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rheinische ART 12/2011

Archiv 2011: aus "Kunst erleben"

Alfred Sisley – Kostbarkeiten des Impressionismus

 

 

Den Himmel zuerst

 

 

1872, Le Pont de Villeneuve-La-Garenne
New York, Metropolitan Museum of Art
© Foto: bpk / The Metropolitan Museum of Art / Malcolm Varon

  

1879, La Seine à Billancourt
Kunsthalle Hamburg © Foto: Hamburg, Germany/ The Bridgeman Art Library

 

1884, Le canal du Loing
Von der Heydt-Museum Wuppertal

© Von der Heydt-Museum

  

1897, La rade de Cardiff, (Bateaux dans la Baie de Cardiff)
Reims, Musée des Beaux-Arts de Reims
© Foto: C. Devleeschauwer /Musée des Beaux-Arts de la Ville de Reims

 

Licht, Himmel und Wasser faszinierten ihn ein ganzes Künstlerleben lang. Einem Sammler erklärte Alfred Sisley (1839-1899) einmal, er begänne seine Ölgemälde immer mit dem Himmel, weil der für ihn so wichtig sei – wie ein Schlüssel zur Landschaft. Lichtgetränkte (Wasser-)Landschaften mit großartigen Himmelsszenen des englisch-französischen Impressionisten sind jetzt im Wuppertaler Von der Heydt-Museum zu sehen. Es ist die erste Retrospektive dieses wichtigen Malers in Deutschland – eine Ausstellung der Sonderklasse.

 

ES GIBT Sisley-Biographien, in denen er, der durchweg als schüchtern, zurückhaltend und spröde beschrieben wird, in seiner Rolle als früher Impressionist und Landschaftsmaler zwar als berühmt, nicht jedoch als bekannt bewertet wird.

   Und in der Tat: Sowohl zu Lebzeiten als auch nach seinem Tod erlangte Sisley nie die künstlerische Beachtung, die die Kunstwelt ihm angesichts seiner prächtigen Werke und Stiltreue hätte zugestehen können. Die großen Schauen der Impressionisten leben von den großen Namen: Malergiganten und Sisley-Zeitgenossen wie Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Camille Pissarro. Sie alle ihm persönlich bekannt, freundschaftlich zugetan und durchaus mit Anerkennung nicht sparend. Sie alle überlebten ihn indes auch deutlich. Sein früher Krebstod mit 59 Jahren, seine enge künstlerische Ausrichtung auf die impressionistische Landschaftsmalerei - die ihn heute als den „wahren“ Vertreter dieser Stilrichtung erscheinen lassen -, kleinformatige gleichwohl zauberhafte Bilder, die kaum Menschen zeigen und ebenso selten Gebäude - im Kreis der impressionistischen Top-Stars wurde ihm damit oft nur eine ergänzende Rolle zugewiesen. Ein reiner Landschaftsmaler, der seine Eindrücke unter freiem Himmel und an Ort und Stelle nuanciert und harmonisch auf die Leinwand brachte. Ein Meister der getreuen Wiedergabe flüchtiger Momente.

 

Kompletter Überblick

 

Sisley hat nach Werksverzeichnis 884 Gemälde geschaffen. Die Wuppertaler Schau, die Alfred Sisley als den „wahren Impressionisten“ feiert, zeigt 80 hochrangige Gemälde und 15 Zeichnungen auf Papier. Sie stammen von annähernd ebenso vielen internationalen öffentlichen Kollektionen und privaten Sammlern. Denn Wuppertal kann lediglich nur ein Werk des „Lyrikers unter den Impressionisten“ - so Museumsdirektor Gerhard Finckh - sein eigen nennen: Eine Ansicht des Canal du Loing von 1884.

   Einige Bilder werden im Von der Heydt-Museum erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dem Besucher wird ein kompletter Überblick der Sisley´schen Schaffensperioden geboten. Die chronologisch in Kabinetten bzw. Räumen geordnete Werkschau erfasst den Zeitraum 1865 bis 1897.

   Zu sehen sind erste Arbeiten, die noch geprägt sind von der sog. Schule von Barbizon, dem Dorf am Rande des Forêt de Fontainebleau, in dem die malerischen und theoretischen Grundlagen des Impressionismus gelegt wurden. Daneben in einem eigenen Museumsraum jene Gemälde, die Sisley´s Hinwendung zum Impressionismus markieren: die atmosphärisch dichten, schimmernden und flirrenden Licht-Wasser-Bilder aus dem Flussmilieu von Seine und Loing wie Überschwemmung in Port Marly (1876), Kahn bei Hochwasser (1877) oder die flüchtigen Schnee- und Nebellandschaften wie etwa Schnee in Louveciennes (1874).


