rheinische ART
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rheinische ART 06/2024

FOTOGRAFIE
Chronist der deutschen Seele?


Oder Dokumentar gesellschaftlicher Entwicklungen, stiller Orte wie auch nationaler Sonderheiten? Der Fotograf Dirk Reinartz (1947–2004) war bemerkenswert vielseitig.

 

Dirk Reinartz Ohne Titel, aus der Serie Kein schöner Land, alte Jakobstraße, Berlin-Kreuzberg 1978-1987, Foto © Deutsche Fotothek + Stiftung F.C. Gundlach/ Dirk Reinartz. Bildquelle © LVR LandesMuseum Bonn 2024

 

Eine große Retrospektive im Bonner LVR Landesmuseum widmet sich derzeit dem fotografischen Nachlass des Bildjournalisten.

     Der gebürtige Aachener hat ein überaus umfangreiches Foto-Konvolut hinterlassen. Es umfasst rund 10 000 Prints, etwa 370 000 Negative und über 100 000 Dias sowie Archivalien zu Leben und Werk.

     Alles wurde von der Deutschen Fotothek (Dresden) und der Stiftung F.C. Gundlach (Hamburg) aus Familienbesitz übernommen und aufgearbeitet. Beide Institutionen haben eine Neusichtung von Reinartz´ Werk vorgenommen und gemeinsam mit dem Landesmuseum des LVR nun den Rückblick ermöglicht.

 

Dirk Reinartz Ohne Titel, Hamburg, 1981. Aus der Reportage Was ist Schönheit?  Foto © Deutsche Fotothek + Stiftung F.C. Gundlach / Dirk Reinartz. Bildquelle © LVR LandesMuseum Bonn 2024

 

Dirk Reinartz Ohne Titel, New York, 1974, Foto © Deutsche Fotothek + Stiftung F.C. Gundlach / Dirk Reinartz. Bildquelle © LVR LandesMuseum Bonn 2024

 

Das Besondere an dieser Ausstellung: Sie enthält eine Fülle bislang nicht veröffentlichter Materialien aus dem Nachlass von Dirk Reinartz und präsentiert somit viel Neues.

     Dies ermöglicht eine Übersicht über sein journalistisches Wirken und die Entstehung seiner Bildwerke und bekannten Fotobücher.


Dirk Reinartz studierte in den frühen 1970er Jahren an der Folkwangschule für Gestaltung Essen bei Otto Steinert (mehr). Gleichzeitig begann er, für die Illustrierte STERN zu arbeiten. Für die Hamburger Wochenzeitung reiste er weltweit und lieferte zahlreiche Foto-Reportagen; unter anderen aus den Vereinigten Staaten.

     1977 schloss er sich der Hamburger Fotoagentur VISUM an, einem kooperativ organisierten Lieferanten für Pressefotografien. Die Agentur hatten Reinartz´ ehemalige Kommilitonen André Gelpke, Gerd Ludwig und Rudi Meisel zwei Jahre zuvor in Essen gegründet.

     Der Aachener blieb jedoch im Wesentlichen selbstständig und arbeitete von seinem Standort in Buxtehude ab 1981 als freier Bildjournalist für verschiedene Medien. Seine Reportagen erschienen neben dem STERN in zahlreichen weiteren Zeitschriften und Magazinen wie unter anderen in Merian und insbesondere im ZEITmagazin sowie in zahlreichen Heften des Kunstmagazins ART.

     Ab den 1980er Jahren begleitete er eng den US-amerikanischen Bildhauer Richard Serra (1938- 2024, mehr) und dokumentierte dessen schöpferische Tätigkeit. Von 1998 bis zu seinem Tod 2004 lehrte Reinartz ferner Fotografie an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel.

 

Dirk Reinartz Bismarckdenkmal, Goslar, 1989, aus der Serie Bismarck. Vom Verrat der Denkmäler. Foto © Deutsche Fotothek + Stiftung F.C. Gundlach/ Dirk Reinartz. Bildquelle © LVR LandesMuseum Bonn 2024

 

Wie heute rückblickend immer wieder betont wird, setzte sich Reinartz in seinem Werk besonders mit Deutschland und den Deutschen auseinander. Dabei ging es ihm „um den Alltag der Menschen“, um die deutsche Identität mit ihren Widersprüchen und Brüchen, „ihre historische Verankerung und Neuorientierung nach 1989“, wie die Aussteller betonen.

     Unter diesem speziell deutschen Blick ragt seine Arbeit "Totenstill" heraus, in der er sich mit den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten beschäftigte.

     Reinartz´ Fotografien wurden in mehreren Fotobüchern publiziert. Während das 1989 erschienene „Kein schöner Land” aus Archivmaterial zusammengestellt wurde – wie auch der Bildband „Künstler” (1992), in den seine Fotografien für das ART-Magazin eingingen – gelten die Fotowerke „Bismarck. Vom Verrat der Denkmäler” (1991), „Totenstill” (1994), „Deutschland durch die Bank” (1997) oder „Innere Angelegenheiten” (2003) als konzeptuell angelegte Projekte.

 

Dirk Reinartz Selbstportrait, November 1995 © Deutsche Fotothek + Stiftung F.C. Gundlach / Dirk Reinartz. Foto © Deutsche Fotothek+Stiftung F.C. Gundlach/ Dirk Reinartz. Bildquelle © LVR LandesMuseum Bonn 2024

  

In diesen Publikationen, zu denen auch die posthum erschienenen Fotobücher „New York 1974” (2010) und „Hamburg – St. Georg” (2007) gerechnet werden, wird deutlich, was Dirk Reinartz´ bildjournalistische Fotografien so auszeichnet und sehenswert macht. Es ist die höchst präzise Bildsprache und es sind die klugen Kompositionen, mit denen er Situationen durchleuchtet und mit denen er als Fotograf offen legt, „was ihnen historisch, gesellschaftlich oder politisch“ eigen ist. Es ist Fotografie der Spitzenklasse.
cpw


 In dem Bildband „Bismarck. Vom Verrat der Denkmäler” von 1989 gelang es Reinartz auf subtile Art und Weise, die Wechselwirkung zwischen den Bismarck-Denkmälern und ihrer Umgebung zu veranschaulichen. An manchen Stellen, so heißt es, wirkten diese weit verbreiteten historischen Zeugnisse deplatziert oder gar skurril. Es komme daher häufig zu einer Verfremdung des Objekts und dem Verlust seines Symbolwerts im heutigen Bewusstsein. In diesem Sinne können die Bismarck-Fotografien als Anreiz dienen, den Umgang mit Kulturgut innerhalb des öffentlichen Raumes kritisch zu reflektieren.


► Die Ausstellung präsentiert Dirk Reinartz nicht nur als herausragenden Fotografen. Anhand der bislang unveröffentlichten Materialien werden auch sein journalistisches Wirken und die Werkgenesen der Fotobücher anschaulich vermittelt und gewürdigt. Die Bestände sind bereits jetzt jeweils online recherchierbar über:

• Deutsche Fotothek: www.slubdd.de/reinartz 

• Stiftung F.C. Gundlach: www.fcgundlach.de/de/dirk-reinartz-archiv

 

Die Ausstellung Dirk Reinartz. Fotografieren, was ist wird bis zum 15. September 2024 gezeigt.
LVR-LandesMuseum Bonn
Colmantstraße 14-16
53115 Bonn
Tel. 0228 / 2070351
Öffnungszeiten
DI – SO 11.00 – 18.00 Uhr

 
 

 

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