rheinische ART
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rheinische ART 10/2021

Archiv 2021

DÜRER WAR HIER
Die Geschäftsreise

 

Eigentlich hatte der berühmte Kupferstecher mit dem Monogramm AD es nicht nötig, Akquise an Rhein, Schelde und Maas zu betreiben. Oder doch? Immerhin war er ein Künstlerstar seiner Zeit und ein Marktfaktor.

 

Albrecht Dürer Kopf eines Walrosses, 1521, British Museum, London, © The Trustees of the British Museum, Bildquelle Suermondt-Ludwig-Museum 2021

 

Für ein Jahr begab sich Albrecht Dürer (1471–1528) in seinem fünften Lebensjahrzehnt ab 1520 auf eine einjährige Reise von Nürnberg aus ins Rheinland und in die Niederlande. Darunter eines der Ziele: die Kaiserstadt Aachen. 

 

Albrecht Dürer Hl. Hieronymus 1521 © Museu Nacional de Arte Antiga Lisbon Portugal Photo © Selva Bridgeman Images. Bildquelle Suermondt-Ludwig-Museum 2021

 

Dort erinnert nunmehr das Suermondt-Ludwig-Museum an die 500 Jahre zuvor erfolgten zwei Besuche des Renaissance-Künstlers mit der großartigen Schau „Dürer war hier. Eine Reise wird Legende“. Sie ist inhaltlich in drei Sektionen gegliedert: die Reise, die Kunst der Reise (Werke) und die Rezeption.
     Diese Ausstellung ist nicht nur wegen ihrer akribisch kuratierten und detailstark aufbereiteten Exponate ein Genuss.  Sie ist die erste Exposition, die umfangreich eine Reise Dürers aufzeichnet und die gleichzeitig ein kunst-, kultur- und gesellschaftshistorisches Panorama der von ihm besuchten Stationen ausbreitet. Und das ist überaus sehenswert!

Dabei standen die landeskundlichen und gesellschaftspolitischen Eindrücke für Dürer überhaupt nicht im Vordergrund. Dürer reiste nämlich nur aus einem Grund: Geld!
     Es war, wenn man so will, eine Geschäftsreise in eigener Sache, eine Marketingaktion, verbunden mit einem Geben und Nehmen. Geben hieß: Kunst, Komplimente und Gastgeschenke zu verteilen. Nehmen: Geld, Ovationen und Förderungen einheimsen.
     Was war nun der wirkliche Grund? Schnödes Verkaufen seiner in den Niederlanden bereits höchst populären Kupferstiche und Holzschnitte, im Stil eines „Kiepenkerls“ mit Kunst im Rucksack? Das konnte es nicht sein!
 
 

Albrecht Dürer Rastender Hund, 1520, © The Trustees of the British Museum Bildquelle Suermondt-Ludwig-Museum Aachen 2021

 
Die Sache war wesentlich höher aufgehängt. Es ging um eine ausstehende staatliche Apanage. Denn seit 1518 wurde Dürer ein kaiserliches Honorar in Höhe von 200 Gulden sowie, wohl weit wichtiger, eine ihm 1515 zugesprochene generöse Leibrente von jährlich 100 Gulden, vorenthalten.
     Somit handelte es sich um drohende Forderungsausfälle größeren Stils. Schließlich bemaß sich allein die Leibrente auf etwa das Doppelte des durchschnittlichen Jahressalärs (50 Gulden) eines Handwerkmeisters.
     Es war die Stadt Nürnberg, die Albrecht Dürer seit dem Tod seines Mäzens, Kaiser Maximilians I. zu Beginn des Jahres 1519, die Auszahlungen verweigerte. Die Stadt wollte erst wieder Gulden fließen lassen, wenn ein neuer Regent zustimmte. Und dieser, Karl V., wurde im Oktober 1520 in Aachen gekrönt.
 

Albrecht Dürer Aachener Dom und Katschhof, 1520 © The Trustees of the British Museum, Bildquelle Suermondt-Ludwig-Museum 2021

 
Am 7. Oktober 1520 traf Dürer anlässlich der Feierlichkeiten in Aachen ein. In den höfischen Kreisen um Margarete von Österreich, Regentin der Niederlande, sammelte er im Vorfeld Empfehlungen. Mit Erfolg: Kurz nach der Krönung hatte Dürer Honorar und Privileg wieder. So gesehen war der Abstecher nach Aachen ein Erfolg.
     Danach verbrachte er Monate in den Niederlanden, wo ihn nicht nur die renommierte Antwerpener Malergilde bereits wie einen Star empfangen hatte. Denn Dürer war der künstlerische Großmeister der Medienrevolution seiner Zeit. Mit seinen Druckgrafiken, versehen mit dem markanten AD-Monogramm, vertrieben über Messen und Handelswege, hat er die Kunstwelt erobert und sich auch in der Ferne einen Namen gemacht.
 

