rheinische ART
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rheinische ART 04/2012

ARCHIV 2012

Restitution von NS-Raubkunst


Seehaus-Leuchtturm bleibt in

Bonn


Die Sachlage ist äußerst kompliziert, die Bearbeitung verlangt höchste Sensibilität. Trotz Unklarheit hat sich das Bonner Kunstmuseum mit den Erben des westfälisch-rheinischen Galeristen Alfred Flechtheim auf eine vorbildliche Lösung verständig: Der Verein der Freunde des Museums zahlt für das seit mehr als 60 Jahren in Bonn hängende Seehaus-Gemälde „Leuchtturm mit rotierenden Strahlen“ die Hälfte des Marktwertes als Entschädigung. Eine bemerkenswerte Einigung mit hohem Symbolwert.


Museumsdirektor Professor Dr. Stephan Berg: „Wir sind froh und dankbar, dass wir einen einvernehmlichen Weg gefunden haben, eine den geschichtlichen Ereignissen gerecht werdende Lösung herbeizuführen.“ Worum geht es im Einzelnen?

 

Paul Adolf Seehaus, Leuchtturm mit rotierenden Strahlen, 1913


Viele Fragen – keine Antworten


IM September 2009 hatten die Erben des jüdischen Sammlers und Kunsthändlers Alfred Flechtheim (1878-1937) das Kunstmuseum um die Rückgabe des 1913 entstandenen Gemäldes des rheinischen Expressionisten und Macke-Schülers Paul Adolf Seehaus (1891-1918) ersucht. Daraufhin hatte Museumsleiter Berg durch eigene Nachforschungen und mittels zweier Gutachten die Ansprüche der Erben prüfen lassen. Fest steht, dass sich das Leuchtturm-Bild, ein Hauptwerk von Seehaus, seit 1919 und nachweislich noch im März 1932 im Eigentum von Alfred Flechtheim befand, als es als Leihgabe im Berliner Kronprinzenpalais gezeigt wurde.
   Das Gemälde blieb nach der Emigration Flechtheims im Sommer 1933 offenbar bis 1949 im Besitz seines früheren Mitarbeiters Alex Vömel, der im März 1933 in den Düsseldorfer Stammräumen der Galerie Flechtheim unter seinem Namen eine eigene Galerie eröffnet hatte. Die Kernfrage, ob die Galerie an der Königsallee durch die Übernahme Vömels damit „arisiert“ wurde, konnte bislang nicht geklärt werden, da wesentliche Dokumente im Krieg vernichtet wurden. Trotz intensiver Recherchen, betont das Museum, lässt sich bis heute nicht mit Bestimmtheit feststellen, wann und unter welchen Umständen das Seehaus-Gemälde Flechtheim oder seinen Erben möglicherweise entzogen wurde, ob Flechtheim es Vömel vielleicht übereignet hatte oder in Verwahrung gab, oder ob dieser das Gemälde vielmehr wider besseren Wissens und unrechtmäßig einbehalten hatte. 1949 wurde es auf einer Auktion des Stuttgarter Kunstkabinetts Ketterer vom Kunstmuseum Bonn erworben.


Gütliche Einigung


In einer gemeinsamen Erklärung des Kunstmuseums Bonn und der Flechtheim-Erben erkennt das Kunstmuseum ungeachtet der offenen Fragen ausdrücklich das Verfolgungsschicksal des Juden Flechtheim an. Ein NS-verfolgungsbedingter Verlust des Bildes von Seehaus sei vor diesem Hintergrund daher nicht auszuschließen, auch wenn es nicht eindeutig belegt werden konnte. Ungeachtet dessen sieht sich das Bonner Museum den Prinzipien der Washingtoner Konferenz von 1998 verpflichtet, Restitutionsansprüche zu akzeptieren, die Suche nach NS-Raubkunst intensiv zu betreiben und „faire“ Lösungen für eine Rückgabe anzustreben.
   Die gütliche Einigung sieht vor, dass das Kunstmuseum Bonn die Erben ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Ausschluss weiterer Ansprüche die Hälfte des geschätzten Marktwertes des Gemäldes als Entschädigung zahlt. Ferner soll bei Präsentationen des Bildes künftig mit Texten über seine Provenienz und wechselvolle Geschichte informiert werden. Derzeit fordern die Flechtheim-Erben etwa 20 Werke aus deutschen Museen zurück.
K2M/ RMW


Der in Bonn geborene Paul Adolf Seehaus war der erste und einzige „unentgeltliche Meisterschüler“ des rheinischen Expressionisten August Macke. In den wenigen Jahren seines aktiven Schaffens widmete sich Seehaus vorzugsweise der Landschaftsmalerei, wobei er seine Motive im Rheinland und in einsamen Naturräumen Englands suchte. Expressionistisch arbeitete der Maler ab 1912, beeinflusst durch Besuche der „Sonderbund“-Ausstellung und des „Rheinischen Kunstsalon“ in Köln, wo er erstmals Bilder mit kubistischen und futuristischen Elementen sah. Im dunkel-blautönigen Bild „Leuchtturm mit rotierenden Strahlen“, das kubistisch eine Küstenlandschaft in Westengland darstellt, zeigt sich Seehaus` Stilwechsel. Im Sommer 1913 beteiligte sich Seehaus unter dem Pseudonym H.G. Barnett in Bonn an der „Ausstellung Rheinischer Expressionisten“ und im September am „Deutschen Herbstsalon“ in Berlin. Als Student der Kunstgeschichte studierte Seehaus in Bonn und München. 1918 promovierte er zum Dr. phil an der Universität Bonn. Im selben Jahr organisierte er die Ausstellung „Das Junge Rheinland“ im Kölnischen Kunstverein, an der er auch selbst teilnahm. Paul Adolf Seehaus starb am 13. März 1919 in Hamburg an einer Lungenentzündung.

 

©Foto Kunstmuseum Bonn

 

 


 

 

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