Archiv 2015
MAGIE MIT LICHT UND SCHATTEN
Verführung bei Kerzenlicht
Godefridus Schalcken gehört nicht zu jenen Malern, die spontan mit der niederländischen Malerei des ausgehenden 17. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden. Zu seinen Lebzeiten jedoch genoss er in ganz Europa hohes Ansehen und zählte zu den bestbezahlten Künstlern seiner Zunft.
Godefridus Schalcken Schlafende Venus mit Cupido, vor 1685, Öl auf Leinwand, Nationalgalerie Prag Foto©Wallraf-Richartz |
Schalcken malte lebensvolle Porträts, geistreiche Genreszenen und „die überzeugendsten Nachtstücke mit Kerzenbeleuchtung in der Geschichte der Kunst überhaupt“, wie es Museumsdirektor Marcus Dekiert formulierte. Das Wallraf in Köln hat Godefridus Schalcken jetzt wiederentdeckt: Anhand von 80 Gemälden und damit etwa einem Drittel seines heute bekannten Gesamtwerks zeichnet das Museum den Lebensweg dieses virtuosen Malers nach.
Godefridus Schalcken Selbstporträt, 1695, Öl auf Leinwand, Leamington Spa Art Gallery and Museum Foto©Wallraf-Richartz
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Stolz und selbstbewusst begegnet uns Godefridus Schalcken auf seinem repräsentativen Selbstporträt von 1679 (Vaduz /Wien, Liechtenstein, The Princely Collections). 36 Jahre ist er da alt, in seiner Heimatstadt Dordrecht bereits ein gefragter Bildnismaler und in den besten Kreisen etabliert. Er sucht unseren Blickkontakt und beteuert mit der zur Brust geführten Hand seine Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit.
16 Jahre später deutet er in einem weiteren Selbstporträt (Leamington Spa, Art Gallery and Museum) auf seine Farbpalette und präsentiert sich als Maler. Was von großem Selbstbewusstsein zeugt, da es die Maler vor ihm über Jahrzehnte vermieden hatten, sich mit den Insignien ihrer Profession darzustellen und vielmehr ihre geistigen Qualitäten betonten.
Gleichzeitig wartet das Porträt mit allem auf, was ihn zum Star in der europäischen Malerszene gemacht hat: Eine emaillehaft glatte Maltechnik und die effektvoll in Szene gesetzte Kerzenbeleuchtung. Hoch geschätzt und hoch bezahlt wurden seine Gemälde – nicht nur wegen ihres facettenreichen Lichtspiels und der sinnlichen Atmosphäre der Kerzenlichtszenerien, sondern auch wegen ihrer Eleganz und malerischen Brillanz.
Karriere mit Glanz und Glamour An eine künstlerische Karriere hatte wohl kaum jemand gedacht, als Godefridus Schalcken 1643 in einer protestantischen Pfarrersfamilie in Made bei Dordrecht zur Welt kam. Sein Vater wurde Direktor der Dordrechter Lateinschule und Godefridus dort ebenso wie seine Brüder im Hinblick auf ein späteres Theologiestudium unterrichtet. Doch Godefridus entschied sich für eine andere Richtung: Er ging zunächst bei dem ebenfalls in Dordrecht wohnenden Rembrandt-Schüler Samuel van Hoogstraten (1627-1678) in die Lehre, bevor er mit 19 Jahren nach Leiden in die Maler-Werkstatt von Gerrit Dou (1613-1675) weiterzog.
Godefridus Schalcken Brieflesendes Mädchen bei Kerzenlicht, um 1689, Öl auf Eichenholz, Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kuntsammlung Dresden Foto©Wallraf-Richartz
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Während die Lehrzeit bei Hoogstraten kaum nachwirkte, steht Schalckens Frühwerk deutlich unter dem Einfluss von Gerrit Dou. Dieser war ebenso wie Samuel van Hoogstraten ein Rembrandt-Schüler, hatte sich aber auf eine hochgradig akribische, ja pedantisch ausgeführte Malweise spezialisiert. Heute gilt Dou als Begründer der Leidener Schule der Feinmaler (fijnschilder), deren Tradition bis ins 19. Jahrhundert fortwirkte. Dous penible Malweise, seine Nachtszenen und raffinierten Kunstlichteffekte schienen in den 1660er Jahren den Zeitgeist getroffen zu haben. Und so orientierte sich Godefridus Schalcken zunächst an seinem Lehrherren und malte überwiegend Genrebilder, die in stilistischer und motivischer Hinsicht denen seines Vorbilds entsprachen.
