Achiv 2014
CAMILLE PISSARRO
Kraftzentrum des Impressionismus
Erst Renoir, dann Monet und Sisley, dazwischen Pierre Bonnard: Die Impressionisten erfahren im Wuppertaler Von der Heydt-Museum eine besondere Aufmerksamkeit. Aktuell präsentiert das Haus Camille Pissarro, den „Vater des Impressionismus“, in einer Werkschau.
Camille Pissarro Zwei Frauen am Meer in ein Gespräch vertieft, St. Thomas, 1856 © National Gallery of Art, Washington |
Anhand von 170 Werken, darunter 61 Graphiken, zeichnet das Museum die künstlerische Entwicklung des Malers Camille Pissarro (1830 – 1903) nach - von seinen ersten Werken, die er in Südamerika schuf, bis hin zu den letzten Bildern, die er in Paris und an der Küste der Normandie malte.
Gleichzeitig beleuchtet die Ausstellung seinen Lebensweg und macht dabei eines deutlich: Pissarro hat sich weder durch bittere Armut noch von Widerständen – und davon gab es genug in seinem Leben - von seinem Weg abbringen lassen. Im Gegenteil: Mit einer unbeirrbaren Konsequenz hat er für seine künstlerische Überzeugung gelebt.
Camille Pissarro Bäuerin mit Kuh, 1883 © Von der Heydt-Museum Wuppertal/Antje Zeis-Loi
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Maler werden Als der auf der Antilleninsel St. Thomas geborene Pissarro seinen Beruf als Kaufmann im elterlichen Betrieb aufgab um Maler zu werden, war er sich der Tragweite seiner Entscheidung durchaus bewusst: „Ich war in St. Thomas ein gut bezahlter Kaufmannsangestellter. Aber ich konnte es nicht ausstehen, deshalb habe ich … alles hinter mir gelassen und bin nach Caracas geflohen, um die Fesseln zu sprengen, die mich an ein bürgerliches Leben banden“, schrieb er später an einen Freund.
Drei Jahre sollte er in Venezuela als Künstler leben, bevor er mit 25 Jahren nach Paris reiste, um dort Kunst zu studieren. Doch das Studium der Schönen Künste enttäuschte ihn: Mit der von der Académie und der Ecole des Beaux-Arts (mehr) vorgeschriebenen klassizistischen Doktrin und der obligatorischen historischen Ikonographie mochte sich der junge Mann, der „draußen“ zeichnete und malte, kaum anfreunden. Bereits der junge Pissarro hatte schon die Natur zu seiner entscheidenden Lehrmeisterin erhoben.
Camille Pissarro Der Gärtner, 1899 © Staatsgalerie Stuttgart
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Corot als Lehrmeister Wie eine Offenbarung müssen ihm da die Landschaftsgemälde von Camille Corot erschienen sein, die er 1855, im Jahr seiner Ankunft in Paris, auf der Weltausstellung entdeckte. Entschlossen eignete sich Pissarro zunächst die Errungenschaften von Corot und Courbet an und malte Landschaften in der eher dunklen Art der Schule von Barbizon. In den späten 1860er Jahren fand Pissarro dann zu einer neuartigen leuchtenden Farbigkeit, seine Palette hellte sich deutlich auf und seine Pinselstriche wurden kürzer und präziser. Zusammen mit Renoir, Monet und Sisley (mehr) schuf er die ersten Meilensteine des Impressionismus.
Dass Pissarro durchaus experimentierfreudig war, macht die Schau ebenfalls deutlich: Er trat mit Cézanne in einen fruchtbaren Dialog, indem er Landschaften und Gebäude als kubische Formen auffasste; er setzte sich in den 1880er Jahren mit den Ideen des Pointillismus auseinander, um sie später wieder zu verwerfen, und er verarbeitete die Stilmittel japanischer Farbholzschnitte. Seinen Motiven aber blieb er treu: den vibrierenden Landschaften in ihren atmosphärischen Lichtfarben, den idyllischen Landstraßen und dörflichen Szenen.
