Archiv 2015
DIE SÜNDIGE SEITE ROMS
Elend und Laster im Barock
Während die überbordende Pracht und Strahlkraft Roms im Seicento, der Glanz der "Ewigen Stadt" im barocken 17. Jahrhundert, häufig nicht minder prachtvoll in Szene gesetzt wurde und wird, erfährt die andere Seite Roms, ihre lasterhafte, üble Unterwelt jener Zeit, kaum Beachtung.
Ausschnitt aus: Bartolomeo Manfredi Bacchus und ein Trinker (Bacchus and a drinker), circa 1621, Oil on canvas, 132 x 96 cm, Foto Petit Palais/ Rome, Galleria Nazionale di Arte Antica in Palazzo Barberini, © Soprintendenza Speciale per il Patrimonio Storico, Artistico ed Etnoantropologico e per il Pollo Museale della città di Roma |
Das gemeine, rohe und vulgäre Rom mit seinen Elendsvierteln war die Bühne für Betrüger, Trinker, Kurtisanen, Wahrsager und sonstiges zwielichtiges Volk.
Grund genug also, diese "Schattenseite" eher zu negieren, weil mit ihr kein Staat zu machen ist, als in den Blickpunkt zu rücken. Doch auch dieses Rom hatte seine Anhänger und Beobachter und es gab im barocken Zeitalter gar nicht mal wenige Künstler, die sich diesem Milieu - vermutlich durchaus genußvoll - widmeten, in ihm Zeitvertreib und Anregung suchten und ihre Sujets auf Leinwand bannten.
Pieter Boddingh van Laer Selbstbildnis in einer magischen Szene (Self-portrait in a magic scene), circa 1638-1639, Oil on canvas, 78,8 x 112,8 cm, Foto Petit Palais © Courtesy The Leiden Collection, New York. |
Dieses ungewöhnliche Thema zeigt eine Ausstellung im Pariser Petit Palais. Unter dem Titel „Die Niederungen des Barocks. Das Rom der Laster und des Elends“ (Le bas-fonds du baroque - La rome du vice et de la misère“) werden 70 Werke namhafter Malern präsentiert. Den Besucher erwartet eine Kollektion von Bildern aus einer Welt, in der Genuß, Ausschweifung und Triebhaftigkeit allgegenwärtig sind. „Wir wagen einen Blick hinter die Kulissen des glanzvollen Roms des 17. Jahrhunderts“, so umreißt denn auch Kuratorin Annick Lemoine den Kern der Ausstellung.
Theodoor Rombouts Die Schlägerei (The Brawl), 1620-1630, Oil on canvas, 150 x 241 cm, Foto Petit Palais © Statens Museum for Kunst, Copenhagen |
Rom von unten Es ist eine ungeheure, gewalttätige Welt, die sich da in der heiligen Papststadt auftut. Eine Welt, die so gar nicht päpstlich ist. Saufgelage, Spielsucht, Hurerei und Orgien, es ist alles vertreten, was sich ein Bourgeois unter sündigen Exzessen in der Unter- und und Halbwelt vorstellt. Doch trotz Laster und Armut, die in Rom wie in anderen Großstädten während des Barocks herrschten, erlebte die Stadt am Tiber eine außerordentlich fruchtbare künstlerische Zeit.
Giovanni Lanfranco Junger Mann nackt auf einem Bett mit einer Katze (Jeune homme nu au chat sur un lit), 1620-1622, Oil on canvas, 60 x 113 cm, Foto Petit Palais / Walpole Gallery, London © Soprintendenz pro BAPSAE die Provinz di Lucca und Massa Carrara / Archivio fotografico
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Magnet Rom Rom war das kulturelle und lebhafteste Zentrum Europas. Italienische, französische, holländische, flämische und spanische Künstler kamen in die Hauptstadt der Künste, um ihr kreatives Schaffen zu bereichern.
Auf dem musealen Parcours durch das Rom der Niederungen begegnet man vielen Künstlern aus Regionen nördlich der Alpen, von Rom angezogen wie ein Magnet. Sie waren, so wie Pieter Boddingh van Laer, in einer Art Bruderschaft oder Künstlerclique wie den „Bentvueghels“ vereinigt, einer 1620 in Rom von flämischen und dänischen Malern gegründeten Künstlervereinigung. Sie verehrten Bacchus und widmeten dem Weingott ausschweifende Rituale, - heute würde man sagen "Sauffeste" - wie das Petit Palais in seiner Inszenierung zeigt.
Die Schau vereinigt Werke namhaften Maler der Epoche, darunter Claude Gelée, bekannt als Claude Le Lorrain, Valentin de Bologne, Jusepe Ribera, Nicolas Régnier, Salvator Rosa, Giovanni Lanfranco oder Theodoor Rombouts aus Antwerpen, der im Kreis der „Bentvueghels“ verkehrte.
Anonymous circle of Bartolomeo Manfredi Man making the fig sign (Homme faisant le geste de la fica) ca. 1615-1625, Oil on canvas, 51 x 39 cm, Foto Petit Palais © Archivo fotografico Soprintendenza per i Beni Architettonici, Paesaggistici, Storici, Artistici ed Etnoantropologici per le province di Lucca e Massa Carrara
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Caravaggisten Man kannte sich untereinander, wie etwa die Schüler von Bartolomeo Manfredi, Régnier und de Bologne, die beide in der Nachfolge des Frühbarockmeisters Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610) und dessen Nachahmer Manfredi malten und zu den sogenannte Caravaggisten gerechnet werden.
Wie überhaupt Caravaggios neue realistische Bildgestaltung auf viele Zeitgenossen großen Einfluss ausübte. Das Neuartige war zum einen seine Verknüpfung von Sakralem und Profanem, und damit eine neue Interpretation christlicher Themen. Zum anderen seine innovative Technik. Caravaggio, der häufig als „Archetyp“ des verruchten, wilden Künstlers bezeichnet wird, sorgte mit seiner Licht-Schatten-Malerei - dem Chiaroscuro - für eine der bedeutendsten Neuerungen in der Barockmalerei, die sich als Gestaltungselement in zahlreichen Werken von Malern jenes Jahrhunderts findet.
In der Pariser Schau lassen sich diese stilistischen Einflüsse des Chiaroscuro deutlich in den Genreszenen aus dem Tavernen-, Spielhöhlen- und Spelunkenmilieu ausmachen. Meister in dieser starke dramatische Effekte und ausdrucksvolle Stimmungen erzeugende Malerei jener Epoche waren auch die großen Barockmaler Peter Paul Rubens, Francisco de Zurbarán (mehr) und Diego Velazquez (mehr).
► Die Exposition wurde in Kooperation mit der "Accademia di Francia" erstellt und bereits vorher in der Villa Medici zu Rom gezeigt. Die Exponate stammen von privaten Leihgebern und Museen, darunter die National Gallery London, das Nationalmuseum Stockholm, die National Gallery of Ireland, der Louvre, die Galerie Borghèse, Palazzo Barberini und das Rijksmuseum in Amsterdam.
K2M/bra
Die Ausstellung „Le bas-fonds du baroque - La rome du vice et de la misère“ (Die Niederungen des Barocks. Das Rom der Laster und des Elends) wird bis zum 24. Mai 2015 gezeigt.
Petit Palais
Museum der Schönen Künste der Stadt Paris
Avenue Winston Churchill
75008 Paris
Tel. 01 53 43 40 00
Öffnungszeiten
DI - SO 10-18 Uhr