Als Schalcken um 1665 wieder nach Dordrecht zurückkehrte, entfernte er sich aber zunehmend von der perfektionistischen Feinmalerei und fand zu einer freieren, aber dennoch präzisen Malweise. Seine Vorliebe gehörte schon bald den Nachtstücken, die ein effektvolles Spiel mit Licht und Schatten ermöglichten. Zahlreiche seiner mythologischen und biblischen Kerzenscheinbilder und theatralischen Genre-Gemälde entstanden in Dordrecht, darunter auch die Schlafende Venus mit Cupido (Nationalgalerie, Prag, vor 1685). Eindrucksvoll verstand es Schalcken, das dämmrige Tageslicht mit dem warmen Schein der Kerze zu verbinden. Der Maler lüftet den Vorhang und gibt den Blick preis auf die weiblichen Kurven der Liebesgöttin. Damit versetzt er uns als Betrachter in die Rolle des Voyeurs, während der geflügelte Cupido mit erhobenem Zeigefinger mahnt, die schlafende Göttin nicht zu wecken.
Godefridus Schalcken Porträt des James Stuart, Duke von Lennox und Richmond, mit seinem Windhund bei Kerzenlicht, undatiert, Öl auf Leinwand, The Leiden Collection, New York Foto©Wallraf-Richartz |
Von Dordrecht über London nach Den Haag 1692 reiste Schalcken zusammen mit seiner Familie nach London, wo er am Hofe Willem III. von Oranien wohnte, der 1689 zum englischen König gekrönt worden war. Er malte überwiegend Porträts sowohl für den Hof als auch für die Mitglieder der englischen Aristokratie. Glaubt man zeitgenössischen Berichten, waren seine Jahre in England ausgesprochen erfolgreich – auch in finanzieller Hinsicht.
Godefridus Schalcken Porträt der Mary Wentworth, 1693-94, Öl auf Leinwand, Sewerby Hall Museum and Art Gallery Foto©Wallraf-Richartz
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Hier entstand auch das über zwei Meter hohe und damit bei weitem größte seiner Porträts: Es zeigt Mary Wentworth kurz vor ihrer Hochzeit. Das Bildnis ist in einer äußerst raffinierten und lockeren Pinselführung ausgeführt. Dass Mary Wentworth von dem Ergebnis angetan war, lässt sich daraus ableiten, dass sie sich noch einmal von Schalcken porträtieren ließ, als dieser schon längst in die Niederlande zurückgekehrt war und sich in Den Haag niedergelassen hatte, wo er einen regen Werkstattbetrieb unterhielt.
Weitere ehrenvolle Aufträge sollten ihn erreichen: So porträtierte er unter anderem die Oranje-Prinzen für die Ratskammer des Rotterdamer Admiralitätsgebäudes. 1703 weilte er in Düsseldorf am Hof des Kurfürsten und Pfalzgrafen Johann Wilhelm, der bereits im Jahre 1700 mehrere Bilder von ihm erworben hatte. Zu seinen Sammlern gehörten auch die Medici in Florenz und der dänische Hof in Kopenhagen. Am 13. November 1706 starb Godefridus Schalcken in Den Haag. Aber erst als sich der Kunstgeschmack im 19. Jahrhundert wandelte, geriet er in Vergessenheit.
In dieser ersten Schalcken-Retrospektive präsentiert das Kölner Wallraf-Richartz-Museum Werke, die das Spektrum von Genredarstellungen und Stillleben über Porträts bis hin zur Historienmalerei abdecken. Viele Gemälde waren zuvor öffentlich noch nicht zu sehen, andere stammen aus Museen und Privatsammlungen in aller Welt: Aus dem Amsterdamer Rijksmuseum, den Gemäldegalerien von Berlin, Kassel und Dresden, dem Mauritshuis in Den Haag oder den Uffizien in Florenz. Passend zu seinen Werken illuminiert PHILIPS zum ersten Mal in Deutschland mit der neuesten Generation von LED-Strahlern die Ausstellungsräume, womit die Schau zu den kulturellen Highlights im Internationalen Jahr des Lichts der UNESCO zählt. Trotzdem: Dass die Wände der Ausstellungsräume dunkel gestrichen und die Lichter stark gedimmt sind, mag bei einer längeren Verweildauer auch irritieren.
Marion Lisken-Pruss
Die Ausstellung „Schalcken – gemalte Verführung“ ist noch bis zum 24. Januar 2016 zu sehen.
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Carboud
Obenmarspforten (Am Kölner Rathaus)
50667 Köln
Tel. 0221 / 22121119
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr