rheinische ART
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rheinische ART 08/2024

ARCHITEKTUR
Vergängliche Schönheit

 

Der in Ratingen ansässige Modekonzern Esprit ist zum zweiten Mal insolvent und schließt alle 56 Filialen in Deutschland.

 

Blick von der Gartenanlage auf das einstige Entrée des Esprit-Showrooms an Düsseldorfs Vogelsanger Weg 49. Foto © rheinische ART

 

Wenn demnächst bei Esprit die Lichter ausgehen, ist dies architektonisch gesehen auch nicht das erste Mal. Vor gut 40 Jahren, da ging es der Textilkette noch hervorragend, ließ sich das Unternehmen in der Modestadt Düsseldorf am Vogelsanger Weg 49 ein Betriebsgebäude umgestalten. Nicht in irgendeinem profanen Stil! Vielmehr im sogenannten Memphis-Style. Irgendwann zogen die Bekleidungsproduzenten aus und die Architekturikone geriet fast in Vergessenheit!

 

Memphis-Architektur Farbenfroh bis heute, Eingang zum ehemaligen Gebäude der Esprit Europe GmbH in Düsseldorf-Mörsenbroich. Foto © rheinische ART

 

Memphis-Architektur Fliesen und Betonsäulen von Ettore Sottsass am ehemaligen Esprit-Gebäude in Düsseldorf. Foto © rheinische ART

 

Ihr Architekt war kein geringerer als der österreichisch-italienische Designer, Baumeister und Kreativkopf Ettore Sottsass (1917– 2007). Ein Nonkonformist und Protagonist der Radical-Design-Bewegung (mehr).

     Das Düsseldorfer Areal wurde seinerzeit zu einem hochmodischen, stilistisch revolutionären Esprit-Showroom umgeformt und die zugehörigen Außenanlagen stilgerecht angepasst. Von da an verfügte die Landeshauptstadt über ein einzigartiges Architektur-Zeugnis im Memphisstil, das als technisches Denkmal geschützt wurde.

     Esprit begnügte sich nicht mit dem Düsseldorfer Memphis-Schauhaus. Die Modefachleute ließen weltweit ihre unterhaltenen Show- und Verkaufsräume von Sottsass kreieren.


Was ist das Besondere an dieser in die Jahre gekommenen und vernachlässigten Gebäude- und Gartenanlage? Sottsass´ Memphisstil - auf den sich der Industriedesigner allerdings zu Lebzeiten nie reduziert sehen wollte – imponierte und erstaunte mit seinen zahlreichen, teils grellen und farbigen Details.

     Im Außenbereich des Showrooms waren es unter anderem auffällige kleinformatige Farbfliesen im Portalbereich, Glasbausteine und farbige Betonelemente sowie diagonale Fensterstrukturen.

     Im Inneren gab es ein Intarsien-Parkett, farbige Bauteile und eigenwillige Heizkörperbekleidungen, die einzigartige stilistische Akzente setzten. Die umgebende Grünanlage und ein dekonstruktivistisch anmutender Pavillon mit Wasserbecken und Sitzgelegenheiten aus roten Ziegeln komplettierten das ungewöhnliche Ensemble.

 

Stilrichtung im Grenzbereich von Kunst, Architektur und Alltagskultur: Experimente mit neuen Formen und Materialien. Provokativ, dekorverliebt, das Memphis-Design. Foto © rheinische ART

 

Wer das eher versteckt liegende Sottsass-Ensemble findet und genau hinsieht, kann ahnen, wie einst der Memphisstil wirkte. Schon seit Jahren wird das Gebäude anderweitig genutzt. Seine Schönheit ist zwar nicht in Gänze vergangen, jedoch nur noch verhalten wirkend.


Der Designer Ettore Sottsass stellte mit seinen Entwürfen die Funktionalität von Objekten radikal in Frage und suchte Abstand zu dem als alt und abgearbeitet empfundenen Architekturgrundsatz „form follows function“ (mehr). Der Italiener und sein Team interpretierten die Alltagsformen phantasie- und lustvoll neu. Das Memphis-Styling hat bis heute eine klare, unverwechselbare Optik und einen hohen Wiedererkennungswert. Es kam ebenso frech wie farbig daher, polymorph, überschwänglich, glitzernd, kitschig – damals ein absoluter „New Style“.
rART/cpw


 Diverse Ausstellungen huldigten dieser Stilform. Im Februar 2017 endete in der Düsseldorfer KAI 10 Arthena Foundation die Erinnerungsschau Less is a Bore. Reflections on Memphis (mehr). Das Vitra Museum in Weil am Rhein erinnerte vor zwei Jahren an Ettore Sottsass und seine Designer mit der Ausstellung „Memphis 40 Jahre Kitsch und Eleganz“ (mehr).