Archiv 2017
DER BÖSE BLICK
Dix in Düsseldorf
Es ist Dix-Jahr und der berühmte Meister wird gleich an vier Orten gefeiert. Frankfurt am Main, Friedrichshafen am Bodensee, seine Thüringische Geburtsstadt Gera und Düsseldorf würdigen Otto Dix anlässlich des 125. Geburtstages mit oder - wie im Frankfurter Städel Museum - in einer Ausstellung.
Otto Dix Liegende auf Leopardenfell (Detail), 1927, Öl auf Tafel, 68 x 98 cm, Herbert F. Johnson Museum of Art, Ithaca, NY © VG Bild-Kunst, Bonn 2016. Foto © Kunstsammlung NRW. „Nun ist nicht nur die Form, sondern auch die Farbe von größter Wichtigkeit und ein Mittel, das Individuelle auszudrücken. Jeder Mensch hat seine ganz spezielle Farbe, die sich auf dem ganzen Bild auswirkt.“ Otto Dix 1961 |
In Düsseldorf titelt die Dix-Sonderschau „Der böse Blick“. Sie befasst sich vorrangig mit jener über drei Jahre währenden Phase des Malers, die er in Düsseldorf an der Kunstakademie, als Mitglied des Künstlerkreises Das Junge Rheinland und im Umfeld der legendären Galeristin „Mutter Ey“ (mehr) verbrachte.
Düsseldorf war nicht irgendeine Station in der Karriere des Malers Otto Dix (1891-1969). Es war genau betrachtet eine der entscheidendsten in seinen Schaffensjahren. Nach einem ersten Besuch der Stadt im Jahr 1921, bei dem der zwar nicht gänzlich namen- aber doch ziemlich mittellose Dix im Wesentlichen seine Verkaufs- und Marktchancen als Maler auslotete, zog er im Herbst 1922 in die Künstlerstadt am Rhein, die damals ein Hotspot der Avantgarde war, und blieb bis zum November 1925.
Otto Dix Bildnis der Tänzerin Anita Berber, 1925, Öl und Tempera auf Sperrholz, Sammlung Landesbank Baden-Württemberg im Kunstmuseum Stuttgart. © VG Bild-Kunst Bonn 2016 © Kunstmuseum Stuttgart. Foto © Kunstsammlung NRW.
Otto Dix Bildnis Frau Martha Dix, 1923, Kunstmuseum Stuttgart, Geschenk der Landesbank Baden Württemberg, © VG Bild-Kunst, Bonn 2012 Foto © Kunstmuseum Stuttgart
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Otto Dix verdankt Düsseldorf viel. Denn hier begann seine eigentliche Karriere als Maler. Hier entwickelte er seine kritische künstlerische Handschrift, die ihn, wie die Kunstsammlung betont, in der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts unverkennbar macht.
Der ehrgeizige Maler arbeitete offenbar in seiner rheinischen Zeit unablässig und wandelte sich vom expressiv-veristischen Dada-Verfechter (mehr) zum neusachlichen Portraitisten, „der seine Mitmenschen schonungslos im Bild fixierte“ (Kunstsammlung).
Otto Dix´ Werke aus jenen Jahren sind einzigartige Zeugnisse vom Glanz und Elend der sogenannten „Goldenen Zwanziger“, die sich politisch mit der Weimarer Republik decken und gesellschaftlich eine Zeit der Extreme waren. Der Maler Dix fasste sie als Chronist in bestechende wie radikale Gemälde und Grafiken, die damals durchaus als skandalös galten. Scheute der Künstler sich doch nicht, seine Sujets ähnlich einem Karikaturisten zu pointieren.
Sein Œuvre jener Jahre fokussiert den Blick des Betrachters wie ein Kaleidoskop: es ist voll von Prostituierten, Halbseidenen, Krüppeln, Witwen und Versehrten, aber auch von milden Auftragsportraits derer, die ihn dafür bezahlten. Seine Gemälde machten ihn namhaft - wenn er auch als Bürgerschreck, tanz- und lebensfreudiger Dandy, pöbelnder Prolet oder Justizfall galt - und brachten ihm materielle Sicherheit. Und dafür war Dix letztlich an den Rhein gekommen.
Er sei als unbekannter Akademieschüler aus Dresden nach Düsseldorf gereist, so die Wirtschaftszeitung Handelsblatt 2011 anlässlich des Auffindens dreier Dix-Aquarelle durch die örtlichen Galeristen Remmert und Barth, und als erfolgreicher Maler habe er die Rheinmetropole verlassen – und mit ihm ging Martha, die Ehefrau seines Sammlers Hans Koch. Der Urologe und Kunstmäzen hatte generös per Scheidung den Weg für die Liebe zwischen Martha und Otto frei gemacht. Schließlich war er selbst mit der Schwester Marthas liiert, es kam also nicht ungelegen. Aber dies und eine vorherige pikante ménage à trois sind eine andere Geschichte.
