rheinische ART
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rheinische ART 08/2012

ARCHIV 2012

Ein dionysischer Grieche in Düsseldorf

EL GRECO

 

El Greco, Die büßende Magdalena, ca. 1580-86, Öl auf Leinwand, 104,6 x 84,3 cm, © The Nelson –Atkins Museum of Art, Kansas City,William Rockhill Nelson Trust, Foto: Jamison Miller

 

El Greco, Heiliger Jacobus der Ältere, ca. 1610-14, Öl auf Leinwand, 97 x 77 cm, Museo del Greco, Toledo, Foto: Rebeca García Merino

 

El Greco, Heiliger Johannes der Evangelist und heiliger Johannes der Täufer, ca. 1600-1610, Öl auf Leinwand, 110 x 86 cm, © Museo Nacional del Prado, Madrid

Das Museum Kunst Palast in Düsseldorf zeigt den spanischen Barockmaler El Greco. Die Ausstellung ist die erste ihrer Art in Deutschland und setzt einen ganz besonderen Fokus: Das Verhältnis El Grecos zu den Künstlern der Moderne.

 

El Greco (1541 Kreta/ Griechenland-1614 Toledo/Spanien) ist eine singuläre Erscheinung. Seine Bilder, die vielen als Vorläufer der modernen Malerei gelten, entziehen sich der Einordnung in klassische Schemata. Bemerkenswert ist der Lebenslauf dieses Malers auf der Schwelle zwischen ausklingender Renaissance und Frühbarock: Geboren als Domenikos Theotokopoulos im venezianisch beherrschten Kreta, verbringt er seine Künstlerleben in Venedig, Rom und der spanischen Residenzstadt Toledo – für die damalige Zeit höchst kosmopolitisch. Hinzu kommen sein extremer Charakter, seine zahlreichen Streitigkeiten mit kirchlichen Auftraggebern zur Zeit der beginnenden Gegenreformation und sein künstlerischer wie persönlicher Individualismus. El Greco gehörte keiner Schule an und hinterließ selbst keine Schüler. Lediglich sein Sohn Jorge Manuel arbeitete zeitweise mit ihm gemeinsam an den Gemälden.

 

Der Stil der Malerei ist einzigartig und verlischt mit dem Tod des Malers im Jahr 1614

 

Die umfassende Würdigung seiner Arbeiten geschah allerdings Jahrhunderte später. Andere Maler des spanischen Barock, genannt sei hier vor allem der überragende Diego Velazquez, wurden von der Öffentlichkeit und der Kunstgeschichte viel früher als der ausgewanderte Grieche in den Olymp der Künstler gehoben.

   Bei El Greco setzte eine erkennbare Wertschätzung erst im beginnenden 20. Jahrhundert ein, als der namhafte Kunstkritiker und Publizist Julius Meier-Graefe den griechischen Barockkünstler durch sein 1910 publiziertes Tagebuch „Spanische Reise“ bekannt machte. Darin fand er so berührende Worte wie: „Ich habe einen Menschen gefunden, einen großen, über alle Begriffe genialen Menschen.“ Mit seinem Enthusiasmus elektrisierte er besonders die junge Künstlergeneration der deutschen Expressionisten und machte El Greco zu ihrem Vorbild.

   Was ist nun das Besondere an El Grecos Stil? Seine ausgereiften Gemälde wirken hart im Pinselduktus, wenig detailliert für ihre Zeit und bestechen durch ihre extreme und zugleich sehr reduzierte Farbigkeit. Auch die Körperproportionen der dargestellten Figuren, die langgezogenen Gliedmaßen, sind unverwechselbar. Dieser individuelle Malstil resultiert aus seiner künstlerischen Erziehung: Angefangen hatte er als klassischer Ikonenmaler auf Kreta, bis er im Venedig der Spätrenaissance die Verwendung der Farben erlernte. Als Mann der Extreme war Venedig der perfekte Nährboden für den jungen Künstler, der bei seinem anschließenden Aufenthalt in Rom und der Begegnung mit Michelangelo freilich mit dessen maßvoller und auf Proportion beruhenden Kunst recht wenig anfangen konnte – die apollinische Klarheit war weniger seine Sache als das Abgründige und Mysteriöse.

 

El Greco, Die Öffnung des fünften Siegels (Vision des Heiligen Johannes), 1608-14, Öl auf Leinwand, 222,3 x 193 cm, © bpk, The Metropolitan Museum of Art, NY

 

El Grecos verzerrte, flammende Gestalten verleiteten Kunsthistoriker in der Vergangenheit dazu, ihn als Manieristen einzuordnen und es ist auch wahrscheinlich, dass er in Italien den Geist dieser Stilrichtung zum Ende des 16. Jahrhunderts in sich aufgenommen hat. Doch im Gegensatz zu bekannten manieristischen Kunstwerken Parmigianinos und Arcimboldos wirken El Grecos Gemälde nicht wie selbstreflexive, intellektuelle Spielereien. Vielmehr dünken sie düster und fromm, wie gemalte Extremerfahrungen auch religiöser Art. So etwa „Die Öffnung des fünften Siegels“, welches die Offenbarung des Heiligen Johannes illustriert und zum ersten Mal extatische Visionen in der Barockkunst verbildlicht. Dieser Hang zum Extremen wurde zum Markenzeichen der machtvollen Malerei El Grecos, die „wie nicht von dieser Welt“ scheint.
    Bereits der Bonner Ordinarius Carl Justi erkannte 1874 das „pathologische Genie“ El Greco, wertete ihn jedoch durchweg negativ. Allerdings sah bereits Justi die Verwandtschaft zu den von ihm geschmähten modernen Künstlern der Stunde. Um 1910 setzte dann die Greco-Renaissance ein. Die Düsseldorfer Schau geht diesem Phänomen nach und verfolgt zwei entscheidende Aspekte der El Greco-Rezeption getrennt: Einerseits stellt sie El Greco neben die Vertreter der frühen Moderne (Cézanne, van Gogh, Picasso), als deren Vorläufer er von Wissenschaftlern und Künstlern selbst bezeichnet wurde, andererseits beleuchtet sie gezielt das Verhältnis zu den deutschen Expressionisten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts El Greco zu einem ihrer geistigen Väter machten.

Robert Woitschützke

 

Die Ausstellung „El Greco und die Moderne“ ist bis zum 12. August 2012 zu sehen.

Stiftung Museum Kunstpalast
Kulturzentrum Ehrenhof
Ehrenhof 4-5
40479 Düsseldorf

Öffnungszeiten:
DI, MI, FR - SO 10 – 20 Uhr
DO 11- 21 Uhr

MO geschlossen

 

El Greco beeinflusste nicht nur die Maler der Avantgarde, sondern wirkte auch auf die schreibende Zunft (mehr). 

 

 

©rheinische-art.de

©Fotos: soweit nicht anders angegeben Museum Kunstpalast

 

 

 

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