Ile-de-France und Normandie

 

Alfred Sisley ist im Wesentlichen ein Landschaftsmaler der Region Ile-de-France, der ringförmigen Umgebung von Paris mit ihren Dörfern, Flüssen, Kanälen und Feldern. Er findet seine Eindrücke nahe Fontainebleau, in den noch ländlichen Vororten der Metropole wie Louveciennes, Bougival, Marly-le-Roi, Sèvres und Moret sur Loing.

   Die besten Gemälde malt er in den 1870er Jahren. Hierzu zählen auch die 1874 gefertigten Hampton Court- Bilder aus England. Später entstehen „plein-air“- Werke in der Normandie und bei erneuten Reisen über den Kanal in Cornwall und Wales. Stets sind es Licht und Wasser, die die Bildatmosphäre bestimmen, und die Sisley in klarem und „klassischem“ Impressionistenstil erfasst und in Andeutungen und mit lockerer Pinselführung, zart und in zunehmend hellen Farbnuancen wiedergibt. Zahlreiche Motive seiner Spätphase stammen aus der Kleinstadt Moret, wo er bis zu seinem Tode wohnte.

 

Lebensstationen

 

Alfred Sisley wird 1839 als britischer Staatsbürger in Paris geboren. Zeitlebens bleibt er Brite, zwei Anträge auf Einbürgerung in Frankreich, wo er so gut wie sein ganzes Leben verbrachte, werden abgelehnt. Er wächst im komfortablen Ambiente einer vermögenden Kaufmannsfamilie auf. Seine ersten Kontakte mit der Landschaftsmalerei erfährt er bei einem Studienaufenthalt in England, wo er in London die Arbeiten von William Turner, John Constable und dem hierzulande kaum bekannten und jung verstorbenen Richard Parkes Bonington kennenlernt. Später inspirieren ihn die französischen Maler Corot und Courbet. Der familiäre Wohlstand versiegt jedoch nach der Niederlage Frankreichs im deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Sisley, seit 1866 mit Marie Lescouezec (1834-1898) liiert, büßt die väterliche Unterstützung ein und muss seine Frau und seine zwei Kinder vom Verkaufserlös seiner Bilder ernähren. Er nimmt an der ersten impressionistischen Ausstellung im Pariser Atelier des Fotografen Nadar 1874 teil, die vernichtende Kritiken einbringt und zu einem finanziellen Desaster wird. Sisley engagiert sich danach auf weiteren Impressionisten-Schauen in den Jahren 1876, 1877 und 1882. Mit seinen Gemälden hat er jedoch keinen Erfolg. Es gelingt ihm nicht, sich aus der finanziellen Misere zu befreien. Bis zu seinem Tode bleibt er stets in großer materieller Not, jedoch seinem impressionistischen Stil mit der ihm eigenen zarten und poetischen Malweise und der großen Naturverbundenheit treu. Ohne Zweifel: Sisley ist einer der großen europäischen Landschaftsmaler.

Klaus M. Martinetz

 

Die Ausstellung "Alfred Sisley, der wahre Impressionist" ist bis zum 29. Januar 2012 zu sehen

Von der Heydt-Museum
Turmhof 8
42103 Wuppertal
Tel. 0202 – 563 2626

Öffnungszeiten:
DI, MI 11-18 Uhr
DO,FR 11-20 Uhr
SA,SO 10-18 Uhr

 

Gerhard Finckh, Direktor des Von der Heydt-Museums: „Warum Sisley? Ausgehend von dem impressionistischen Bilderschatz, den August und Eduard von der Heydt …in ihrer Wuppertal-Elberfelder Sammlung zusammentrugen, hat das Von der Heydt-Museum 2006 begonnen, die französische Malerei des 19. Jahrhunderts näher zu betrachten. Die erste Ausstellung einer auf längere Sicht angelegten Serie befasste sich 2006 mit der ´Schule von Barbizon`… Darauf folgte 2008 ´Auguste Renoir und die Landschaft des Impressionismus` und 2009/2010 ´Claude Monet`. Nach … dem Nachimpressionisten Pierre Bonnard (2010/2011) reiht sich Alfred Sisley mehr als logisch in die Serie … Sisley hat dem Impressionismus eine besondere Note gegeben, er hat in diesem Stil eine musikalisch-lyrische Beschwingtheit zum Ausdruck gebracht, die sonst kaum zu finden ist – und das trotz aller persönlichen Nöte und Beschwernisse.“



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