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rheinische ART 05/2022

Archiv 2022

FOTOGRAFIE
Bilder aus dem alten Japan

 

Es sind Lichtbild-Raritäten der Sonderklasse. Denn handkolorierte Fotografien aus dem 19. Jahrhundert mit Motiven aus Japan, geschaffen von dem professionellen Kriegs- und Genrefotografen Felice Beato, sind nicht oft zu sehen.

 

Felice Beato Ansicht des Fuji von Yokohama aus, 1867 Albuminpapier, koloriert 19,5 x 24,4 cm, Museum Ludwig, Köln, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln

 

Eine Ausstellung im Museum Ludwig widmet sich diesem hochspeziellen Fotothema. 1863 reiste der italienisch-britische Fotograf Felice Beato (1832–1909) nach Japan. Der lange abgeschottete Inselstaat, der begann, sich dem Westen zu öffnen, befand sich in einem gewaltigen gesellschaftlichen Umbruch, bei dem das traditionelle Feudalsystem der Edo-Zeit (1603–1868) von der kaiserlichen Meiji-Ära (1868–1912) abgelöst wurde. Dies erschwerte Ausländern den Landeszugang und die Freizügigkeit bei Reisen beträchtlich.

 

Felice Beato Sänftenträger, um 1868 Albuminpapier, koloriert 30,5 x 40,4 cm Museum Ludwig, Köln, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln


Der 31-jährige Kameramann ließ sich davon nicht behindern. Zu diesem Zeitpunkt hatte er, dessen Biografie Lücken aufweist, bereits eine abenteuerliche und schillernde Lebenszeit hinter sich. Beato war Gründer von Unternehmen und Fotoateliers in diversen Ländern, eines etwa in Istanbul.

     Seine Kompagnons waren Künstler oder Geschäftsleute, teilweise arbeitete er mit seinem Bruder Antonio, ebenfalls ein Fotograf, als F. Beato & Co. zusammen. Das hatte zur Folge, dass bis heute die Zuschreibung von Bilddokumenten zu je einem der beiden Urheber schwierig bleibt.

 

Portrait Felice Beato um 1866; unbekannter Fotograf, möglicherweise Selbstportrait; Albumin Silberabzug; Bildquelle Old Japan Picture Library, Terry Bennett, Wikimedia Commons gemeinfrei

 

Als Fotojournalist und nachweislich erster professioneller Kriegsfotograf nahm Felice Beato am ersten „modernen“ Krimkrieg von 1853 teil.

     Er dokumentierte ferner die Indianerunruhen von 1857, bis 1860 den Zweiten Opiumkrieg in China, Konflikte in Nordindien Mitte des Jahrhunderts, den Shimonoseki-Feldzug in Japan sowie die US-amerikanische Sinmiyangyo-Marineexpedition 1871 in Korea.

     Insbesondere Beatos datierte Fotografien des Zweiten Opiumkrieges gelten als historisch einzigartig, da sie erstmals die Abfolge eines sich entfaltenden Feldzug dokumentieren.

 

Felice Beato Mädchen spielt die Schamisen, aus dem Album: Views of Japan, um 1868 / Abzug um 1870 Albuminpapier, koloriert 34 x 45,5 cm Museum Ludwig, Köln, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln

 

Trotz der schwierigen Bedingungen betrieb Beato 21 Jahre lang, bis 1884, in Yokohama ein Fotoatelier, in dem er ausschließlich Bilder eines alten Japans verkaufte. Eine Auswahl ist im Museum Ludwig ausgestellt.

     Seine Genreaufnahmen und Landschaften – darunter auch ungewöhnliche Panoramafotografien aus der späten Edo-Zeit – erschienen in großen Auflagen und verkauften sich weltweit.

     Käufer waren vor allem Handelsleute, Missionare, Diplomaten, Militärs und Japan-Reisende. Als Einzelaufnahmen oder auf individuellen Wunsch zu Alben gebunden und mit erklärenden Texten versehen, konnten die auf Karton aufgezogenen und von Hand kolorierten Albuminabzüge direkt im Atelier erworben werden. Beato und sein Gewerbe waren populär und bis 1868 hatte er zwei Fotobände herausgebracht: „Native Types“ mit 100 Portraits und Genrearbeiten und „Views of Japan“ mit 98 Landschafts- und Stadtansichten.

 

Felice Beato Tänzerinnen, um 1870 Albuminpapier, koloriert 19,7 x 25,3 cm Museum Ludwig, Köln, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln


1872 beschäftigte der Italo-Brite zwei Assistenten, vier Fotografen und vier Koloristen. Trotz einer solch kommerzialisierten Bilderproduktion handelt es sich bei jeder Fotografie um ein Unikat. Und die Souvenirfotografie in Yokohama – auch bekannt unter dem Namen Yokohama Shashin („Yokohama-Fotografie“ oder Schule von Yokohama) – wurde für eben diese Kolorierungen berühmt.

     Beatos Blick auf Japan ist allerdings ein westlicher und exotisierender. Bis heute haben derartige Zeitzeugnisse die Wahrnehmung des Inselstaates geprägt, wie das ausstellende Haus erklärt. Zu sehen sind Menschen bei unterschiedlichen Handlungen in arrangierten Kulissen eines Fotoateliers, seltener sind Außenaufnahmen. Felice Beato arbeitete meist mit Modellen, die mit kulturell tradierten Requisiten ausstaffiert wurden, um etwa Tänzerinnen oder Musikerinnen darzustellen.

 

Unbekannter Künstler Westlicher Fotograf in Japan, 1870er Jahre Farbholzschnitt 36 x 25 cm, Museum Ludwig, Köln Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln

 

Unerwartet Dem gegenüber präsentiert die Schau Holzschnitte von japanischen Künstlern des 19. Jahrhunderts, die westliche und frühe japanische Fotografen in teils humorvollen und karikierten Szenen zeigen.

     Durch vorab aufgezeichnete gesprochene Kommentare von Japanern – eine Methode, die im Filmgewerbe Voiceovers genannt wird – kann der Besucher vor den Exponaten eine akustische Überlagerung nutzen, die ein gemeinsames Herantasten und Hinterfragen erlaubt.

 

Es ist unzweifelhaft, dass Felice Beato Pionierarbeit beim fotografischen Färben von Hand leistete, indem er Aquarelle oder Holzschnitte auf Drucke auftrug, eine Kunst, die er in Japan erlernte. Der größte Teil seiner Produktion wurde mit der feinen, komplizierten Technik des Albumindrucks von Glasplatten mit nassem Kollodium hergestellt (mehr).

 

Nachhaltiges Wirken Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts dienten Beatos Lichtbilder von Asien als Standardfotografien für Reportagen, Reisetagebücher, Zeitungen und Illustrierte. Seine Fotos trugen mit dazu bei, dass „westliche“ Vorstellungen über einige asiatische Gesellschaften nachhaltig geprägt wurden.
cpw

 

Alle gezeigten Fotografien und Lackalben stammen aus der Sammlung des Fotojournalisten Robert Lebeck, der 1961 für die Reportage „Japan – I see!“ im Magazin Kristall erstmals selbst nach Japan gereist war, um dort unter anderem das erste Atomkraftwerk zu fotografieren. Seine Fotografische Sammlung wurde 1993 an das Museum Ludwig übergeben.

 

Die Ausstellung Voiceover – Felice Beato in Japan endet am 16. Juni 2022.
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz
50667 Köln
Tel 0221-221 26165
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr
Jeden 1. Donnerstag im Monat 10 – 22 Uhr

 

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