rheinische ART
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rheinische ART 12/2018

Archiv 2019

300 JAHRE US-KUNST

Meister unter Stars and Stripes

 

Eine derartige Übersichtsschau war in deutschen Museen bislang noch nicht zu bewundern! Drei Jahrhunderte Kunst der Vereinigten Staaten von Amerika, von 1650 bis 1950, präsentiert anhand von Spitzenwerken aus den renommiertesten Sammlungen des Landes: ein wahres Weihnachtsgeschenk!

 

Maler der Hudson River School: Sanford Robinson Gifford (1823–1880), Morning in the Hudson, Haverstraw Bay (Morgen am Hudson River, Haverstraw Bay), 1866, Öl auf Leinwand, Terra Foundation for American Art, Daniel J. Terra Collection, 1993.11, © Terra Foundation for American Art, Chicago / Art Resource, NY 

 

Der griffige Titel der Ausstellung, „Es war einmal in Amerika“, erinnert – mit Verlaub – an das berühmte gleichnamige Kino-Gangsterepos aus dem Jahr 1984; in einer der Hauptrollen: Roberto de Niro.

 

Amerikanischer Realismus Edward Hopper (1882–1967), Hodgkin’s House (Hodgkins Haus), 1928, Öl auf Leinwand, Privatsammlung, © Artists Rights Society (ARS), Foto: Adam Reich Photography

 

Native American am Delaware River Gustavus Hesselius (1682–1755), Lapowinsa, 1735, Öl auf Leinwand, Courtesy of the Philadelphia History Museum at the Atwater Kent, The Historical Society of Pennsylvania Collection, Gift of Granville Penn, 1834, Foto: © Courtesy of the Philadelphia History Museum at the Atwater Kent, The Historical Society of Pennsylvania Collection

 

Die Kölner Ausstellung hat damit natürlich thematisch rein gar nichts zu tun. Wohl aber bietet sie dem Besucher im Wallraf-Richartz Museum eines: Die einmalige Chance, der US-amerikanischen Kunst mit einem aktuellen Blick zu begegnen und nicht zuletzt auch das jeweils eigene Amerikabild zu befragen und zu erweitern.

     Das wirklich spannende an dieser 130 Exponate umfassenden, großartigen Präsentation ist die Tatsache, dass sie Werke von nahezu allen berühmten US-Künstlern versammelt und sich nicht nur – wie so oft in den vergangenen Jahren – auf den Abstrakten Expressionismus oder Pop Art fokussiert.

     Zu sehen sind unter anderen Arbeiten von Benjamin West, John Copley, Edward Hopper, George Bellows, Georgia O'Keeffe, Mark Rothko und Barnett Newman. Die meisten Stücke waren bisher nur selten oder noch nie in Deutschland präsentiert worden, wie das Museum hervorhebt.

 

Zur kunsthistorischen Einordnung: Als US-amerikanische Kunst bezeichnet ein Teil der Fachwelt jene Werke, die nach der Unabhängigkeitserklärung der USA 1776 entstanden. Interessant in Köln: Die Wallraf-Sonderschau greift hingegen bis auf die Mitte des 17. Jahrhundert zurück und lässt auch diese frühe Kolonialzeit Revue passieren.

     Beispielweise mit dem ersten Ölportrait eines amerikanischen Ureinwohners, dem indianischen Lenape-Stammesführer Lapowinsa; das eindrucksvolle Antlitz wurde 1735 von dem gebürtigen Schweden Gustavus Hesselius gemalt.
     Welche zeitliche Taxierung auch immer zutreffen mag, schnell wird in der Ausstellung deutlich, dass es „die eine“ US-Kunst schlichtweg nicht gab. Und ebenso schnell wird deutlich, dass Amerika nun wirklich außer Pop Art und Expressionistischem noch allerhand anderes zu bieten hat.

 

Erfinder des Mittleren Westens John Steuart Curry (1897–1946), Tornado over Kansas (Tornado über Kansas), 1929, Öl auf Leinwand, Collection of the Muskegon Museum of Art, Hackley Picture Fund Purchase

 

In acht Abteilungen kann der Besucher sich chronologisch der Entwicklung von Malerei und Skulptur von der frühen Kolonialzeit über den amerikanischen Realismus und Regionalismus bis zum Abstrakten Expressionismus aus den Fünfzigerjahren widmen.

     Die Arbeiten vermitteln, wie lebendig, innovationsbereit und experimentierfreudig die Künstler waren. Dank der herausragenden Qualität der Exponate wird ein umfassender Einblick in die faszinierende Vielfalt US-amerikanischer Kunst ermöglicht.

     Natürlich ist da viel Monumentales, Dramatisches und manch Hochstilisiertes zu entdecken, vor allem wenn es darum ging, die amerikanische Provinz wie etwa den Mittleren Westen als „Gottes eigenes Land“ ins rechte Licht zu rücken.