Auf jeden Fall: Die Jahre, die Otto Dix am Rhein verbrachte, markieren nicht nur seinen künstlerischen Erfolg als Protagonist der Neuen Sachlichkeit, sondern eben auch sein privates Glück. Gleichwohl gilt, dass Dix persönlich auch viele Extremsituationen durchlebte. Die Schrecken des Ersten Weltkriegs, die er als Frontsoldat erfahren hatte und die nur wenige Jahre zurücklagen, verarbeitete er auch in Düsseldorf (mehr). So etwa in dem radikal-realisitischen und bestürzenden Radierzyklus Der Krieg von 1924 - den das K20 ebenfalls zeigt - oder in dem Hauptwerk Schützengraben (1923). Letzteres gilt als verschollen und ist als Reproduktion in beeindruckender Originalgröße in der Ausstellung zu sehen.
Otto Dix Der Schützengraben, 1923, verschollen, Reproduktion in Originalmaßen. In Dresden begonnen, vollendete Dix in Düsseldorf dieses bedeutende Bild. Sein Ankauf durch das Kölner Wallraf-Richartz-Museum löste einen Skandal aus. Bürgermeister Konrad Adenauer und die Kölnische Zeitung forderten die Entfernung und die Rückgabe an den Berliner Galeristen Karl Nierendorf. Foto © rART 2017 |
Otto Dix Der Kunsthändler Alfred Flechtheim, 1926, Staatliche Museen zu Berlin , Nationalgalerie. Flechtheim betrieb Galerien in Düsseldorf und Berlin und setzte sich für Künstler wie Klee, Grosz und Beckmann ein. Nicht jedoch für Dix, von dem er nicht eines seiner Werke im Programm hatte. Vermutlich aus Enttäuschung darüber fertigte Dix ohne Auftrag das unvorteilhafte Portrait von Flechtheim (mehr). Foto © rART 2017 |
Es folgten mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus zwölf Jahre der Diffamierung als ‚entarteter‘ Künstler, sein Rückzug in die innere Emigration und 1933 an den Bodensee, wo er bis zu seinem Tod 1969 lebte, und wo im Wesentlichen sein landschaftsbildlich geprägtes Spätwerk entstand.
Seine wahrlich unverkennbaren Arbeiten sind jedoch jene Werke, die ab 1925 mit dem Etikett Neue Sachlichkeit versehen wurden. Eine unverschleierte, illusionslose Kunst, ein engagierter wie auch ambivalenter Realismus, dessen Sachlichkeit in der Typisierung der Menschen gipfelte, oft übertrieben, bösartig und hässlich - gesehen eben mit dem bösen Blick!
Jahrelang pendelte Dix zwischen seiner Bleibe am Bodensee und Dresden über die innerdeutsche Grenze, womit er zum exemplarischen deutsch-deutschen Künstler avancierte. Dix 1963 zu dieser Rolle: „Ich mal´ weder für die noch für die… Aber ich mach´s. Weil ich weiß, so ist das gewesen und nicht anders.“
Otto Dix Der heilige Christophorus Bilderbuch für Hana, Blatt 6 (Kat.−Nr. 7/6) Foto © Galerie Remmert und Barth Düsseldorf 2016
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Um die Entwicklung des „bösen Blicks“ bei Otto Dix zu verfolgen, so Kuratorin Susanne Meyer-Büser, werden nicht nur die Werke aus den intensiven Jahren im Rheinland vorgestellt. Die Ausstellung geht darüber hinaus und versucht, die Entwicklung des Künstlers bis zum Beginn des „Drittes Reichs“ und seiner inneren Emigration in ihrer Gesamtheit zu betrachten.
Gezeigt wird in diesem Zusammenhang auch das erst letztjährig aufgetauchte, großformatige und farbstarke Aquarell-Album von Dix, das als „Bilderbuch für Hana“ (mehr) bekannt geworden ist. Die Ausstellung geht ferner Fragen nach den Zusammenhängen von individueller künstlerischer Produktivität, ästhetischen und gesellschaftlichen Aspekten, dem Einfluss von Unterstützern sowie finanzieller und privater Stabilität nach.
rART/cpw
Die Ausstellung „Otto Dix – Der böse Blick“ kann bis zum 14. Mai 2017 (verlängert bis 28. Mai 2017) besucht werden.
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
K20 Grabbeplatz
Grabbeplatz 5
40213 Düsseldorf
Tel 0211 – 8381 – 204
Öffnungszeiten
DI-FR 10 – 18 Uhr
SA, SO 11 – 18 Uhr
Zitierquelle von 1963: Otto Dix Stiftung, Vaduz
Weitere Ausstellungen:
► Zeichenkunst mit Silberstift
Otto-Dix-Ausstellung
Kunstmuseum Gera – Orangerie
bis zum 12. März 2017
► Geschlechterkampf
Ausstellung im Städel Museum Frankfurt a.M.
bis 19. März 2017
► Otto Dix – Alles muss ich sehen!
Zeppelin Museum
Friedrichshafen am Bodensee
bis zum 17. April 2017
►Otto Dix: The Evil Eye
Tate Liverpool
Albert Dock
Liverpool Waterfront
23. Juni - 15. Oktober 2017