Archiv 2020
TRADITIONEN
Büdchen-Kultur
Das Land Nordrhein-Westfalen dokumentiert fortlaufend das immaterielle kulturelle Erbe innerhalb seiner Landesgrenzen. Diesjährig wurden zwei Traditionen in das Landesinventar aufgenommen: Das Steigerlied und die Trinkhallenkultur.
Trinkhalle „Fortuna-Büdchen“ am Josef-Beuys-Ufer in Düsseldorf, zwischen Altstadt und Stadion. Ein Ort für Fußballfans zum Jubeln und Trauern und ein Logenplatz für Sonnenuntergänge. Foto © rART 2020 |
„Das Landesinventar ist ein eindrückliches Zeugnis der menschlichen Kreativität und kulturellen Vielfalt in Nordrhein-Westfalen“, erklärte Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. Mit dem Steigerlied und der Trinkhallenkultur im Ruhrgebiet seien zwei lebendige Traditionen hinzugekommen, „die für Solidarität und sozialen Zusammenhalt und damit für eine ganz besondere Facette der kulturellen Ausdrucksformen in Nordrhein-Westfalen stehen.“
Ikone regionaler Identität: Eine Trinkhalle („Bude“) im Ruhrgebiet. Foto © Wikipedia H.J.Wiese CCY3.0
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„Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt“ – selbst nach dem Ende des Steinkohlebergbaus habe das berühmte Steigerlied, das zu vielfältigen Anlässen gesungen wird, seine identitätsstiftende Kraft nicht eingebüßt, heißt es im Ministerium.
Bei den Trinkhallen im Ruhrgebiet, auch Kioske, Buden oder liebevoll Büdchen genannt, spiele vor allem der soziale Zusammenhalt eine zentrale Rolle. Denn Trinkhallen nehmen als typische Treffpunkte eine wichtige Funktion für die Nachbarschaft ein und stellen Orte der Integration und des Austausches dar.
Beide Kulturformen sind teils auch andernorts in Deutschland weit verbreitet, zeichnen sich jedoch durch ihren deutlichen Bezug zu Nordrhein-Westfalen für die Aufnahme in das NRW-Landesinventar aus. Vor allem im hiesigen Rheinland ist die Trinkhalle oder das Büdchen um die Ecke ein ausgesprochen populäres Kulturgut.
Berühmteste Trinkhalle der Republik: Das denkmalgeschützte „Bundesbüdchen“ im ehemaligen Bonner Regierungsviertel, vor der Verlegung im Juni 2006. Foto © Wikipedia CCBY-SA2.0 de
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Nicht zu vergessen ist, dass die wohl bekannteste Trinkhalle das Bonner „Bundesbüdchen“ vor dem ehemaligen Bundestag am Rheinufer war.
Es wurde quasi als eines der Wahrzeichen der Bonner Republik unter Denkmalschutz gestellt und 2006 eingelagert. Das architektonische Kleinod sollte eigentlich 2020 an der Ecke Heussallee / Platz der Vereinten Nationen - in Sichtweite des früheren Standortes - wieder aufgestellt werden. Vermutlich macht die Corona-Krise diesem Plan im laufenden Jahr jedoch ein Strich durch die Rechnung.
Was jedem Kiosk eigen ist: auf wenigen Quadratmetern wird ein Allerlei für den täglichen Bedarf angeboten. Somit ist er ein Verkaufspavillon an publikumsträchtigen Lokalitäten. Allerdings ist der Bestand stark rückläufig und schon seit Jahren beklagen Stadtbewohner und Touristen das Sterben dieser kleinen Versorger.
Traditionell gehören zu ihrem Sortiment Zeitungen und Zeitschriften, Getränke und Süßigkeiten, da und dort auch Souvenirs, natürlich immer noch Tabakwaren, gelegentlich auch Snacks, belegte Brötchen und Briefmarken – und nicht selten die immaterielle „Lebenshilfe“ oder der „Trost in traurigen Stunden“, je nach Inhaber oder Inhaberin.
K2M