rheinische ART
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rheinische ART 08/2024

CHRISTIAN SCHAD Selbstbildnis mit Modell, 1927 © Tate: Leihgabe einer Privatsammlung 1994 Foto: Benjamin Hasenclever, München © Christian-Schad-Stiftung Aschaffenburg/ Bildrecht, Wien 2024. Bildquelle © Leopold Museum Wien

 

NEUE SACHLICHKEIT
Roaring Twenties!


Oder eher Glanz und Elend der Zwanzigerjahre? In Wien präsentiert das Leopold Museum die Widersprüche des Jahrzehnts in Deutschland vor rund 100 Jahren.

 

Es ist die erste umfassende Ausstellung in Österreich zur Stilrichtung Neue Sachlichkeit in Deutschland. Sie zeigt den kühlen, neusachlichen Blick deutscher Künstler auf das Leben und den Alltag zwischen 1920 und 1930. Versammelt sind so gut wie alle Künstler jenes kreativen Zwischenkrieg-Jahrzehnts. Eine üppige Schau! 

 

AUSSTELLUNGSANSICHT "Ganz und Elend" Bildquelle © Leopold Museum, Wien, Foto: Lisa Rastl


Zur Erinnerung: Als Kunstform in der Malerei entstand die Neue Sachlichkeit als Reaktion auf den Expressionismus unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. In der Zeit der Weimarer Republik gehörte sie mit ihren separaten Stilrichtungen Verismus, Klassizismus und Magischer Realismus zu den prägenden Erscheinungen der Kunst im deutschsprachigen Raum.

     Eingang in die Kunstwelt erlangte der Begriff der Neuen Sachlichkeit erstmals 1925, anlässlich einer nachexpressionistischen Kunstausstellung in Mannheim durch den Kunsthistoriker Gustav Friedrich Hartlaub.

 

 

 

GEORGE GROSZ Grauer Tag, 1921 © Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, 1954 erworben durch das Land Berlin, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/ Andres Kilger © Estate of George Grosz, Princeton, N.J./Bildrecht, Wien 2024. Bildquelle © Leopold Museum Wien

ANTON RÄDERSCHEIDT, Selbstporträt in Industrielandschaft, 1923 © Privatsammlung, Foto: Benjamin Hasenclever, München © Bildrecht, Wien 2024. Bildquelle © Leopold Museum Wien

 

Resignation, Anklage und unbeschreibliches Elend auf der einen – so heißt es in Wien –, Hoffnung, Sehnsüchte und aufkommende Lebenslust der sogenannten „Goldenen Zwanzigerjahre“ auf der anderen Seite, sollten dieses Epochenphänomen auf eine neue Weise beschreiben: unsentimental, nüchtern, konkret und puristisch. Kurz: auf eine sachlich realistische Art.

     Das war nicht verwunderlich! Denn nach den physischen und psychischen Zurichtungen und abgründigen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, in dem mehr als neun Millionen Menschen den Tod fanden und der über zwanzig Millionen Verwundete hinterließ, verlangte die Kunst regelrecht nach einer neuen Darstellung der Wirklichkeit.

     Im neuen Stil der Sachlichkeit bannten unter anderen Max Beckmann, der Maler Heinrich Maria Davringhausen aus Aachen und sein Kollege, der Kölner Anton Räderscheidt, Otto Dix, George Grosz, Karl Hubbuch, Grethe Jürgens, Lotte Laserstein, Christian Schad wie auch Rudolf Schlichter den Zeitgeist auf Leinwand und Papier.

 

OTTO GRIEBEL Der Schiffsheizer, 1920 © Privatsammlung, Foto: Christian Wirth, München © Matthias Griebel, Dresden. Bildquelle © Leopold Museum Wien

 

Emil ORLIK Porträt Nelly Neppach, 1925 © Leopold Museum, Wien, Foto: Leopold Museum, Wien. Bildquelle © Leopold Museum Wien

 

Sie waren imstande, die soziale Wirklichkeit auf pluralistische Weise in realistischen Tendenzen zu beschreiben. Bildthemen fanden sie nicht nur in den katastrophalen Folgen des Ersten Weltkrieges, sondern auch in der zeitgleich florierenden Vergnügungsindustrie, den neuen Lebensentwürfen von selbstbestimmten und selbstbewussten Frauen oder dem Eindringen der Technik und des Fortschritts in die Lebenswelt wie in die Natur.


Ein jähes Ende fand die Neue Sachlichkeit 1933 mit der aufkommenden nationalsozialistischen Kunst- und Kulturpolitik.

     Politisch verdächtige Künstler mussten Razzien in ihren Wohnungen und Ateliers über sich ergehen lassen, Professoren wurden entlassen, Ausschlüsse aus Künstlervereinigungen folgten ebenso wie Ausstellungsverbote.

     Manche flüchteten ins Ausland (mehr), andere zogen sich in die innere Emigration zurück (mehr), wieder andere passten sich an oder wurden zu Mitläufern des Systems.

     Einige Mutige fanden Formen des künstlerischen Widerstandes und schufen regimekritische Werke so etwa Hans Grundig oder Wilhelm Lachnit, was um 1933 bereits mit Haftaufenthalt oder Polizeiaufsicht geahndet wurde. Ab 1940, wie im Falle des Dresdner Kommunisten Hans Grundig, mit Deportation ins Konzentrationslager.
rART/K2M


1925 war der Künstler Anton Räderscheidt als einziger Kölner an der Ausstellung in der Mannheimer Kunsthalle „Neue Sachlichkeit – Deutsche Malerei nach dem Expressionismus“ beteiligt. Außerdem nahm er an der Wanderausstellung „Das Junge Rheinland teil (mehr), die von Düsseldorf bis Berlin führte und in Zeitschriften wie „Das Kunstblatt“ und „Der Cicerone“ erwähnt wurde.


► Diese umfassende Ausstellung zur deutschen Neuen Sachlichkeit schließt an die beiden im Leopold Museum präsentierten Ausstellungen "Menschheitsdämmerung" (2021) und "Hagenbund. Von der gemäßigten zur radikalen Moderne" (2022) an, die einen Fokus auf neusachliche und andere Strömungen in der österreichischen Kunst der Zwischenkriegszeit legten.


Die Ausstellung Glanz und Elend. Neue Sachlichkeit in Deutschland wird bis zum 29. September 2024 gezeigt.
Leopold Museum
Museums Quartier
Museumsplatz 1,
1070 Wien
Tel +43 1 525 70 1555
Öffnungszeiten
MO – SO 10 – 18 Uhr

 

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