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rheinische ART 10/2017

Archiv 2017

FERDINAND HODLER
„Warum werden Sie nicht Maler?“


Es sei ein gesunder Beruf, befand der Schweizer Künstler, denn man sei „viel an der frischen Luft“. Mit seinen Bildern von Bergseen, Bergmassiven, Bergwäldern, Blumenwiesen, Bächen und entrückt blickenden Schönheiten verdiente er außerdem gutes Geld. Der berühmte Maler des Alpenlandes musste nie darben.

 

Ferdinand Hodler Der Grammont, 1905, Öl auf Leinwand, Privatbesitz Dr. Christoph Blocher © SIK-ISEA, Zürich (Philipp Hitz)

 

Der Mann, in bescheidenem Milieu Berns aufgewachsen, war gelernter Vedutenmaler und akademischer Porträtist. Touristen waren beständige Abnehmer seiner Postkarten-Idyllen und die Nachbarn im Norden und Osten des Landes, namentlich in Berlin, München und Wien, ebenfalls.

 

Ferdinand Hodler Bildnis Luisa Lardet, 1878, Öl auf Leinwand © Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Winterthur Foto: SIK-ISEA, Zürich

 

Ferdinand Hodler Das Jungfraumassiv von Mürren aus, 1911, Öl auf Leinwand © Museum Oskar Reinhart Foto: SIK-ISEA, Zürich (Philipp Hitz)

 

Das hatte der Maler Ferdinand Hodler (1853 - 1918) früh erkannt. Gut vernetzt machte er ein glänzendes Geschäft daraus und erfand gleich einen neuen Malertypus: den „omnipräsenten Ausstellungskünstler“ (Matthias Fischer). Im Laufe seiner Karriere brachte er es auf über 200 Expositionen und eine „Produktion“ von rund 2000 Gemälden. Die heute gefeierten abstrakten Werke, die ihn zu einem Vorläufer der Moderne machten, stammen aus seiner Spätphase.

     Aber schon mit 21 Jahren hat er vermutlich das gesehen, was ihn später groß machte: „Der Maler muss die Natur als Fläche sehen“, postulierte er in etwas eitler Manier in seinen „Zehn Geboten des Malers Ferdinand Hodler“.

     Seine frühen konventionellen Landschaftspanoramen wurden zum Ende hin, als er nur noch aus dem Hotelzimmer in Genf die Berge sehen konnte, zu einer radikal farbflächigen Schichtstufenlandschaft, die alles Narrative verloren hatte.

     Die Landschaften sind die Essenz seines Schaffens, oft leuchtend, glänzend, mit und ohne Wolkenschleier, fast traumhaft, unwirklich. Wer bislang die optische Verblauung in der Kunst nicht kannte, findet sie hier im Übermaß: in Gemälden wie „Grammont“ (1905), in Variationen zum „Thunersee“, „Genfersee“ oder bei „Eiger, Mönch und Jungfrau über dem Nebelmeer“ (1908). Schließlich, so formulierte er es einmal selbst, sei ihm Blau die liebste Farbe (mehr).

 

Ferdinand Hodler Der Tag, um 1901 (vor 1910 überarbeitet), Öl auf Leinwand © Kunstmuseum Luzern, Depositum der Bernhard Eglin-Stiftung Foto: Andri Stalder, Luzern

 

Mit 34 Jahren hatte Hodler seine ersten großen Einzelschauen auch im Kunstmuseum seiner Heimatstadt. Das war 1887 und die Folgejahre brachten ihm den internationalen Durchbruch. Hodler präsentierte auf dem Pariser Salon und stellte auch auf der Weltausstellung 1900 in Paris aus.

     Dort prämierten die Juroren seine Werke „Die Nacht“, „Eurhythmie“ und „Der Tag“ mit einer Goldmedaille. 1904 zeigte ihn die Wiener Secession und pries ihn als einen der größten lebenden Künstler des Kontinents. Hodler war schlichtweg berühmt, ein Schweizer Markenzeichen im Ausland, das stilistisch gerne in Verbindung mit van Gogh und Edvard Munch gebracht wurde. Dies entschädigte ihn für die mangelnde Wertschätzung im eigenen Land.


