bingen verlegt. 2006 übernahm Schwarze & Schlichte im westfälischen Oelde den Vertrieb der Marken Dujardin Imperial, Uerdinger und Melcher´s Rat. Die Gebäude in Uerdingen und die Markenrechte blieben in Besitz der Familie Melcher.

 

Innenhof der Brennerei mit dem Exponat „Kesselwagen“, einem privaten Bahnwagen des Unternehmens für die Beförderung des Rohstoffes Wein. Foto © rART 2015

 

Industriemuseum Seit 2009 zeigt der einstige renommierte Markenartikler einem interessierten Publikum, wie aus französischem Wein am Niederrhein der edle Cognac/ Weinbrand hergestellt wurde.

     Mit dem Industriemuseum wächst im Umfeld gleichzeitig ein interessantes und kunstnahes Kultur- und Kreativzentrum heran. Melcher, selbst beruflich im Mediengeschäft zu Hause, denkt weit nach vorne und bietet unmittelbar an der Rheinfront in den modernisierten Dujardin-Betriebsräumen Ateliers, Werkstätten, Ausstellungsräume und Lofts für Künstler, „Start-ups“ und Dienstleister rund um die Kreativwirtschaft. Ziel ist der Ausbau des gesamten Gebäudekomplexes zu einem Kreativpool für Kunst und kunstaffines Gewerbe.

 

Historische Flaschen. „Deutscher Weinbrand aus Fine Champagneweinen in Deutschland gebrannt.“ Foto © rART 2015

 

In der Firmengeschichte spiegelt sich das Auf und Ab politischer und ökonomischer Vorgänge in Europa über 200 Jahre. Die ersten Brennrechte für Korn und Wacholderschnaps in Uerdingen erhielt 1780 Wilhelm Heinrich Melcher. Sohn Henry begann 1810 unter napoleonischer Besetzung mit der Weinbrennerei und ließ sich 1820 als „patentyrter Distillateur“ in das neu geschaffene Handelsregister (Code de commerce) eintragen. Der mutige Schritt wurde belohnt. Das Unternehmen Gebr. Melcher wuchs kontinuierlich und belieferte als regionaler Weinbrenner den Niederrhein und das expandierende Ruhrgebiet.

 

Verkorkung von Weinbrandflaschen in den 1930er Jahren. Die Tätigkeit wurde weitgehend in Handarbeit erledigt. Foto © Matthias W. Melcher 2015

 

Firmenslogan aus den 1950er und 1960er Jahren. Foto © rART 2015

 

Nach dem Ende des deutsch-französischen Krieges 1871 wurde der gebrannte Wein aus dem französischen Städtchen Cognac in ganz Deutschland populär. Er wurde als Cognac, eingedeutscht Kognac oder Cognacker Franz-Branntwein auch in Apotheken als Medizin angeboten.

     Die Gebr. Melcher nahmen Geschäftsbeziehungen zu der französischen Winzerfamilie Dujardin auf Chateau Merigots in der Charante auf und bezogen von dort große Teile ihrer Weine für die Brennerei. Die zunächst rein ökonomischen Bande entwickelten sich zu einer Freundschaft beider Familien; in einer Art Kooperation entstand daraus die Cognac-Brennerei Dujardin & Co vorm. Gebr. Melcher mit Sitz in Uerdingen am Rhein.

 

MS Imperial an der Lände von Uerdingen. Das Schiff transportierte alle 14 Tage fast 400.000 Liter Brennwein direkt zur Dujardin-Produktionsstätte am Rhein. Foto © Matthias W. Melcher 2015

 

Nach dem Ausscheiden der Dujardins aus dem Unternehmen behielt die Familie Melcher den Firmennamen bei. Ein markanter Einschnitt war der Erste Weltkrieg. Ab 1920 durfte gemäß der Versailler Verträge der prestigeträchtige Name Cognac in Deutschland nicht mehr verwendet werden, das Brennprodukt trug fortan die Gattungsbezeichnung Weinbrand. Die Nachfrage stieg dennoch rasant, die Brennerei musste vergrößert werden. 1930 baute Dujardin in Uerdingen am Rheinufer eine moderne Großanlage mit Gleisanschluss und direkter Flussanbindung. Die Expansion versank jedoch ab 1943 unter Brandbomben in Schutt und Asche. Nur die vorausschauende Auslagerung alter Destillate sicherte nach Kriegsende zunächst wieder behelfsmäßig die Produktion. Die Dujardin-Spirituosen büßten nichts von ihrer Güte ein, der traditionsreiche Name gewann seinen alten Klang zurück. Mit der M.S. Imperial, dem speziell für die Familienbrennerei gebauten Fluss-Seeschiff  - übrigens das einzige deutsche reine Weintransportschiff - bezog Dujardin ab 1954 jahrelang über den Wasserweg seinen Rohstoff Wein direkt aus den Weinhäfen Frankreichs. Die Lagerkapazitäten wurden verdreifacht und eine hochmoderne Verladestation gebaut. Der Betrieb beschäftigte zum Ende der Sechzigerjahre fast 500 Mitarbeiter.

Claus P. Woitschützke

 

 Der Firmenstandort diente wegen seines authentischen Interieurs mehrfach als Kulisse für Filmszenen, so etwa für den Sportfilm „Das Wunder von Bern“ (2003).

 

Weinbrennerei Dujardin
Historische Brennerei
Hohenbudberger Straße 4-10
47829 Krefeld
Tel. 02151 – 4832-0
Öffnungszeiten
Führungen auf Anfrage