rheinische ART
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rheinische ART 03/2011

Archiv 2011: aus "Kunst erleben"

Hyper Real - Ein geschärfter Blick auf das Amerika vor 40 Jahren


Jean Olivier Hucleux: Peter und Irene Ludwig, 1975-1976, Mischtechnik, MUMOK, Wien, © Jean Olivier Hucleux/ VBK Wien, 2011. Foto: MUMOK, Wien

 

 

 

Gnadenlos

 

realistisch

 

 

 
 

Zu seinem 20-jährigen Bestehen zeigt das Ludwig Forum Aachen eine bemerkenswert umfassende Ausstellung zum amerikanischen Hyperrealismus der 1960er und 1970er Jahre. 250 Exponate von 100 Künstlern lassen mit Motiven aus dem „American Way of Life“ diese Zeitspanne aufleben. In Deutschland wurde die us-amerikanische Hyperreal-Kunst in diesem Umfang, Kontext und in dieser Tiefe noch nie gezeigt.

 
 
WAS DER Besucher zu sehen bekommt, könnte ihn irritieren, oder wenigstens nachdenklich machen. Ist das jetzt Fotografie oder Malerei? Oder ist es fotorealistische Malerei? Zeigen diese Landschaftsbilder, Porträts oder Skulpturen das, was wirklich ist? Ist es in der Sprache der Kunstkenner noch realistische oder schon hyperrealistische Kunst, oder gar der Neu-Hyperrealismus?

   Die Grenzen, sie mögen fließend sein, und die Unterschiede sich dem ungeübten Auge nicht offenbaren. Was sich jedoch erschließt ist die ungeheure Wirkung einer Kunst, deren an die Wirklichkeit gebundener Darstellungsstil und die Detailgenauigkeit verblüffen, beeindrucken, ja nicht selten gar erschrecken und verwirren.

 

Facetten des Hyperrealismus

 

Don Eddy: Ohne Titel / (Volkswagen), 1971, Öl auf Leinwand, MUMOK, Wien, © Don Eddy. Foto: MUMOK, Wien

Mit dem Fotorealismus begann in den späten 60er Jahren in den USA eine Kunstform Raum zu greifen, bei der fotografierte Motive naturgetreu und ansprechend - fast schön - auf großformatige Leinwände übertragen wurden. Als Vorlagen dienten Papierbilder oder Diapositive: Schnappschüsse, amateurhafte Familienbilder, Zeitungsfotos, Katalog- oder Werbeabbildungen. Wichtige Vertreter waren in den Anfängen Chuck Close (*1940) und Richard Estes (*1932).
   Aus dieser subjektiven Wiedergabe entwickelte die Kunstszene die Disziplin des Hyperrealismus - auch Superrealismus oder Sharp Focus Realism genannt. Jetzt wurden die fotografischen Vorlagen nicht mehr allein schöner Bilder wegen übernommen. Die neue Stilrichtung, ob auf Leinwand oder figürlich in Wachs, Fiberglas und Polyesterharz, zeigte sich nicht nur „schön“, sondern provokativ – sie dokumentierte die Wirklichkeit kühl, kritisch, überspitzt realistisch und extrem lebensecht.

 

Motiv „Alltag“

 

Duane Hanson: Supermarket Shopper, 1970, Sammlung Ludwig Forum, Aachen, © Duane Hanson/ VBK Wien, 2010. Foto: Ludwig Forum Aachen/ Anne Gold

Ihre Motive fanden die Vertreter des Hyperrealismus in hohem Maße im Alltäglichen der Mittelschicht und ihrem „American Way of Life“: glitzernde Straßenkreuzer, spiegelnde Wohnwagen und Schaufenster, Straßenszenen, Automaten, Reklametafeln, alltägliche Konsumgüter. Die Präsentation in Aachen beleuchtet die künstlerische Reflexion der legendären amerikanischen Lebensart und stellt sie in einen Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Realität jener Jahre. Und so bilden denn auch Vietnamkrieg, Nixon-Ära, Rassenkonflikte, Konsumrausch und Hippie-Boom den Hintergrund.

 

Fantastisch oder alles fantasielos?

 

Die Unsicherheit der Betrachter ob der Realität des Gesehenen hat in einigen Kunstbesprechungen - wenigsten in Europa - diejenigen Kritiker bestärkt, die in dieser Kunstströmung lediglich geniale Kopierarbeiten oder fantasielosen Fotoabklatsch sahen. Im Amerika der 60er/70er Jahre konnte sich der Hyperrealismus fast folgerichtig aus den parallelen Kunstströmungen Pop Art, Land Art, Konzeptkunst und dem Vorläufer, dem betörenden und brillanten Fotorealismus, entwickeln.
   Die erste große öffentliche Präsentation der Foto- und Hyperrealisten fand auf der Kasseler documenta V im Jahre 1972 statt. Die schon zu jener Zeit in den USA sehr populäre Strömung sorgte für Aufsehen, wurde doch die realistische Umsetzung fotografischer Vorlagen zu einer künstlerischen Chronik zweier politisch wie gesellschaftlich wichtiger Jahrzehnte.
K2M

 

Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt mit dem MUMOK (Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig) in Wien, wo die Werke bereits ausgestellt worden sind, und dem Ludwig Múzeum (Kortárs Művészeti Múzeum) Budapest, der dritten Station nach Aachen

Forum-Direktorin Dr. Brigitte Franzen und Kuratorin Anna Sophia Schulz haben die Ausstellung mit Werken zahlreicher prominenter Künstler bestückt. Darunter
- Malerei/Grafik: Baselitz, Bechtle, Close, Estes, Gertsch, Goings, Johns, Klaphek, Lichtenstein, Polke, Richter, Warhol.
- Skulptur: Ahearn, Hanson, Koons, Longo, Morris, Segal
- Fotografie: Epstein, Shore, Wessel, Winogrand
- Konzeptkunst/ Nouveau Realisme: Christo, Demand, Graham, Ruff, Wall

 

 

Die Ausstellung Hyper Real – Kunst und Amerika um 1970 ist bis zum 19. Juni 2011 zu sehen.

Ludwig Forum für internationale Kunst
Jülicher Str. 97 – 109
52070 Aachen
Tel. 0241 / 1807 – 104
 

Öffnungszeiten
DI, MI, FR 12.00 – 18.00 Uhr
DO 12.00 – 20.00 Uhr
SA, SO 11.00 – 18.00 Uhr

 

 

 

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