rheinische ART
Start | | Über uns | Anzeigen | Impressum | Kontakt | Datenschutz

rheinische ART 11/2017

Archiv 2017

GOLTZIUS & FRIES 

Gemischtes Doppel


Der gebürtige Niederrheiner Hendrick Goltzius war ein genialer Kupferstecher, großer Imitator und überaus geschäftstüchtiger Unternehmer. Das Kurhaus Kleve zeigt ihn in Kombination mit der Schweizer Malerin Pia Fries

 

Hendrick Goltzius Phaeton, aus: Die Himmelsstürmer, 1588, Kupferstich auf Papier, Niederrheinisches Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte, Kevelaer © Niederrheinisches Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte e.V., Kevelaer

 

Nun sind Ausstellungen mit dem gewieften, vielseitigen und großartigen Meisterstecher aus Haarlem weder neu noch selten.

 

Hendrick Goltzius Marcus Curtius, aus: Die Römerhelden, 1586, Kupferstich auf Papier, Museum Kurhaus Kleve – Sammlung Robert Angerhausen, Kleve © Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve (Photographie: Annegret Gossens, Kleve)

 

Doch in der Kombination mit der 1999 auf der Biennale in Venedig erstmals international reüssierenden Pia Fries hingegen schon. Somit ist es eine ungewöhnliche Werkschau.

     Denn mehr als vierhundert Jahre trennen das künstlerische Œuvre des Manieristen Goltzius - der im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert wirkte - und der zeitgenössischen Malerin mit Atelier in Düsseldorf. Es ist das erste Mal überhaupt, dass die beiden künstlerischen Positionen sich gemeinsam umfassend gegenüberstehen.

     Was sie eint sei die Lust an der Metamorphose, heißt es in Kleve. Deshalb führe Fries ergänzend zur Schau das Etikett Polymorphia, neben den an Goltzius schon zu Lebzeiten vergebenen Ehrentitel Proteus – was „damit augenzwinkernd Assoziationen an ein fiktives, antik anmutendes Künstlerpaar“ zulasse. Wer, so wird sich mancher fragen, wird da eigentlich zwangsvereint?

 

Hendrick Goltzius Herkules Farnese, um 1596, Kupferstich auf Papier, Museum Kurhaus Kleve – Sammlung Robert Angerhausen, Kleve © Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve (Photographie: Annegret Gossens, Kleve)

 

Hendrick Goltzius (Bracht 1558-1617 Haarlem) gehört zu den bedeutendsten Kupferstechern, Zeichnern und Malern seiner Zeit und war dem weitaus berühmteren Albrecht Dürer durchaus ebenbürtig.

     Er hatte ein Faible für antike Helden und muskulöse Männerkörper, aus denen er extreme Fleischpakete formte und die von entsetzten Zeitgenossen als „Knollenmänner“ verhöhnt wurden. Er vereinte in seiner Kupferstichkunst andererseits stilistische Raffinesse und technische Brillanz und erhielt dafür bemerkenswerte Würdigungen.


Als geschäftstüchtiger Verleger und Druckgrafiker war er international tätig und avancierte durch die massenmediale Verbreitung seiner Werke zum Katalysator bedeutender künstlerischer Innovationen gegen Ende des 16. Jahrhunderts. In seinen Werken bewies er unnachahmliche Virtuosität und Wandlungsfähigkeit.

     Karel van Mander (1548-1606), der bekannte holländische Künstlerbiograph und Weggefährte, bezeichnete ihn 1604 in seiner kunsttheoretischen Schrift Schilderboek (Malerbuch) als einen Proteus der Kunst, der fähig war, „sich in jeden Stil hineinzufinden“.

     Goltzius’ Œuvre setzt sich demnach aus einer verblüffenden Synthese aus Eigenem und Fremdem, aus Neuem und Altem, aus der Kunst des Nordens und der des Südens zusammen. Mit Meisterstichen wie etwa den sechs Szenen aus dem Leben Mariens, die von ihm in der Manier von Albrecht Dürer, Lucas van Leyden oder Parmigianino gestochen waren, bewies Goltzius eine „chamäleonartige Aneignungsfähigkeit von Stilen und Techniken“ - so das Kurhaus Kleve - die mit der Nachahmung stets das Übertreffen der Vorbilder zum Zwecke hatte.

     Gleichwohl: Hendrick Goltzius, der Vater der „Haarlemer Schule“, war natürlich nicht nur ein brillanter Imitator, er hatte auch einen einzigartigen eigenen Stil. Seine netzartig gestochenen Schraffuren und raffiniert an- und abschwellenden Linien mit weiten Bögen blieben unerreicht.

 

Pia Fries fahnenpapier 7, 2012, Ölfarbe und Siebdruck auf Papier, Eigentum der Künstlerin © Courtesy Galerie Mai 36, Zürich (Photographie: Hans Brändli) © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

 

Die aus Beromünster in der Schweiz stammende Pia Fries (*1955) war 1997 die erste Künstlerin, die eine Einzelausstellung im Museum Kurhaus Kleve erhielt. Bereits damals zeichneten dezidierte Bezüge zur Malereigeschichte ihre Arbeiten aus. Zum nunmehr zwanzigjährigen Jubiläum des Museums kehrt sie quasi als eine hochrenommierte Wegbegleiterin des Hauses zurück, um ihr neuestes malerisches Werk zu präsentieren. Es sind Werke im Zusammenhang mit Goltzius, dem sie sich seit Jahren widmet, und in denen sie eine Synthese mit dessen hochkomplexen Bildschöpfungen schafft.

 

Pia Fries corpus transludi D7, 2017, Acrylfarbe, Farbstift und Siebdruck auf Steinpapier auf Holz, Eigentum der Künstlerin © Courtesy Galerie Mai 36, Zürich (Photographie: Hans Brändli) © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

 

Pia Fries ist Richter-Schülerin und international in vielen Kunstmuseen vertreten. Sie nutzt kunstgeschichtliche Motive und Muster als Vorbilder für ihre furiose, dynamische und gegenstandslose Malerei.

     Dazu gehören auch Fragmente des manieristischen Meisters Hendrick Goltzius. Jüngst liegt ihr Fokus auf den Himmelstürmern (1588), einer Serie von vier Kupferstichen mit den mythologischen Gestalten, die bei Goltzius in einer Momentaufnahme des Fallens im taumelnden Kampf gegen die Erdanziehung dargestellt sind.

     Alle damit einhergehenden Assoziationen – Verlust, Schmerz oder Tod, aber auch Freie, Leichtigkeit oder Unabhängigkeit – potenziert sie mit den Mitteln ihrer Malerei. Fries: „Das ist für mich der bildende, schöpferische Prozess, der ‘Polymorphia’ bedeutet: Ich nehme das zum Sinnbild Gewordene, betrachte es aus meiner heutigen Sicht und lasse es ´neu´ werden.“

bra


Pia Fries erhält Mitte November 2017 als erste weibliche Künstlerin den Gerhard-Altenbourg-Preis, mit dem herausragende Lebenswerke von Gegenwartskünstlern gewürdigt werden. Das Kuratorium (Lindenau-Museum Altenburg/ Thüringen) begründete dies unter anderem damit, dass Fries eine Vertreterin der reinsten Malerei sei und besonders kreativ mit Farbe umgehe. Die Auszeichnung ist nach dem Künstler Gerhard Altenbourg (bürgerlich Gerhard Ströch, 1926-1989) benannt. Er verweigerte sich konsequent der offiziellen DDR-Kunstpolitik und wurde bis in die 1980er Jahre mit einem Ausstellungsverbot belegt.

 

Die Ausstellung „Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia“ ist bis zum 11. Februar 2018 zu sehen.
Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung
Tiergartenstr. 41
47533 Kleve
Tel. 02821 / 750-10
Öffnungszeiten
DI – SO 11 – 17 Uhr

 

 

Die 
rheinische ART.
empfiehlt:

Mit GOOGLE ins Museum.


Das Google Arts & Culture Projekt zeigt Meisterwerke aus den Museen und Sammlungen dieser Welt.

► 
mehr

Und geht der Frage nach: Was ist Contemporary Art?

mehr