Archiv 2023
MACKE-HAUS
Künstler der verlorenen Generation
Es gibt zahlreiche Kreative, die durch das NS-Regime in ihrer künstlerischen Arbeit massiv eingeschränkt und in die Kategorie „entartet“ eingestuft wurden. Viele ihrer Werke sind verschollen und ihre Schöpfer daher einem breiten Publikum kaum bekannt. Zu diesen zählt auch der Maler E.A. Weber. Eine Wiederentdeckung im August Macke Haus.
E.A.Weber Heimkehr, 1925, Öl auf Leinwand, Triptychon, Mittelteil 80,2 x 108,2 cm, linker Flügel 79,8 x 67,2 cm, rechter Flügel 80,3 x 67,7 cm, Evarist Adam Weber Archiv, Bildquelle © Museum August Macke Haus |
Hin und wieder gelingt es, den einen oder anderen Künstler aus der Vergessenheit zu reißen und wieder ins Licht öffentlichen Interesses zu hieven. Derzeit zeigt das Bonner Macke Haus den gebürtigen Aachener Maler Evarist Adam Weber (1887–1968).
Hugo Erfurth Portrait Evarist Adam Weber, 1919, Fotografie, Vintage, 22 x 16,2 cm, Bröhan Design Foundation. Bildquelle © Museum August Macke Haus
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Ein Mann zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit, zwischen freier und angewandter Kunst. Ein Motorradfan und Technikfreak und – ungewöhnlich genug – ein Maler von Sportmotiven seiner Zeit.
Adam Weber wurde im selben Jahr wie August Macke geboren. Beide studierten an der Düsseldorfer Kunstakademie und beide verband das Interesse für angewandte Kunst.
Doch ansonsten verliefen ihre Lebenswege höchst unterschiedlich, wie das ausstellende Haus betont. Während August Macke – auch durch das Engagement seiner Familie – nach seinem Tod berühmt wurde, ging Webers Nachlass verloren und der Künstler geriet weitgehend in Vergessenheit. In den letzten siebzig Jahren fand nur eine Exposition mit Weber-Arbeiten statt, 1953 im Suermondt Ludwig Museum in Aachen, seiner Geburtsstadt.
E.A. Weber Taormina, 1968. Gouache über Bleistift, 27,6 x 34,6 cm. Foto Evarist Adam Weber Archiv. Bildquelle © Museum August Macke Haus |
Das Museum August Macke Haus hat sich der Mühe unterzogen und eine Spurensuchen durchgeführt. Und die war erfolgreich! Auch wenn vieles von Weber, der sich ab etwa 1908 mit dem zweiten Vornamen Evarist zierte, weiterhin in unbekanntem Besitz ist: In Kooperation mit dem Evarist Adam Weber Archiv präsentiert das Macke Haus eine spannende Kollektion mit rund 120 Exponaten.
E.A. Weber Frau L.H. (Aachen); Porträt von Liane Hasenclever hoch über dem Luganer See, 1925, Öl auf Leinwand, 98 x 81,2 cm, Privatbesitz © Foto Museum August Macke Haus, Lars Bergengruen
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Es ist eine Schau, die einen überaus vielfältigen Künstler in Erinnerung ruft, der nicht nur als Maler wirkte sondern auch als Grafiker, Illustrator und Kunsthandwerker.
Noch während des Studiums in Düsseldorf hielt sich E.A.Weber mehrfach in Belgien und Paris auf, setzte sich mit Impressionismus und Neo-Impressionismus auseinander und verfestigte seine Bildsprache unter dem Einfluss der Werke von Paul Cézanne.
Mit seinen ausdrucksstarken Druckgrafiken gehörte er nach dem Ersten Weltkrieg zur expressionistischen Aufbruchsbewegung und in „die erste Reihe der neueren Graphiker“, wie der Zeitgenosse und ebenfalls verfemte Bildhauer Paul Horn 1928 vermerkte.
Eine Besonderheit sind in Webers Œuvre seine Mappenwerke zu Themen wie Erster Weltkrieg, den er als Kriegsmaler erlebte, Akt oder Passion. Weber war Mitglied der Vereinigung Das Junge Rheinland (mehr) und präsentierte hier wie auch bei der Münchener Neuen Secession und zahlreichen anderen Ausstellungen in Deutschland und Österreich seine Arbeiten, die mehrfach Preise erhielten.