Denn zu Hause, bei seinen Eidgenossen, lief es nicht so recht. Schon 1891 schrieb er in einem Brief: „Die Deutschschweizer wollen mich nicht verstehen bis sie sehen, dass ich anderswo verstanden bin…“ und hängte noch den Spruch an „Helfe dir selbst und es wird dir geholfen“. Außer Landes sah er sich als gefragten Künstler, dessen zwar hart an der Grenze zum Kitsch rangierenden Landschaftskompositionen wie auch die markant umrandeten symbolistischen Figuren längst für Furore sorgten und dessen Monumentalgemälde als Inbegriff der Moderne galten. Der so geschäftssinnige Meister haderte deshalb: „Ich werde nicht in der Schweiz bleiben, es wäre nutzlos, meinen Weg im eigenen Land zu machen.“ Er tat es dann doch.

 

 

Ferdinand Hodler Selbstbildnis, 1912, Öl auf Leinwand © Kunstmuseum Winterthur Foto: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft Zürich, Jean-Pierre Kuhn

 

Ferdinand Hodler Das Kiental mit Blümlisalp, 1902, Öl auf Leinwand © Kunstmuseum St. Gallen, Depositum der Gottfried Keller-Stiftung, Bundesamt für Kultur, Bern Foto: Sebastian Stadler

 

Ferdinand Hodler war zuletzt etwas ins Abseits geraten. In München und Wuppertal gab es vor fast zwei Jahrzehnten große Hodler-Schauen und 2003 zum 150. Geburtstag eine Ausstellung im Hamburger Barlach Haus. Sein Spätwerk zeigte die Fondation Beyeler in Riehen im Frühjahr 2013.

     Jetzt hat sich die Bonner Bundeskunsthalle des berühmten Künstlers des Symbolismus und des Jugendstils angenommen und ehrt ihn mit einer großen und sehenswerten monografischen Ausstellung, die alle wichtigen Etappen seiner Entwicklung spiegelt.

     „Ferdinand Hodler. Maler der frühen Moderne“ titelt die Präsentation. Sie ist mit 100 teils großformatigen Gemälden sowie rund 40 Zeichnungen mächtig aufgeladen, durch gelungene Gruppenhängungen jedoch klar gegliedert und wunderbar erlebbar. Zu sehen sind Arbeiten des „Schweizer Nationalmalers“, die lange nicht mehr oder noch nie in Deutschland präsentiert wurden. Das macht die Schau besonders reizvoll.

     „Abwechselnd gefeiert und verfemt, geächtet und vereinnahmt in Deutschland hat (…) Ferdinand Hodler hierzulande eine erstaunliche Karriere hingelegt“, so Rein Wolfs, Intendant der Bundeskunsthalle. „Sein künstlerischer Weg in die Moderne wurde von politischen Diskursen flankiert, in denen er eine ebenso klare Haltung zeigte wie in seiner Kunst. In der Ausstellung stehen sowohl seine erstaunliche künstlerische Entwicklung wie auch der zeitgeschichtlich brisante ‚Fall Hodler‘ zentral.“

 

Ferdinand Hodler Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitskrieg von 1813, 1908/1909 Öl auf Leinwand © Friedrich-Schiller-Universität Jena

 

Ferdinand Hodler Der Holzfäller, 1910, Öl auf Leinwand © Kunstmuseum Bern

 

Ferdinand Hodler Einmütigkeit, Redner 1913, Öl auf Leinwand, Privatbesitz Dr. Christoph Blocher © SIK-ISEA, Zürich

 

Dieser „Fall Hodler“ war ein Kunstskandal und liegt 100 Jahre zurück. Er traf den furiosen Künstler, als er in Deutschland gerade im Zenit seines Schaffens stand. Für Kunstkritiker galten seine auf Vereinfachung und Reduktion angelegten Figuren und Landschaften, wie „Der Holzfäller“ und „Der Mäher“, als Meisterwerke. Der Kunstpädagoge Alfred Lichtwark war fasziniert und bedauerte: „Ach hätten wir ihn in Hamburg.“

     Höhepunkt der Wertschätzung: Hodler erhielt Aufträge für zwei Wandbilder, eines 1907 für die Friedrich-Schiller-Universität in Jena (Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitskrieg von 1813) und eines 1911 für den Ratssaal des Neuen Rathauses in Hannover (Einmütigkeit). Bis dahin waren 18 Werke von ihm in Kollektionen deutscher Museen eingegangen.