Albrecht Dürers Tagebuch der niederländischen Reise in einer Abschrift um circa 1620.  Foto © Staatsbibliothek Bamberg JH.Msc.Art.1#1 

 

Albrecht Dürer Bildnis des Bernhard van Reesen © bpk Staatliche Kunstsammlung Dresden Bildquelle Suermondt-Ludwig-Museum 2021

 

Der Meister verfasste seitenlange Notizen in einer Art Reise- und Rechnungsbuch. Er notierte, was er sah, welche Honoratioren, Edelleute und Geschäftspartner er traf, wie er und die Seinen – mit dabei Ehefrau und Wirtschaftsberaterin Agnes und Dienstmagd Suzanna – lebten und wohin sie sich begaben, schließlich was ihn begeisterte, beeindruckte aber auch betrübte.
     Ausgiebig, ja pedantisch, listete er auf, was das alles kostete. Und da ist man wieder beim Kernthema, dem Monetären. War er also ein Pfennigfuchser? Nicht unbedingt, eher ein kostenbewusster „Kulturtourist“.
     Ein Jahr auf Reise war auch damals ein sehr kostspieliges Unterfangen. Elf Gulden kostete schon allein eine Monatsmiete in Antwerpen. Dürer „bezahlte“ daher oft direkt mit Kunstwerken und Dienstleistungen. Das reichte von kleinen Halbfigurenporträts über einen Hausbauplan, Modedesign, bis zu Schmuck-, Siegel- und Wappenentwürfe.
 
Der reisende Dürer porträtierte sie so gut wie alle, wie es in der Ausstellung heißt: Diplomaten wie auch die „Expatriaten“ aus seiner Heimat, also die in den Niederlanden tätigen Nürnberger und Augsburger Handelsvertreter der Imhoffs und Fugger, ebenso die Welteroberer aus Portugal in der Feitoria de Flandres und die schwerreichen Kaufleute aus Italien. Und letztlich seine zahlreichen Gastgeber und Künstlerkollegen wie auch die „feine“ Habsburger Gesellschaft in den höfischen Kreisen um Margarete von Österreich.
 
Die Zeiten waren allerdings unruhig, Kolonisierung und Globalisierung setzen erste Zeichen. Dennoch blieb Dürers kleine Reisegruppe gut ein Jahr in der damals führenden Kunst- und Handelsmetropole Antwerpen.
     Von dort aus nahm er gezielt Besuche vor, so unter anderen in Brügge, Mechelen, Gent, Brüssel,´s-Hertogenbosch, Bergen op Zoom und Middelburg. An vielen dieser Orte wurde er künstlerisch tätig, vor allem zeichnerisch.
     Ein flächendeckendes Geschäftsgebaren mit System. Der Meister erkundete Marktverhältnisse und Verkaufschancen, pflegte Kontakte und suchte neue, im Gepäck ein Konvolut von eigenen Werken. Geschäftstüchtig nennt man sowas!
K2M

In der Ausstellung werden etwa 90 Meisterwerken Dürers ebenso vielen Top-Werken von Zeitgenossen und Nachfolgern zur Seite gestellt – Künstler, die er auf seiner Reise traf oder die er mit seiner Tour und seiner Kunst inspirierte. Darunter Quinten Massys, Joos van Cleve, Lucas van Leyden, Jan Gossart, Bernard van Orley, Marinus van Reymerswale, Dirk Vellert, Jan Mostaert, Conrad Meit, Hans Hoffmann, Lucas Cranach d. Ä., Hans Holbein d. J. und Jan Brueghel d. Ä.
 
  Original-Blätter der Reisebuch-Abschrift (die Urfassung ging verloren) aus dem Staatsarchiv Nürnberg sowie historische Dokumente machen die Schau zu einem spannenden kunst-, kultur- und gesellschaftshistorischen Reisebericht. Es sind die frühesten überlieferten, von einem bildenden Künstler selbst beschriebenen Reisennotizen.

  Die Ausstellung ist Teil der Trilogie „Dürer – Karl V. – Aachen“ unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Die Ausstellung Dürer war hier. Eine Reise wird Legende endet am 24.10.2021.
Suermondt-Ludwig-Museum
Wilhelmstraße 18
52070 Aachen
Tel. 0241 / 47980-40
Sonderöffnungszeiten für „Dürer war hier“
DI – S0 10 – 18 Uhr
DO 10 – 20 Uhr

 


 

 

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