E.A. Weber Selbstbildnis auf dem Motorrad, 1927, Ölgemälde, Maße und Verbleib unbekannt. Das Motiv zierte 1929 das Titelblatt der Münchner Kunst- und Literaturzeitschrift Jugend, Nr. 31. Bildquelle © Museum August Macke Haus
E.A. Weber Zugspitze, 1914, Holzschnitt, aquarelliert, mit Deckweiß gehöht, 19,5 x 26,3 cm. Foto Evarist Adam Weber Archiv, Bildquelle © Museum August Macke Haus
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Als außergewöhnlich lebendig gestaltet gelten seine Ölgemälde der 1920er-Jahre. Viele Motive beziehen sich auf seine Reisen, die ihn in die Schweiz, nach Südfrankreich und vor allem immer wieder nach Italien führten.
Es war offenbar seine ganz persönliche Art einer Grand Tour, wie sie das gehobene und kunstaffine Bürgertum in Mitteleuropa schon 100 Jahre zuvor zelebrierte. Weber reiste bis ins sizilianische Taormina.
Der begeisterte Motorradfahrer bevorzugt dabei gelegentlich seine eigene Maschine. Seine Faszination für den Sport und die Berge spiegelt sich in den Motiven, die in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre eine eigene, expressiv-sachliche Gestaltungsweise aufweisen. Als einer der wenigen Sportmaler dieser Jahre setzte er den populär werdenden Motorrad- und Autorennen oder der nordischen Sportart Skijöring, also dem Skifahren hinter Vorspann wie Pferd, Hund oder Motorschlitten, malerisch ein Denkmal.
E.A. Weber entwarf ferner als Kunsthandwerker auch Bronze-Plaketten für Rennen und Sportveranstaltungen.
Familiär war ihm kein Fortune geschenkt. Nach dem tragischen Unfalltod seiner kleinen Tochter, der Trennung von seiner ersten Frau und der Heirat mit Gertraud Heubach, fertige er nur noch wenige Ölgemälde und verlegte sich auf Pastelle und das Kunsthandwerk. 1931 gründete das Ehepaar die kunsthandwerklichen Werkstätten Weber-Heubach in Ebenhausen bei München. Später arbeiteten und wohnten die Eheleute in Icking nahe dem Starnberger See, dann in Dießen am Ammersee und zeigten ihre hochkarätigen Batiken, Bastarbeiten, geritzten Glasobjekte und kunsthandwerklichen Ledertaschen.
E.A.Weber Wettersteinspitze, 1917, Öl auf Leinwand, 82,5 x 99,6 cm, Evarist Adam Weber Archiv. Bildquelle © Museum August Macke Haus
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Von dem Kunsthistoriker Rainer Zimmermann (1920–2009) stammt der Begriff der „verschollenen“ oder „verlorenen“ Generation. Er umschrieb damit jene Künstler, die Anfang des 20. Jahrhundert wirkten, aber nach der NS-Machtergreifung 1933 und den radikalen Einschnitten in das Kunst- und Kulturleben nicht mehr öffentlich auftraten.
Viele von ihnen emigrierten, wurden wegen politischer, rassistischer und religiöser Gründe angefeindet, verfolgt oder ermordet. Ihre Bilder wurden als „Entartete Kunst“ 1937 aus öffentlichen Sammlungen und Museen entfernt, zerstört oder im günstigeren Falle versteckt.
rART/cpw
► Das Museum August Macke Haus widmet sich der Pflege des Andenkens und des Werkes von August Macke und den rheinischen Expressionisten, der Instandhaltung des ehemaligen Wohn- und Atelierhauses des Malers sowie der Erforschung und zeitgemäßen Vermittlung von Themen und Aspekten zu August Macke und seinem künstlerischen Umfeld, insbesondere dem Epoche-Phänomen des Expressionismus.
Die Sonderausstellung Evarist Adam Weber.Wiederentdeckt kann bis zum 29. Mai 2023 besucht werden.
Museum August Macke Haus
Hochstadenring 36
53119 Bonn
Tel. 0228 / 655531
Öffnungszeiten
DO 11 – 19 Uhr
FR, SA, SO und Feiertage 11 – 17 Uhr
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