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rheinische ART 05/2018

Archiv 2018

ZEITGENÖSSISCHE KUNST
Raqs (Selten gestellte Fragen)


Die Kunstsammlung NRW zeigt das indische Künstlerkollektiv Raqs Media.

 

Raqs Media Collective More Salt in Your Tears, 2017, Foto-Print, Maße variabel, Courtesy Raqs Media Collective, Foto: © Raqs Media Collective © Kunstsammlung NRW

 

Indien: für viele ein Sehnsuchtsort, für andere ein Moloch. Der Subkontinent macht in jüngster Zeit in vielerlei Hinsicht stark von sich reden.

     Bangalore ist ein Start-Up-Zentrum und der Vergleich mit dem Silikon Valley wird nicht gescheut, Kalkutta zeigt wie kaum eine andere Stadt die zwei Gesichter – Armut und Reichtum - Indiens und trägt den schönen Beinamen „Stadt der Freude“ (mehr), Mumbai ist mit seinem Hafen immer noch ein berückendes Tor zum Westen wie zum Osten und in Delhi liegen das „alte“ Indien mit seiner Altstadt und das „neue“, das moderne, nebeneinander. Indien ist nach China das bevölkerungsreichste Land der Erde. 1,32 Milliarden Menschen leben auf dem Subkontinent. Zum Vergleich: die USA haben 320 Millionen.
     Die Kultur Indiens wird in der westlichen Welt meist mit bunten Farben assoziiert, mit Maharadscha-Palästen, Hindu-Tempeln, vielleicht noch Bollywood und ähnlichem mehr. Doch zeitgenössische Kunst und Indien bringt bei uns kaum jemand zusammen.

 

Raqs Media Collective Strikes at Time, 2011, Video-Installation (Diptychon, mit Sound), 18’32 (Loop), Foto: © Raqs Media Collective © Kunstsammlung NRW


Susanne Gaensheimer, seit 2017 Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, hat sich als erste von ihr organisierte Schau für die Präsentation der Künstlergruppe Raqs Media Collective entschieden. Die Gruppe arbeitet seit 1992 zusammen. Gegründet wurde sie in Neu-Delhi. Ihre drei Mitglieder sind Jeebesh Bagchi (*1966), Monica Narula (*1969) und Shuddhabrata Sengupta (*1968). Als Kollektiv wurden sie bereits in Europa mehrfach ausgestellt. In Deutschland und hier im k21, ist es ihr erster Auftritt.

 

Raqs Media Collective Escapement, 2009 (Installation, Detail), Courtesy Frith Street Gallery, Foto: © Raqs Media Collective © Kunstsammlung NRW

 

Über Raqs Media sollte man wissen, dass sich die Künstler international verstehen. Natürlich ist ihr Heimatland Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Arbeit, aber sie schauen auch sehr schnell über die Grenzen. Ihre Themen in Düsseldorf sind Zeit und Zahlen und die Sprache ist für sie künstlerisches Material und Medium zugleich. Diesen Sujets widmen sie sich im globalen Kontext. Übrigens: Raqs ist das Kürzel für „Rarely Asked Questions“ (Selten gestellte Fragen).


Man wünscht der Ausstellung viel Aufmerksamkeit, denn sie hat Tiefgang. Sie geht weit über das „Schöne“ in der Kunst hinaus und stellt sich den Fragen der Zeit mit Digitalisierung und Umwelt, indem sie „Zeit“ an sich mehrschichtig betrachtet. Zeit? Was ist das? Akustisch bringt das Kollektiv diesen nachdenkenswerten Moment mit Herzschlägen und Tönen unserer angeblich so modernen Welt ins Gedächtnis. So erreicht beispielsweise das Piepen eines Faxes ohne den bekannten Kontext das Ohr. Ein Hinweis darauf, dass die weltweite Digitalisierung in Indien eine virtuelle Servicegesellschaft hat entstehen lassen, die niemals schläft. Service weltweit bedeutet rund um die Uhr, 24 Stunden lang…
     In einem Leuchtkasten ist ein Diapositiv zu sehen mit der Aufnahme der Installation „More Salt in Your Tears“, aufgestellt in der Ostsee auf dem stark befahrenen Seeweg zwischen den finnischen Inseln und Schweden und tatsächlich nur von den vorbeifahrenden Schiffen aus zu erleben. Die Gruppe weist damit auf den Umstand hin, dass der Salzgehalt der Ostsee geringer ist als der Salzgehalt der menschlichen Tränen. „Die richtige Mischung aus Süß- und Salzwasser ist entscheidend für die Bewahrung des sensiblen Ökosystems in dieser Region“, steht im Kurzführer der Ausstellung zu lesen.

 

Raqs Media Collective Untold Intimacy of Digits, 2011, Einkanal-Video-Projektion, 0’47 (Loop), Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, Foto: © Raqs Media Collective © Kunstsammlung NRW


Eine Videoproduktion zeigt zwei Handabdrücke. Ein schwarzer ist vor einem blauen positioniert. Beide Abdrücke korrespondieren, denn die Finger zählen. Hier spielt die Gruppe auf die biometrische Datenerfassung an. „Der Aufbau der größten Identifizierungsdatenbank der Welt (UID, heute: AADHAR) startete 2009 in Indien. Inzwischen wurden eine Milliarde Inder über Fingerabdrücke, Irisscans und Gesichtsaufnahmen kartografiert, registriert und mit einer Identifikationsnummer versehen“, informiert das ausstellende Haus. Doch Raqs macht mit diesem Video darauf aufmerksam, dass das bloße Sammeln von Zahlen und messbaren Fakten allein zum Ergründen eines menschlichen Individuums in Frage gestellt werden darf. „In jeder Summe, die von der Macht errechnet wird, spukt ein Rest. Nicht alles geht auf. Ein Volk ist niemals gleich der Auflistung seiner Körper. Es ist etwas mehr und etwas weniger als eine Bevölkerung.“
Irmgard Ruhs-Woitschützke


Die Ausstellung „Raqs Media Collective“ ist bis zum 12. August 2018 zu sehen.
K21 Ständehaus
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
Ständehausstraße 1
40217 Düsseldorf
Tel. 0211 / 8381-204
Öffnungszeiten
DI – FR 10 – 18 Uhr
SA + SO 11 – 18 Uhr

 

 Wir möchten noch auf andere Ausstellungen zum Thema Indien hinweisen. Da ist zum einen die Schau mit indischen Künstlerinnen „Facing India“ im Kunstmuseum Wolfsburg und in Bonn die Fotoausstellung „Zwei Gesichter Indiens“ (mehr) mit Alltagsszenen des Landes im GIZ-Gebäude.

 

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