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rheinische ART 08/2022

Archiv 2022

GEDENKEN
Matarés Engel für Hiroshima


Am 6. August 1945 warf ein amerikanischer Bomber über Hiroshima die erste Atombombe der Geschichte ab. Bis zum Winter des Jahres forderte der Kernwaffeneinsatz bis zu 150.000 Todesopfer.

 

Fotografie zu einem apokalyptischen Tag, der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima um 8.15 Uhr. Fotoquelle © HIROSHIMA PEACE MEMORIAL MUSEUM

  

Jährlich wird in ganz Japan und in vielen Teilen der Welt der Hiroshima-Opfer gedacht. Ein Symbol für die Erinnerung an das Grauen ist die Weltfriedenskirche in Hiroshima. Die Kathedrale erhielt das Patrozinium „Aufnahme Mariens in den Himmel‘“ und wurde von dem japanischen Architekten Murano Togo entworfen.

 

Weltfriedenskirche in Hiroshima (World Peace Memorial Cathedral). Architekt: Murano Togo. Foto © Shimz.co.jp


Die Gedächtniskirche bildet mit dem Gebäude des Friedensmuseums und einem Gedenkpark in der Stadt ein Erinnerungs-Ensemble. Insbesondere die Kathedrale wird weltweit als Symbol für den Gedanken einer Solidarität der Menschheit gesehen und steht für das Engagement gegen Kriege und für Frieden.
 

Ewald Mataré Entwurf Engel für Hiroshima Tür. 1953-1954. Fotoquelle © Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Schenkung Guido de Werd 2021 aus dem Nachlass Sonja Mataré (1926-2020). Foto © VG Bild-Kunst Bonn

 

Ewald Mataré Entwurf geflügeltes Tier für Hiroshima, 1953-1954. Fotoquelle © Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Schenkung Guido de Werd 2021 aus dem Nachlass Sonja Mataré (1926-2020). Foto © VG Bild-Kunst Bonn

 

Überaus interessant ist die Tatsache, dass zahlreiche Elemente dieses christlichen Gotteshauses in Japan, das 1954 eingeweiht worden war, von im Rheinland ansässigen engagierten Spendern stammen. Sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch mehrere rheinisch-westfälische Städte schenkten der Weltfriedenskirche Kunstwerke oder Gebrauchs- und Einrichtungsobjekte.
 
So wurde das Bronze-Portal von Ewald Mataré (mehr) entworfen und ging als eine Schenkung der Stadt Düsseldorf nach Hiroshima. Die Stadt Münster stiftete einen Kreuzweg.
     Das Altarbild „Die Wiederkunft Christi“ von Karl Knappe schenkte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und bis heute hörbar sind die vier Turmglocken, eine Gabe der Bochumer Gießerei „Bochumer Verein“. Die Stadt Bonn übergab für den Hauptaltar den Tabernakel und aus Aachen wurde der Taufbrunnen gesandt.
 
Die Klais-Orgel, auf der der Pianist Wilhelm Kempff (1895–1991) 1957 das berühmte Orgelkonzert in der Friedenskirche spielte, stammt als Schenkung von der Stadt Köln. Das Land Nordrhein-Westfalen schließlich übernahm die Baukosten für die Gitter am Eingang und im Altarraum.
     Übrigens: Einige der Entwürfe, die Ewald Mataré 1953 und 1954 für die Gestaltung des Bronze-Portals der Kathedrale skizzierte, befinden sich heute in der Mataré-Sammlung im Mueum Kurhaus Kleve (mehr).

 

Mit der Entwicklung des Erinnerungs-Ensemble, einschließlich des Friedensmuseums (Hiroshima Peace Memorial Museum) und des Gedenkparks, wurde der japanische Architekt Kenzo Tange, damals einer der führenden Architekten des "neuen Bauens" in Japan, beauftragt. Sowohl die Kathedrale von Murano Togo als auch das Friedensmuseum sind in ihrem unbestreitbar modernen Stil Ausdruck der kargen Stahlbeton-Architektur der Nachkriegszeit. Der Einfluss des französischen Architekten, Malers und Designers Le Corbusier (mehr) auf diesen neuen Baustil Japans ist offensichtlich.

 

Der Jesuit Hugo Lassalle. Durch Glassplitter im Rücken und am linken Bein schwer verletzt, entkam er dem Feuer zum Flussufer. Foto © Hiroshima Peace Memorial Museum. 20. September 1965. Courtesy of The Chugoku Shimbun

 

Der Bau der Friedenskirche geht allerdings auf den aus Münster stammenden deutsch-japanischen Jesuitenpater und Zen-Meister Hugo Enomiya Lassalle (1898–1990) zurück, ein Überlebender der Atombombe. Neben Lassalle überlebten drei weitere deutsche Priester die Katastrophe in der katholischen Kirche Nobori-cho, rund 1200 Meter vom Hypozentrum entfernt.

     Pater Lassalle wurde nach dem Krieg in Japan eingebürgert und widmete sich dem Bau der Friedenskathedrale. Er sah in ihr einen Ort, um die Opfer zu betrauern und für eine friedliche Welt zu beten. Der unter den Atomfolgen leidende Kirchenmann legte Papst Pius XII. die Baupläne vor, reiste um die Welt und warb um Spenden und Unterstützung.
cpw

 

Zum Gedenken

an die Toten von Hiroshima.
Orgelkonzert von Wilhelm Kempff 1956 in der Weltfriedenskirche auf YouTube hier

 

Literaturhinweis
John Hersey Hiroshima. Englisch. Bestseller aus dem Jahr 1946. Deutsch: John Hersey Hiroshima. 6. August 1945 - 8 Uhr 15. Mit einem Vorwort von Robert Jungk. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2005. 187 Seiten. Der Autor hatte ein Jahr nach der Atombombe Überlebende ausfindig gemacht, und ihr Erleben des Abwurfs und der unmittelbaren Zeit danach festgehalten. Obwohl der Text 76 Jahre alt ist, ist er packend, eindringlich und erschütternd. Die Publikation gilt als eine der herausragendsten journalistischen Leistungen des 20. Jahrhunderts.