 

Realist im kolonialen Amerika John Singleton Copley (1738–1815), Watson and the Shark (Watson und der Hai), 1782, Öl auf Leinwand, Detroit, Detroit Institute of Arts; Founders Society Purchase, Dexter M. Ferry, Jr. Fund, Foto: Bridgeman Images

 

Städtischer Realismus George Bellows (1882–1925), Club Night (Clubnacht), 1907, Öl auf Leinwand, National Gallery of Art, Washington, John Hay Whitney Collection, 1982.76.1

 

Bewußte Naivität William H. Johnson (1901–1970), Street Life Harlem (Straßenszene – Harlem), ca. 1939/40, Öl auf Holz, Washington, Smithsonian American Art Museum, Gift of the Harmon Foundation, 1967.59.674

 

Kubismus und Pop Art Stuart Davis (1892–1964), Electric Bulb (Glühbirne), 1924, Öl auf Pappe, Dallas Museum of Art, Fine Arts Collectible Fund, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

 

Was unverkennbar ist: die US-Malerei, vor allem die des 19. Jahrhunderts, hatte enge Bande zu europäischen Stilströmungen. Es finden sich Romantik, Klassizismus und repräsentative Landschaftsgemälde, die ab 1820 von der Hudson-River-School nachhaltig bestimmt wurden.

     Die Darstellung weiter Landstriche mit überirdischer, ja geradezu paradiesischer Ausstrahlung sowie Motive aus der rasanten, mythenhaften Zeit der Erschließung des Westens, ins Bild gesetzt unter anderen von dem gebürtigen Solinger Maler Albert Bierstadt, füllen im Wallraf einen ganzen Saal.

     Die Naturmalerei, wie sie in den Akademien von Düsseldorf oder München gepflegt wurde, fand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts starken Widerhall in Amerika. Protagonisten dieses Genres waren unter anderem Bingham, Inness und Johnson. Den Impressionismus, der im Amerika jener Zeit als überaus anstößig galt, vertraten vor allem James Abbott McNeill Whistler und die Malerin Mary Stevenson Cassatt.

 

Die realistische Malerei gewann der großstädtischen Ästhetik in den Metropolen viele Motive ab. Teils waren sie sozialkritisch unterfüttert, oft spiegelten sie das gesellschaftliche Entertainment, vom Boxkampf bis zur Tanzrevue. Hauptmeister dieser Richtungen waren Künstler wie Sloan und Bellows und der Spitzenvertreter der US-Moderne Edward Hopper. Millionenfach vervielfältig und verkauft, wurde Hopper mit seinem unverkennbaren Stil zum populärsten Maler dieser Kunstrichtung und zu einem Chronisten der amerikanischen Zivilisation, wie es oft heißt.

 

Eine Zäsur trat schließlich mit Ende des Zweiten Weltkriegs ein. Der Abstrakte Expressionismus hatte nämlich plötzlich sein Zentrum nicht mehr in Europa mit dem pulsierenden Kunst-Hotspot Paris. Die Führung in der Kunstszene wechselte in die USA.

     Nicht die dortigen Künstler blickten neugierig nach Europa, sondern die Europäer richteten gebannt ihre Blicke nach Übersee. Kreative des Actionpaintings wie Pollock, de Kooning und Rauschenberg sowie Rothko und Newman wurden zu den gewichtigsten Malern ihrer Zeit. Auch das war einmal in Amerika!

     Alles in allem ist die Kölner Ausstellung ein Kunst-Highlight, das längst schon einmal in einer deutschen Galerie hätte kuratiert werden sollen. Sehenswert!
K2M

 

Als Beginn der US-Moderne gilt die berühmten Armory Show (International Exhibition of Modern Art) im Februar und März 1913 in der New Yorker Halle eines Nationalgarde-Regiments. Sie nutzte als strukturelles Vorbild die wegweisende Kölner Sonderbundausstellung (mehr) aus dem Jahr zuvor. Mit der Jubiläumsretrospektive „1912 – Mission Moderne“ erinnerte das Wallraf-Richartz-Museum 2012 an diesen kunstgeschichtlichen Meilenstein in der Domstadt. Die aktuelle Präsentation „Es war einmal in Amerika“ versteht das Wallraf als Folgeprojekt.

 

► Albert Bierstadt (1830–1902), amerikanischer Maler mit deutschen Wurzeln, war von 1853 bis 1857 Student an der Düsseldorfer Kunstakademie. Als Vertreter der „Düsseldorfer Malerschule“ (mehr) erlangte er mit seiner Landschaftsmalerei an der US-Ostküste schnell Ruhm und finanziellen Erfolg. Am Hudson River ließ er ein schlossartiges Gebäude mit über 30 Räumen errichten, das in Erinnerung an seine Zeit am Rhein als sein „Malkasten“ galt. Das elegante Kunstdepot und -atelier brannte 1882 ab. Viele Arbeiten Bierstadts wurden vernichtet, ferner seine Bibliothek und eine einzigartige Kollektion indianischer Kunsthandwerke.

 

► Über die unbekannte Seite der US-Kunst, private Kulturförderung und die Bedeutung Deutschlands als Standort und Mittler für die Künste der Vereinigten Staaten, siehe: Interview mit Liz Glassman, Präsidentin und CEO der Terra Foundation Chicago und dem Leiter des Terra Foundation Center & Library, Paris, John Davis (hier).

 

 

Die Ausstellung „Es war einmal in Amerika – 300 Jahre US-amerikanische Kunst“ endet am 24. März 2019
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Obenmarspforten 40 (Am Kölner Rathaus)
50667 Köln
Tel 0221 / 221 211 19
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr

 

 

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