Vater des Impressionismus Heute gilt Pissarro als der „Vater des Impressionismus“. Er war es, der die Gruppe so heterogener Künstler wie Degas, Monet und Sisley bis hin zu Cézanne, Gauguin und van Gogh mit all ihren unterschiedlichen künstlerischen Ansätzen über Jahre hinweg zusammenhielt, motivierte und zu gemeinsamen Impressionisten-Ausstellungen bewog. Bekanntlich waren die Ausstellungen nicht von Erfolg gekrönt; die Kritiker sparten nicht mit Häme, vom Publikum wurden Künstler wie Gemälde abgelehnt.
Pissarro in seinem Atelier in Eragny © Musée Camille Pissarro, Pontoise |
Das Pariser Publikum hat Pissarro lange seine Gunst verwehrt. In der Tat war das Interesse privater Sammler an seinen impressionistischen Landschaften eher spärlich und die Zeit noch nicht reif für die atmosphärischen Stimmungen und vibrierenden Farben in seinen Gemälden. Ein Augenleiden in den 1890er Jahren zwang ihn, das Malen in der freien Natur aufzugeben. Das Licht, Nahrung und künstlerischer Impulsgeber eines jeden Impressionisten, vertrug Pissarro nicht mehr. Auch aus dieser Not machte er eine Tugend: Er mietete sich in Rouen und Paris in Hotels ein und malte aus den Innenräumen heraus das pulsierende Leben der Großstädte (mehr). Erst mit diesen „Stadtlandschaften", den Abbildern des als modern empfundenen Lebens, traf er den Geschmack des Pariser Großbürgertums.
Camille Pissarro Die Avenue de l‘Opéra oder Place du Théâtre Francais, 1898 © Musée des Beaux-Arts, Reims/Giraudon/The Bridgeman Art Library |
Interesse am Anarchismus Im Spiegel seines druckgrafischen Œuvres beschäftigt sich die Schau noch mit einem weiteren Aspekt: Mit der politischen Gesinnung des Malers. Als Sozialist und Anarchist blieb Pissarro lebenslang ein Sympathisant der Bauern und kleinen Leute. Während er jedoch in seinen Gemälden jegliche Sozialkritik vermied, thematisierte er in seiner Druckgraphik die schwere Bürde der Feldarbeit. Seine gesellschaftskritischen Zeichnungen stellte er auch anarchistischen Zeitungen zur Verfügung.
Mit seiner Familie hat er lange in ärmlichen Verhältnissen gelebt, der monetäre künstlerische Erfolg ereilte ihn nicht allzu oft. Noch 1887 klagte Pissarros Frau Julie in einem Brief an ihren ältesten Sohn Lucien, dass sie nicht mehr wisse, wie sie ihre Kinder satt bekommen solle: „Ich bin am Ende meiner Kraft und habe … keinen Mut mehr.“ Erst in den 1890er Jahren, als sein Kunsthändler Paul Durand-Ruel in New York erfolgreich die Gemälde der Impressionisten verkaufen konnte, gelangte Pissarro zu einem bescheidenen Wohlstand und vermochte von seinen Gemälden zu leben. Er starb im November 1903 an einer Blutvergiftung. Die spätere Anerkennung seiner Werke hat er nicht mehr erlebt.
► Museumsdirektor und Kurator Gerhard Finckh hat in der Schau die Werke Pissarros den großartigen Gemälden seiner Weggefährten wie Courbet, Corot, Cézanne, Manet, Monet, Gauguin und van Gogh bis hin zu den Pointilisten gegenübergestellt. Damit werden die Verdienste Pissarros in einer kunsthistorisch aufregenden Epoche gewürdigt.
Marion Lisken-Pruss
Die Ausstellung „Pissarro. Der Vater des Impressionismus“ ist bis zum 22. Februar 2015 zu sehen.
Von der Heydt-Museum
Turmhof 8
42103 Wuppertal
Tel. 0202 / 563-6231
Öffnungszeiten
DI + MI 11 - 18 Uhr
DO + FR 11 - 20 Uhr
SA + SO 10 - 18 Uhr