Archiv 2011: aus "Kunst erleben"
150 Jahre Deutsch-Japanische Freundschaft müssen gefeiert werden – und das werden sie im Augenblick in den Museen Nordrhein-Westfalens. Das Museum Kunst Palast in Düsseldorf zeigt zu diesem Anlass sog. Ukiyo-e, japanische Farbholzschnitte zweier der bedeutendsten Künstler der Edo-Epoche: Utagawa Kuniyoshi und Utagawa Kunisada.
Utagawa Kunisada (1786-1865): Der Schauspieler Ichikawa Danjuro VIII als Fukuoka Mitsugi, in dem Kabuki-Schauspiel »Die Tänze von Ise«, 1852 Oban-Triptychon, linkes Blatt, 36,5 × 25 cm, Signiert »Toyokuni ga«
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Bilder der
fließenden
Welt
Japanische Farbholzschnitte werden seit über hundert Jahren in der westlichen Welt hochgeschätzt und teuer gehandelt. Bereits Vincent van Gogh und James Whistler ließen sich von ihnen inspirieren, ihre Farbigkeit, Ornamentik und Perspektivik waren ein maßgeblicher Impuls für westliche Künstler der Prämoderne. Wer sie sammelte, bewies eleganten und weltmännischen Geschmack. Dabei ist weniger bekannt, dass die Ukiyo-e (Japanisch für Bilder der fließenden Welt) in Japan selbst lange Zeit zu der am geringsten geschätzten Kunstform gehörten. Die Möglichkeit ihrer Vervielfältigung machte sie, trotz ihres teils extrem hohen Niveaus der Verfeinerung, zu einer Kunst des Hausgebrauchs, nicht zu messen mit den großen japanischen Errungenschaften auf dem Gebiet der zen-geprägten Sumi-e (Tuschemalerei) oder den aristokratischen Künsten wie den Yamato-e (frühe, meist höfische Darstellungen), dem Nō-Theater oder gar der Teezeremonie.
DENNOCH waren die Holzschnitte Europas Einstieg in die Ästhetik Japans, die sich mit unseren Begriffen bisweilen kaum fassen lässt. Sie waren die Initialzündung für eine Japanmode, die Ende des 19. Jahrhunderts begann und einen reichen kulturellen Austausch zur Folge hatte. Erst durch die Holzschnitte gewöhnte sich das westliche Auge langsam an die Kunst des Kaiserreiches, später halfen Gelehrte wie Kakuzo Okakura oder Ernest F. Fenollosa dem Westen, tiefer in die ästhetische Theorie des Landes einzutauchen.
Utagawa-Schule
Utagawa Kuniyoshi (1798-1861): Mutter und Kind, (aus der Serie „Die fünf Feste des Jahres“), ca. 1835 Farbholzschnitt, Oban-Einzelblatt, beschnitten, 36,8 × 26 cm
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Der Titel der Düsseldorfer Ausstellung „Samurai, Bühnenstars und schöne Frauen. Japanische Farbholzschnitte von Kunisada und Kuniyoshi“ macht deutlich: Der Fokus liegt ausschließlich auf zwei Künstlern, die wie sehr verschiedene Brüder nebeneinander stehen.
Die Bezeichnung Utagawa lässt ihre Zugehörigkeit zur Utagawa-Schule erkennen, der wohl einflussreichsten Holzschnittschule. Gleichwohl sind ihre bildsprachlichen Differenzen auch ohne tiefere Kenntnisse asiatischer Kunst auszumachen. Utagawa Kunisada (1786-1865) zeichnet sich in seinen Schauspielerdarstellungen durch einen klassischen, an älteren Vorbildern wie Kitagawa Utamaro geschulten Stil aus. Utagawa Kuniyoshi erstaunt durch eine oftmals bizarre Dynamik und exzentrische Motive: Seine Heldendarstellungen strotzen vor tätowierten Körpern, Lichtblitze werden als gewaltige weiße Balken vor schwarzem Hintergrund dargestellt, stets ist alles in Bewegung.
Erst durch den direkten Vergleich werden die stilistischen Feinheiten ersichtlich: Der „klassische“ Kunisada bettet seine Szenen häufig in ein architektonisches, streng geometrisches Umfeld. Kuniyoshi hingegen behandelt den Bildraum im extremsten Fall rein ornamental, so dass jede Perspektivik verloren geht. Den größeren Erfolg konnte zu Lebzeiten der kühlere Kunisada für sich verbuchen. Seine Beliebtheit rangierte im Japan des 19. Jahrhunderts noch vor jener der im Westen bekannteren Hiroshige und Hokusai.
Strenge Schlichtheit und eleganter Minimalismus
Utagawa Kuniyoshi (1798-1861): "Wada Heita Tanenaga im Kampf mit einer Riesenschlange", ca. 1845, Farbholzschnitt, Oban-Einzelblatt, 36,7 x 25,4 cm
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Seine Darstellungen, die Szenen des volkstümlichen Kabuki-Theaters abbilden, genossen hohes Ansehen. Das Kabuki gehörte zu den traditionellen Formen des japanischen Theaters und zu den Vergnügungen des Bürgertums. In der Edo-Epoche (1603 - 1868), welche durchgehend von den Shōgunen der Familie Tokugawa in Edo (heute Tōkyo) regiert wurde, konnte sich eine eigenständige bürgerliche Kultur erstmals in kompletter Unabhängigkeit von der aristokratischen Atmosphäre des Kaiserhofes in Kyōto entwickeln. Auch dies erklärt die Beliebtheit der Motive Kunisadas. Kuniyoshi behielt dagegen eher eine Außenseiterposition und spezialisierte sich auf Samuraifiguren und Illustrationen der japanischen Mythologie. Sein wilder Stil erlangte in Japan erst später Anerkennung und hatte es auch bei europäischen Kuratoren nicht leicht, wollte er doch nicht in das westliche Japan-Klischee aus strenger Schlichtheit und elegantem Minimalismus, in die Welt der Ikebana und Zenritiuale passen. Heute wird sein Stil als früher Vorläufer der beliebten Mangas und Anime (mehr) betrachtet und geschätzt.
Motivstudien
Ein besonderes Highlight der Ausstellung bildet eine Reihe von Handzeichnungen Utagawa Kuniyoshis. Die auf Japanpapier gezeichneten Skizzen bilden Motivstudien zu Holzschnitten und erlauben einen seltenen Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers. Korrekturen wurden auf gesonderten Papierfragmenten ausgeführt und auf die betreffende Stelle geklebt. Bei den noch nicht öffentlich gezeigten Skizzen handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Sōkō, erste Entwürfe, auf die erst die Reinzeichnung eines Schülers folgte, bevor diese dem Holzplattenschneider übergeben werden konnte.
Die gezeigten Ukiyo-e stammen aus der privaten Sammlung Hans Lühdorfs, eines Düsseldorfer Juristen, der dem Museum ab 1960 in einer Reihe von Teilschenkungen die Blätter vermachte. Der Sammler wandte sich 1941 der japanischen Kunst zu, da die Moderne auf dem deutschen Kunstmarkt als entartet galt und nicht vertreten wurde. Er teilte die Leidenschaft für Ukiyo-e mit seinen Freunden Alexej von Jawlensky und Wassily Kandinsky, die das inspirative Potential der Holzschnitte ebenfalls für sich entdeckt hatten.
Robert Woitschützke
Die Ausstellung „Samurai, Bühnenstars und schöne Frauen. Japanische Farbholzschnitte von Kunisada und Kuniyoshi“ ist bis zum 15.1.2012 im Museum Kunst Palast zu sehen.
Stiftung Museum Kunstpalast
Ehrenhof 4-5
40479 Düsseldorf
Tel.: 0211 / 8990200
Öffnungszeiten:
DI - SO 11 – 18 Uhr
DO 11 – 21 Uhr
©Fotos Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Graphische Sammlung
©rheinische-art.de