GELESEN
Eine legendäre Fußreise
Vor 200 Jahre reiste der gebürtige Düsseldorfer Heinrich Heine in den Harz. Zwei Jahre später erschien seine „Harzreise“, die seitdem zum Kanon der Weltliteratur zählt.
Buchcover Bildquelle © Verlag Hentrich & Hentrich Berlin Leipzig 2024.
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Aus diesem Anlass widmeten das Harzmuseum Wernigerode und die Moses Mendelssohn Stiftung dem Dichter Heinrich Heine eine Sonderausstellung. Sie ging jüngst zu Ende.
Es war eine Hommage an den Literaten, der sich als Göttinger Jura-Student im September 1824 mit Rucksack – oder Tornister wie es damals hieß –, Ersatzstiefeln und Wanderstab auf den Weg machte, um das solitäre Mittelgebirge zu bereisen und den berühmten Brocken zu besteigen.
Der junge Mann, 27 Jahre alt, begab sich nicht nur zu Fuß durch die Natur, er beobachtete und notierte seine Erlebnisse. Die Niederschrift seiner Eindrücke, seiner Gedanken und Träume während der Wanderung, wurde berühmt und beflügelte „seither nachfolgende Generationen“.
Im Zusammenhang mit der Ausstellung erschien die Publikation „Heine im Harz. Entdeckungen am Rande einer legendären Fußreise“, aus dem Verlag Hentrich & Hentrich. Sie ist als ein unterhaltsamer, opulenter Bild- und Textband zu empfehlen.
Moritz Daniel Oppenheim Heinrich Heine, Gemälde von 1831. Mit Unterschrift Heinrich Heines. Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei
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Heinrich Heine war ganz sicher kein Trendsetter. Er tat nämlich, was viele seiner Zeitgenossen ebenfalls gerne machten, wenn sie vom Alltäglichen, vom beruflichen oder gesellschaftlichen Stress die Nase voll hatten. Man suchte Ruhe, Abgeschiedenheit, Erholung und Inspiration und gab sich der Naturschwärmerei hin.
Beim rheinischen Dichter, so die Überlieferungen, dürften es der jahrhundertelange „Muff“ des Universitätsbetriebs – namentlich der in Göttingen –, das trockene Jurastudium und eine fragile Gesundheit gewesen sein, die ihn auf den Brocken trieben.
Eine Möglichkeit also damals wie heute: Wandern und Blick in die Natur! Das war auch zu Heines Zeiten keine neue Erfindung, sondern eine von mehreren anerkannten „Gesundmachern“ und Lebensquellen. Der Dichter selbst zählt zu den Protagonisten der Naturbewegung und der beliebten Freizeitaktivität Wandern. Dass er seine Erfahrungen publizierte, wie Mitautor Uwe Lagatz schreibt, sei ein Glück gewesen, denn sonst wäre der Dichter „wohl in der Schar der historisch verbrieften Harzwanderer einer von vielen gewesen".
Heine trat die vierwöchige Wanderung in Göttingen an. Sie führte ihn vom Harz nach Weimar (Besuch bei Goethe) und über Erfurt, Eisenach, Kassel zurück nach Göttingen. Nach der Rückkehr verfasste er den ersten Teil der Reise (bis zum Abstieg vom Brocken),1826 erfolgte ein von der Zensur verstümmelter erster Abdruck. Bildquelle © Stadtarchiv Göttingen
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Als der Wanderbericht 1826 erschien, wurde der Autor gefeiert und verdammt – und ein neues Genre, das literarische Reisebild, kam auf den Buchmarkt. Bis heute blieb Heines „Harzreise“, neben Gedichten und Liedern, ein beliebtes Werk des Rheinländers. Die aktuelle Publikation liefere, so ein Rezensent, keine schwergewichtige Neuinterpretation dieser Wanderung. Vielmehr seien es mehrere Essays von renommierten Historikerinnen und Literaturwissenschaftlern, die Heines literarische Harz-Wanderung in einen historischen Kontext stellen und interessante Bezüge zur Gegenwart formulieren.
So wird die „Harzreise“ etwa in Beziehung zu zeitgenössischen Autoren wie Kaspar Friedrich Gottschalck (1772–1854), Adolph Glassbrenner (1810–1876) und David Kalisch (1820–1872) gesetzt. Sie alle haben sich kritisch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts über kulturelle Werte, das menschliche Miteinander, die wachsende Industrialisierung und deren Folgen für die Umwelt wie auch die individuelle Sinnsuche geäußert.
Ein überaus lesenswerter Sammelband, der auch die „literarischen Pfeile, die der junge Göttinger Student Heinrich Heine nach jener legendären Wanderung… verschoss“, großartig beschreibt. Sein ironischer Blick auf das deutsche Gemüt, auf häusliches Glück, Gemütlichkeit, Plüsch, pedantische Gediegenheit oder spießige Selbstgenügsamkeit gipfelte im dem Satz: „Der Brocken ist ein Deutscher.“
rART/K2M
► Nirgendwo außerhalb Deutschlands ist Heinrich Heine so populär wie in Russland. So hieß es in der Ausstellung „Russkij Gejne. Der russische Heine“, die das Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut im Winter 2011-2012 zeigte. 1827 wurde die erste russische Übersetzung eines Heine-Gedichts gedruckt. Die namhaftesten russischen Schriftsteller, vielfach selbst Verfasser von Weltliteratur, ließen sich von Heine inspirieren. Dazu zählen Autoren wie Puschkin und Lermontow, Turgenew und Dostojewski. mehr
Literaturhinweis
Elke-Vera Kotowski (Hg.), Uwe Lagatz (Hg.): Heine im Harz, Entdeckungen am Rande einer legendären Fußreise. Sprache: Deutsch. 320 Seiten, Hardcover. 245 Abbildungen. ISBN: 978-3-95565-676-8. Berlin 2024. Preis 28 EUR
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