     Dann der Eklat: Hodler unterzeichnete im September 1914, im ersten Weltkriegsjahr, mit anderen Intellektuellen den sogenannten „Genfer Protest“. Ein politisches Bekenntnis, das sich gegen die Beschießung der Kathedrale von Reims durch deutsche Artillerie wandte und den Kriegsakt als deutsche Barbarei brandmarkte.

     In der Schweiz fand die Aktion viel Beifall, nicht jedoch im politischen und kulturellen Berlin. Dort löste sein Protest Empörung und Unverständnis aus, Hodler wurde zur „persona non grata“ erklärt. Das Wandbild in Jena musste mit Brettern vernagelt, seine Gemälde in den Museen landesweit abgehängt werden. Künstlervereinigungen schlossen ihn aus, so etwa die Berliner und Münchener Secession.

     Prominenten Zeitgenossen war das alles nicht genug. Der Jenaer Philosoph und Literatur-Nobelpreisträger Rudolf Eucken, der den „Auszug“ selbst bei Hodler in Auftrag gegeben hatte, forderte die sofortige Entfernung aus dem Gebäude. Der namhafte 80-jährige Mediziner Ernst Haeckel warf Hodler vor, durch seine „gehässige und verleumderische Erklärung“ die Ehre der Deutschen zutiefst verletzt zu haben und forderte den Verkauf des Werkes.

     Hodler verlor daraufhin die Unterstützung vieler deutscher Sammler und Galeristen. Doch bereits 1918, nach Kriegsende, verzeichnete der Berliner Kunsthändler Paul Cassirer ein erneut aufkommendes Interesse an dem Schweizer Maler. Im Herbst des Jahres rissen schließlich Jenaer Studenten die „Verbretterung“ am Wandbild ab. Was Hodler allerdings nicht mehr erlebte, er starb im Mai 1918 in Genf.

     In Bonn ist das fast 20 Quadratmeter große geschichts- und skandalträchtige Monumentalbild als eines der Highlights in der Schau zu sehen. Ein, wie das Haus erklärt, einmaliges Ereignis, da das Ölgemälde sonst nur eingeschränkt in der Aula der Jenaer Universität zugänglich ist.


Parallelismus Wie kaum einem anderen Maler der Moderne gelang es Hodler, den dominierenden impressionistischen Stil durch eine eigenständige Bild- und Formensprache zu überwinden und innerhalb des Symbolismus eine unverwechselbare malerische und kompositorische Ausdrucksform zu entwickeln. Seine symbolistischen weiblichen Figuren und die kraftvollen männlichen Modelle wurden in der deutschen Presse bis zum Eklat euphorisch gefeiert und ihr Schöpfer quasi „eingedeutscht“.

     Hodlers Erfolge führten Kunstkenner auf die ausgeprägte Formensprache zurück. Seine Gestaltungsmittel zeichneten sich nämlich durch kontrastierende Flächen und klare Konturen aus. Auch ordnete er seine Figurengruppen nach ornamentalen Prinzipien, wie Symmetrie und Wiederholung, und bezeichnete dies als Parallelismus. Die Wiederholung von Formen, Farben und Bewegungen begründete Hodler mit seiner Präferenz für eine klare Struktur der Darstellung. Auch sollte mit dem Parallelismus die Wirkung eines Motivs oder eines Themas gesteigert werden.


Als einzigartig in der Kunstgeschichte gilt Ferdinand Hodlers jahrlange zeichnerische Dokumentation des Todes seiner Lebenspartnerin Valentine Godé-Darel. Die Mutter seiner Tochter starb 1915 mit 42 Jahren an Krebs. Hodler hatte den körperlichen Verfall zeichnend und malend über drei Jahre in einem Bilderzyklus festgehalten.

Claus Peter Woitschützke


Die Ausstellung „Ferdinand Hodler. Maler der frühen Moderne“ wird bis zum 28. Januar 2018 gezeigt.
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Museumsmeile Bonn
Friedrich-Ebert-Allee 4
53113 Bonn
Tel 0228 / 9171-200
Öffnungszeiten
DI, MI 10 – 21 Uhr
DO – SO und feiertags 10 – 19 Uhr


Literaturhinweis: Matthias Fischer, Der junge Hodler. Eine Künstlerkarriere 1872-1897. Nimbus Verlag, Wädenswill 2009. 408 Seiten. ISBN 978 3907 142301.

 

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