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rheinische ART 06/2024

BAUKULTUR

Mehr Farbe wagen!

 

Das wird schon seit über 100 Jahren gefordert. Der große Bruno Taut, avantgardistischer Architekt und Stadtplaner, verwies bereits 1919 auf den Reiz und die Notwendigkeit farbiger Fassaden. Baukultur NRW zeigt, wie es gehen könnte!

 

Farbige Häuserzeilen an der Otto-Richter-Straße in Magdeburg. Im Jahr 1919 verfasste der Architekt Bruno Taut einen viel beachteten öffentlichen „Aufruf zum farbigen Bauen“. Foto © Magdeburger Platte. Bildquelle © Baukultur NRW 2024

 

„Wir wollen keine farblosen Häuser mehr bauen und erbaut sehen.“ So radikal formulierte Taut, der Bauhäusler und Intellektuelle aus der einst schönen Ostseestadt Königsberg, damals seine Visionen.

      Als er dann zwei Jahre später in das einflussreiche Amt eines Stadtbaurats in der eher grauen als farbigen Elbestadt Magdeburg berufen wurde, machte er Nägel mit Köpfen. Oder treffender: Farben auf Fassaden! Es ist überliefert, dass es den Bürgern und Bauexperten der Kommune ob der Farbigkeit den Atem verschlagen haben soll.

 

Schluss mit Grau: Die farbigen Gegenentwürfe seines Projekts „colourful makeover of architecture“ versteht der Fotograf Paul Eis nicht als Vorschläge, sondern als Mutmacher für einen inspirierenden Farbeinsatz. In der Ausstellung widmet er sich Gebäuden in NRW. Foto © Paul Eis, Bildquelle © Baukultur NRW 2024

 

Bruno Taut (mehr)  war längst nicht der Einzige, der sich für mehr Colorit an Wänden, Säulen, Erkern oder Dächern stark machte.

     Der „Weltbaumeister“ Le Corbusier entwarf ab 1931 gleich ein ganzes System von Farben für Innen und Außen. Seine 63 Architekturfarben sind als Polychromie Architecturale (mehr) ein Klassiker im Baugewerbe.

     Es ist ja wahr: Kaum etwas wird so leidenschaftlich und kontrovers diskutiert wie der Einsatz von Farbe und ist zugleich so wirkungsvoll. Daran erinnert derzeit eine Ausstellung des Museums der Baukultur NRW in Düsseldorf-Oberkassel.

 

Köln Ehrenfeld Quartier Grüner Weg: Farbe und Architektur können auf unterschiedliche Weisen in Beziehung treten. Eine dieser Farbstrategien bezeichnen die Farbforscher vom „Haus der Farbe“ (Zürich) als „Second Layer“ (zweite Schicht). Hier legt sich Farbe spielerisch über die Architektur, sie verschiebt Proportionen und Maßstäbe, lässt Baustrukturen verschwimmen und suggeriert Bauteile und Volumen, die so nicht existieren. Foto © Ralf Berndt, Bildquelle © Baukultur NRW 2024

 

Die als Laborausstellung deklarierte Schau trägt den Titel 380-780 nm. Farbe in Architektur und Stadt. Sie macht darauf aufmerksam, „dass sich die Zugänge zu Farbigkeit und Farbgestaltung in unseren Lebensräumen wandeln.“ Die Initiatoren weisen ferner darauf hin, dass künftig – wenn es nicht eh schon im Gange ist – der Umgang mit den Baubeständen, der Stadtumbau, der Einsatz neuer Materialien und auch das Thema Recyling in der Architektur vom Einsatz der Farbe neu ausgerichtet werden wird.

     Farben, das ist unzweifelhaft, stehen im Zentrum der menschlichen Wahrnehmung. Farbe „trifft und betrifft“ jeden. Die Ausstellung regt an, sich bewusst mit Wirkung und Funktion von Farben auseinanderzusetzen. Es gehe, wie Baukultur NRW betont, um „richtige“ und „gute“ Gestaltung, um „falsche“ Farben, Wahrnehmungsphänomene und Sehgewohnheiten, Konflikte mit Farben, aber auch um virtuelle Realitäten sowie künstlerische Positionen.

 

Kapstadt BoKaap Der Stadtteil in der südafrikanischen Metropole war ein armes und unscheinbares Viertel. Die Bewohner wagten einen Anstrich ihrer Häuser und setzten ungewollt einen unseligen Prozess in Gang. BoKaap ist zu einem Touristenmagneten geworden, die Immobilienpreise sind um das Hundertfache gestiegen. Und die Grundsteuer parallel dazu ebenfalls. Foto © SkyPixels, CC BY-SA 4.0 Deed, Bildquelle © Baukultur NRW 2024

 

Wer mit dem teils technisch oder physikalisch umschriebenen Ausstellungstitel, dem Vorspann 380-780 nm, sogleich nichts anfangen kann: Es handelt sich um 380 bis 780 Nanometer.

     Nur diesen Bereich der elektromagnetischen Strahlung, so geht die hilfreiche Beschreibung der Kuratoren, nimmt das menschliche Auge als Licht wahr. Sind in diesem Spektrum einzelne Wellenlängen stärker vertreten als andere, sieht der Mensch Farben.

     Und die, so weiß man wohl, können Wohlgefühl wie auch Abneigung erzeugen, prägen Erinnerungen und lassen Räume positiv oder negativ erleben. „Ihr zufälliger oder bewusster Einsatz bestimmt die Wirkung unserer Lebensräume. Farben sind zentrales Element unserer gestalteten Umwelt – unserer Baukultur.“ Eine bemerkenswerte Schau in Düsseldorf zu einem hochaktuellen Thema.
Claus P. Woitschützke


Die Laborausstellung 380–780 nm. Farbe in Architektur und Stadt kann bis zum 28. Juni 2024 besucht werden
Museum der Baukultur NRW
Ausstellung in den Räumen des ehemaligen ZF Areals
Friedrichshafen AG

Hansaallee 190
40547 Düsseldorf
Öffnungszeiten
DI – FR 15 – 20 Uhr
SA, SO 10 – 18 Uhr

 

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