Archiv 2015
ERICH VOM ENDT
Bühne und Bus-Stop
Paris 1957: Eine Bushaltestelle am Abend. Es regnet, mattes Laternenlicht und Leuchtreklamen, ein Mädchen wartet. Helligkeit spiegelt sich auf nassem Asphalt.
Erich vom Endt Bus Stop Palais Royal, 1957. Die Fotografie gehört nach Aussagen des Fotografen zu seinen Lieblingswerken. ©Theatermuseum Düsseldorf 2015
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Die Szene nahe der Métro-Station Palais Royal, aus der Hand fotografiert mit einer Sekunde Belichtung, wurde zwei Jahre später für den jungen deutschen Fotografen zum Schlüssel für eine neue Welt.
Der "Lichtbildner“ war 22 Jahre alt, hieß Erich vom Endt (*1935), kam aus dem Rheinland und wollte sich eigentlich nicht mehr weiter seinem Jurastudium widmen, sondern der Kunst.
Schnappschuss Mit jener leicht verwischt wirkenden schwarz-weißen Momentaufnahme bewarb sich vom Endt bei Otto Steinert, dem Begründer der „subjektiven Fotografie“, zum Studium an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen. Aus Erich vom Endt, dem Studenten der Jurisprudenz in Saarbrücken und Bonn, wurde ein Foto-Künstler und Dokumentar bedeutender Jahre der rheinischen Theaterszene.
Erich vom Endt Jean-Louis Barrault (1910-1994) probt Paul Claudels Das Buch von Christoph Columbus. Schauspiel Essen, 1962 ©Theatermuseum Düsseldorf 2015 |
Bildregie Das Düsseldorfer Theatermuseum widmet dem Fotografen zum 80. Geburtstag die Ausstellung „Bildregie. Erich vom Endt – Theaterfotografie“. Seit 2014 befindet sich das umfangreiche theaterfotografisches Werk vom Endts in dem Institut.
Kurator Michael Matzigkeit hat für die Schau fast 100 Arbeiten aus diesem Bestand ausgewählt; 80 aus den Bereichen Portrait, Probenarbeit, Szenen und etwa 20 weitere Werke zur künstlerischen Entwicklung des Fotografen außerhalb der Theaterbühnen, etwa in Form von Landschafts- und Industrieabbildungen.
Erich vom Endt Ein Frühlingstag in Auteuil, 1962 ©Theatermuseum Düsseldorf 2015
Erich vom Endt Szenenbild aus Paul Claudels Das Buch von Christoph Columbus. Schauspiel Essen, 1962 ©Theatermuseum Düsseldorf 2015
Erich vom Endt Jean Genet (1910-1986) bei Proben zu seinem Algerien-Drama Die Wände (Les Paravents). Städtische Bühnen Essen, 1967/1968 ©Theatermuseum Düsseldorf 2015 Der Autor war so umstritten wie seine Werke. Er schlug sich jahrelang als Einbrecher, Schmuggler und Vagabund durch und wurde wegen zahlreicher Delikte zu lebenslanger Haft verurteilt, 1948 durch Interventionen unter anderem von Sartre und Cocteau (mehr) begnadigt. Auch in Essen lieferte sich Genet in Restaurant „Stauder an der Oper“ eine Schlägerei mit deutschen Stammtischgästen wegen Nazi-Liedern. Es muss ihm ein Bedürfnis gewesen sein, denn es sei „...sehr schön gewesen“ wurde der Franzose danach in der Presse zitiert. |
Bühnenschau Es ist eine eher überschaubare, fast intime und interessante Exposition, die nicht allein vom Endts Kunstfertigkeit mit der Kamera belegt. Sie ist eben auch eine - und das macht ihren Reiz aus - einzigartige Bilderkollektion zur rheinischen Theatergeschichte.
Der gebürtige Kölner vom Endt hatte in den Sechzigerjahren neben seinem Studium für die Bühnen der Stadt Essen fotografiert. Unter Generalintendant Erich Schumacher, der die Städtischen Bühnen Essen von 1958 bis 1974 entscheidend prägte, hielt er Theaterproben und Inszenierungen fest.
