rheinische ART
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rheinische ART 05/2018

Archiv 2018

HANS JOSEPHSOHN
Der schweigsame Plastiker

 

Er wurde 92 Jahre alt und widmete sich fast sieben Jahrzehnte der menschlichen Figur und seiner plastischen Gestaltung. Derzeit ist der gebürtige Ostpreuße und Wahlschweizer im Essener Folkwang zu sehen – es ist die erste große Retrospektive seiner Werke in Deutschland.

 

Hans Josephsohn Ohne Titel (Verena), 1987, Courtesy Josephsohn Estate, Kesselhaus Josephsohn/Galerie Felix Lehner, Hauser & Wirth, Foto © Museum Folkwang, Jens Nober

 

Der Künstler Hans Josephsohn gilt als einer der wichtigsten Schweizer Bildhauer der europäischen Moderne. Vermutlich war er auch einer der eigenwilligsten und - ziemlich sicher - einer der wortkargsten. Ein knorriger Unnahbarer!

 

Hans Josephsohn Stehende, 1968, Relief, 1974 und Halbfigur, 1991 Courtesy Josephsohn Estate, Kesselhaus Josephsohn/Galerie Felix Lehner, Hauser & Wirth, Foto: Stefan Altenburger

 

Hans Josephsohn Liegende Ohne Titel, 2006, Courtesy Josephsohn Estate, Kesselhaus Josephsohn/ Galerie Felix Lehner, Hauser & Wirth, Foto: Stefan Altenburger

 

So jedenfalls wurde er zeitlebens immer wieder beschrieben. Ob diese Charakterzüge seiner Herkunft, seinen schwierigen Lebensstationen oder schlicht seinem künstlerischen Metier, dem gipsstaubigen Plastizieren, geschuldet sind, sei dahingestellt. Sie würden gleichwohl einiges erklären.
     Denn Hans Josephsohn (1920 - 2012) entstammt einer gutbürgerlichen jüdischen Familie aus Königsberg und die Wortkargheit des dortigen Menschenschlages ist legendär. Als ab 1933 der nationalsozialistische Mob begann, jüdische Mitbürger zu drangsalieren, begann auch für ihn eine Leidenszeit. Nach dem Abitur 1937 durfte Josephsohn aufgrund seines jüdischen Bekenntnisses nicht das angestrebte Studium der Bildhauerei antreten.
     Er nahm kurzzeitig ein Kunststudium in Florenz an der „Accademia di Belle Arti“ auf. Sein Intermezzo in Italien und die dann folgende schnelle Emigration in die Schweiz 1938 retteten ihn vor den Konzentrationslagern. Zeitweise wurde er in ein Schweizer Internierungslager eingewiesen, schließlich ließ er sich in Zürich nieder. Dort lernte er den Schweizer Bildhauer Otto Müller (1905 - 1993) kennen. Josephson, der zu dem Zeitpunkt kaum Zwanzig war, orientierte sich am Schaffen dieses Mannes. Das Schweizer Bürgerrecht erhielt er 1964.
 
Sein Material wurde und blieb Gips, sein Traum gleichwohl galt der Bronze. Die formbare Masse Gips behandelte er mit seinen Händen oder mit Spachteln, gelegentlich wohl auch mit der Axt.
     Die Schau im Folkwang mit dem Titel „Existenzielle Plastik“ zeigt dies eindringlich an mehr als 70 zum Teil großformatigen Plastiken und Reliefs.
     In thematischer Reihung sind nicht nur Josephsohns frühe Objekte der 1950er Jahren zu sehen. Die Schau zeigt daneben auch das fulminante Spätwerk des Bildhauers, das er in den 1990er Jahren schuf. Etwa 50 Gipsmodelle und Zeichnungen aus allen Schaffensphasen veranschaulichen darüber hinaus seine Arbeitsweise.
 

Hans Josephsohn Ohne Titel (Verena), 1985, Courtesy Josephsohn Estate, Kesselhaus Josephsohn/Galerie Felix Lehner, Hauser & Wirth, Foto: Stefan Altenburger

 

Besonders deutlich wird sein bildnerisches Vorgehen an der in Essen gezeigten Plastik „Ohne Titel (Verena)“ von 1987. Die bewegte Oberfläche ist das Resultat eines langwierigen Ausforschens, bei dem Josephsohn die Plastik aus Gips aufbaute und danach Stück für Stück ergänzte.
     Einige Elemente schlug er wieder ab und korrigierte sie mit weiterem Gips. Eine dauerhafte Form erhielt die Plastik durch den Guss in Messing. Bei der überlebensgroßen Halbfigur handelt es sich um ein Porträt von Josephsohns Ehefrau Verena. Nach ihrem Vorbild hatte der Künstler seit den 1970ern zahlreiche Werke geschaffen.
     Über Jahrzehnte konzentrierte sich Josephsohn bei seiner Arbeit auf wenige Grundformen der menschlichen Figur: Kopf, Halbfigur, Stehende, Liegende. Eine naturalistische Darstellung war ihm nicht wichtig. In manchen Werken, wie beispielsweise den späten Halbfiguren, sind Körperformen nur noch ansatzweise zu erkennen.
 
Später Ruhm Diese erste Schau in Deutschland füllt, so heißt es im Folkwang, eine große Lücke in der Ausstellungsgeschichte zur europäischen Plastik der Moderne. Erstaunlicherweise gerieten der Meister und sein Werk über viele Jahre ins künstlerische Abseits. Erst ab der Jahrtausendwende stieß sein Spätwerk auf breites Interesse. Große Ausstellungen hatte Josephsohn noch zu Lebzeiten im Amsterdamer Stedelijk-Museum (2002), im Kölner Kolumba (2005) und im Museum für moderne Kunst Frankfurt drei Jahre später. Das skulpturale Lebenswerk des Schweizers, so hieß es in einem Nachruf, könne „...als der Versuch betrachtet werden, seine schmerzlich verlorene Familie und die flüchtige Existenz jedes Menschen gleichsam in dauerhafte Bronzegüsse zu retten“.
Klaus M. Martinetz

Die Ausstellung „Existenzielle Plastik“ kann bis zum 4. Juni 2018 besucht werden.
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
Tel. 0201 / 8845 160
Öffnungszeiten
DI, MI, SA, SO 10 - 18 Uhr
DO, FR 10 - 20 Uhr
 
 

 

 

 

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