Archiv 2019
MEDICI AM RHEIN
Sammlerpioniere
Die Dynastie der Medicis war eine Klasse für sich! „Sie waren die ersten europaweit agierenden Sammlerpersönlichkeiten und förderten Künstler aller Sparten.“
Felice Ficherelli (1605–1660) Der Hl. Sebastian, versucht durch die Hl. Irene, 17. Jh. © Haukohl Family Collection Foto: Tom Lucas/ MNHA Luxembourg |
Auf diesen Kernsatz verdichtet Oliver Kornhoff, Direktor des Arp Museums Bahnhof Rolandseck, die Rolle der berühmten Kaufmannsfamilie aus Florenz. Von ihnen gesammelte Kunst ist derzeit in seinem Hause zu sehen. Die Schau titelt „Im Lichte der Medici. Barocke Kunst Italiens“ und ist eine sehenswerte Besonderheit.
Pietro Dandini Esther mit Ahasverus, 1690er Jahre © Haukohl Family Collection Foto: Tom Lucas / MNHA Luxembourg |
Heute ist längst klar: Die Entwicklung der Künste und Wissenschaften war eng mit dem Aufstieg und Fall dieses reichen, einflussreichen und kunstaffinen Textilhändler-Clans aus der Toskana verknüpft. Über fast vier Jahrhunderte hatten die Medicis ökonomischen und politischen Einfluss. Ihr Aufstreben wurde durch eine lange Friedenszeit, eine blühende Wirtschaft und ein stabiles Staats- und Herrschaftsgefüge begünstigt und ließ die Künste prosperieren.
Die Medicis wussten um die Bedeutung dieser Tendenz. Sie setzten ihre Hofkünstler und ihre Kunstsammlung gezielt im Sinne einer strategischen Kulturpolitik ein.
Justus Sustermans Bildnis des Giancarlo de’ Medici, vor 1644 © Haukohl Family Collection Foto: Tom Lucas / MNHA Luxembourg
Giovanni Angelo da Montorsoli Porträtbüste Papst Clemens VII. (bürgerlich Giulio de‘ Medici), ca. 1532 © Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF Foto: Gruppe Köln, Hans G. Scheib
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Die gesellschaftliche Rolle der Medici-Familie unterstreichen einige der in Remagen ausgestellten Exponate. Aus der Barockzeit stammt etwa ein Gemälde von Giancarlo de‘ Medici, das vor seiner Ernennung zum Kardinal entstand. Der Antwerpener Barockmaler Justus Sustermans, der dieses Ausstellungs-Highlight schuf, war 60 Jahre lang Hofmaler der Familie und diente ihnen auch als Diplomat und Agent.
Eine marmorne Porträtbüste zeigt Papst Clemens VII., der als Guilio de‘ Medici geboren wurde. Er wuchs im späten 15. Jahrhundert auf, einer Zeit, in der die Position der Medici als Herrscher von Florenz durch rivalisierende Familien zunehmend unter Druck geriet.
Die ausgestellten Werke entstammen der amerikanischen Sammlung Haukohl. 34 Gemälde aus dieser wohl bedeutendsten Privatsammlung an Florentiner Barockmalerei außerhalb Italiens werden ergänzend mit zwölf barocken Meisterwerken, darunter die Papstbüste, aus der ebenso hochkarätigen Sammlung Rau für UNICEF, die noch bis 2026 als Dauerleihgabe im Arp Museum beheimatet ist, präsentiert.
Wer oder was sich hinter dem amerikanischen Sammlungsnamen verbirgt, ist nicht jedem Kunstliebhaber gleich klar.
Eigentümer der bedeutenden Kollektion italienischer Barockkunst ist der US-Börseninvestor und Banker Mark Fehrs Haukohl. „Meine Familie sammelt in sechster Generation Kunst“, wird Haukohl im Handelsblatt anlässlich der Ausstellungseröffnung zitiert.
Der 68-Jährige war früher Geschäftsführer beim New Yorker Vermögensverwalter Salomon Smith Barney, derzeit ist er Chef von „The Vero Group“ in Houston/Texas, die das Familienvermögen verwaltet.
Haukohl hat deutsche Wurzeln und die reichen bis in das Jahr 1836, als sein Urgroßvater von Mannheim nach Milwaukee auswanderte und begann, Gemälde zu sammeln. Auch die Nachfahren hatten das Sammler-Gen und fanden Gefallen an seltenen Büchern, moderner Kunst oder – wie im Fall Mark Fehrs Haukohl – an Florentiner Meistern des 17. Jahrhunderts. Sie entdeckte der Kunstsammler in den 1970er-Jahren für sich, erwarb sukzessive Stück für Stück und schuf so einen einzigartigen Bestand an Werken dieser Kunstrichtung.
Giovanni Battista Caracciolo Joseph und Potiphars Frau, 1618 © Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF |
Die „Haukohl Family Collection“ umfasst Allegorien, religiöse Motive, Genreszenen und Porträts. Herzstücke im Kunstfundus sind die Gemälde der Künstler-Familie Dandini, die generationsübergreifend im Dienste der Medici stand. Weitere Meisterwerke stammen von Jacopo da Empoli, Giovanni Domenico Ferretti oder Felice Ficherelli.
Giovanni Domenico Ferretti Harlekin und seine Dame, 18. Jh. © Haukohl Family Collection Foto: Tom Lucas / MNHA Luxembourg
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Bemerkenswert ist damit, dass in dieser Schau nicht die üblichen Renaissance-Stars aus den Medici-Sammlungen wie Donatello, Michelangelo, Botticelli und Leonardo an den Wänden prangen, sondern weniger im Fokus stehende Meister des späten 16. und 17. Jahrhunderts.
Die versammelten Werke, so betont das Arp Museum, seien als Botschafter einer Zeit zu verstehen, in der sich die Mächtigen dieser Welt über ihre Liebe zur Kunst definierten. Dies sei ein Merkmal, dass die berühmten Medici mit der Sammlerfamilie Haukohl und Gustav Rau verbinde. Denn diese sozusagen „modernen Medicis“ pflegen die gesellschaftspolitisch tragende Rolle der privaten Sammler von Kunst bis in die Gegenwart.
rART
► Eine Besonderheit in der Exposition sind die opulenten, zum Teil originalen barocken Rahmen, die zahlreiche der prächtigen Gemälde umschließen und ihnen einen authentisch historischen Auftritt vermitteln.
► Die Schau im Arp Museum Bahnhof Rolandseck ist eine Kooperation mit dem Musée national d'histoire et d'art Luxembourg (MNHA).
Die Ausstellung „Im Lichte der Medici. Barocke Kunst Italiens“ kann bis zum 8. September besucht werden.
Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Hans-Arp-Allee 1
53424 Remagen
Tel. 02228 / 92 55-0
Öffnungszeiten
DI – SO 11 – 18 Uhr