Es entstanden Fotos vor und hinter dem Vorhang, beeindruckende Portraits, mitreißende Gruppenbilder, Szenefotos voller Dynamik mit Schauspielern und Regisseuren jener Jahre.
Bild-Dokumente Vom Endts Fotografien aus dem Theatermilieu bieten einen Gang durch ein imposantes Namensregister von Charakterdarstellern, Theaterregisseuren und Autoren. Hierzu zählen unter anderen Jean-Louis Barrault, Tilla Durieux, Jean Genet, Michel Serrault, Armand Gatti, Dieter Borsche oder Erwin Piscator. Vom Endt begleitete als Bildjournalist ganze Produktionen exclusiv, vor allem auch jene Gastspiele von Barrault und Piscator.
Berühmt wurden seine Bilder von dem als extrem fotoscheu geltenden französischen Romanautor, Dichter und Dramatiker Jean Genet. Er fotografierte ihn, als dieser vor der Premiere seines an obszönen und blutrünstigen Passagen reichen Schauspiels „Die Wände“ (Les Paravents) überraschend nach Essen kam, bei der Generalprobe auf die Bühne sprang und Änderungen anordnete.
Folkwang Essen Der berufliche Weg des in Düsseldorf lebenden und arbeitenden Fotokünstlers mündete schließlich in akademischen Würden. Nach dem Examen 1962 bei Otto Steinert zum Thema neue Fotografie und „neue Sachlichkeit“ (mehr) wurde Erich vom Endt Assistent seines Mentors und schließlich Fachlehrer in der Werkgruppe „Fotografie“ der Essener Folkwangschule. 1973 erhielt er dort eine Berufung zum Professor, drei Jahre später dortselbst eine Professur für Fotodesign.
Erich vom Endt Selbstportrait 2015 ©Theatermuseum Düsseldorf 2015
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Erich vom Endt war an Steinerts Ausstellungen zur Geschichte der Fotografie beteiligt und arbeitete als Fotograf für mehrere Fachzeitschriften, so etwa für die einflussreiche Monatsschrift „Theater heute“. Aus dieser Zeit stammen seine Industriefotografien für die damals großen Konzerne Ruhrkohle AG (RAG), Thyssen, RWE, Klöckner, Veba, AEG und Esso. Erich vom Endt blieb bis 1997 Professor an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Die Bibliothèque nationale de France in Paris nahm 2008 mehrere seiner Arbeiten in ihre Sammlung auf.
► Otto Steinert (1915-1978) war der führende Vertreter der deutschen Nachkriegsfotografie. Der ursprüngliche Hobbyfotograf und Ex-Militärarzt prägte den Begriff der „subjektiven Fotografie“, die eine wichtige fotografische Strömung der Fünfzigerjahre wurde. Sie umschreibt eine Fotorichtung, bei der ungewöhnliche Bildausschnitte, starke Kontraste und experimentelle Aufnahmen im Vordergrund standen. Steinert war von 1947 bis 1959 Lehrer an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken; diese Zeit gilt als seine produktivste. Er nahm wichtige Funktionen in Fotoverbänden ein und traf 1952 in Paris mit dem MoMA-Direktor Edward Steichen (mehr) zusammen, der die Exposition „The Family of Man“ plante, sowie unter anderen auch mit Man Ray (mehr). Zu seinen bekannten Schülern der Essener Jahre gehören neben Erich vom Endt ferner der Düsseldorfer Fotograf Walter Vogel (mehr).
Claus Peter Woitschützke
Die Ausstellung „Bildregie – Erich vom Endt. Theaterfotografie“ wird bis zum 3. November 2015 gezeigt.
Theatermuseum Düsseldorf
Jägerhofstraße 1
40479 Düsseldorf
Tel. 0211 / 89-96130 oder 89-94660
Öffnungszeiten
DI-SO 13 - 19 Uhr