Archiv 2021
DDR-RAUBKUNST
Vitrinen und Vasen gegen Valuta
Die Kulturgeschichte kennt nicht nur NS-Raubkunst, die Restitution von Kolonialkunst oder „kriegsbedingt verlagerter“ Kulturgüter – sogenannte Beute- oder Trophäengüter der Sowjetunion. Es gab auch einen DDR-Kunstraub!
Eiserner Vorhang in Westberlin 1977: Keine Grenze für den Verkauf enteigneter, entzogener oder erpresster Kunst und Antiquitäten. Foto © rheinische ART 2021 |
Es war der DDR-Staatsapparat, der sich an privatem Kulturgut seiner Bürger oder an Beständen öffentlicher Kultureinrichtungen vergriff. Der „Kulturgutentzug“ begann nach Kriegsende in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und setzte sich in der DDR von 1949 bis 1990 fort.
Dieses allgemein eher wenig beachtete und diskutierte Thema gerät immer stärker in den Fokus der Provenienzforschung. 30 Jahre nach der Deutschen Einheit ist die DDR zwar Vergangenheit, nicht jedoch die Aufarbeitung ihrer Geschichte, zu der auch die Enteignung von Kunstbesitz zählt. Dies erklärte jüngst das Magdeburger Deutsche Zentrum Kulturgutverluste. Die Stiftung beleuchtete mit der digitalen Konferenz „VEB Kunst – Kulturgutentzug und Handel in der DDR“ Ende November 2020 diese staatlichen Raubzüge.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverlust in Magdeburg ist Ansprechpartner zu allen Fragen unrechtmäßig entzogenen Kulturguts.Foto © Deutsches Zentrum Kulturgutverluste 2021
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Ab 1962, beginnend mit der Geheimaktion „Licht“ des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), wurden systematisch Tausende bis dato verschlossene Tresore, Banksafes und Schließfächer zwischen Rostock und Dresden durch die Stasi unrechtmäßig geöffnet. Wertvolles wie Antiquitäten, Bestecke, Fayencen, Kristalle und Kunstwerke, Musikinstrumente, Porzellan oder Schmuck wurden regelrecht geplündert und später verkauft. Ostdeutsche Bürger und Betriebe waren machtlos und alle Hinweise auf die rechtmäßigen Eigentümer wurden im Zuge der Aktionen nahezu vollständig vernichtet.
Werbeanzeige (Ausschnitt) für eine Christie ́s Auktion am 20.06.1980, bei der drei Gemälde aus dem ehemaligen Bestand der Ostberliner Nationalgalerie versteigert wurden, Apollo, Juni 1980, S. 21. Foto © Markus Hilbich
Alexander Schalck-Golodkowski (1988) Leiter der "Kommerziellen Koordinierung" im Ministerium für Außenhandel der DDR. Er war zuständig für den (inoffiziellen) Handel mit dem „kapitalistischen Ausland“, auch in Sachen Kulturgut. Foto Wikipedia © Bundesarchiv, Bild 183-1988-0317-312 / Brüggmann, Eva / CC-BY-SA 3.0
" Blick in das Lager in Mühlenbeck um 1990. Foto © Bundesarchiv, Bild 183-1989-1206-034 / Grimm, Peer / CC-BY-SA 3.0
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Die Kunst und Antiquitäten GmbH verwertete Kunstwerke aus eigenen Museen, Archiven oder Bibliotheken und tat dies nicht selten gegen den Widerstand der betroffenen Einrichtungen. Zugleich wurden in der DDR ansässigen Sammlern und privaten Händlern durchaus mit fingierten Steuerhinterziehungsvorwürfen ihre wertvollen Sammlungen abgenötigt.
Und anders als etwa bei der vieldiskutierten NS-Raubkunst (mehr) oder den „kriegsbedingt verlagerten“ Kulturgütern (mehr) existieren keine „Washingtoner Prinzipien“, die öffentliche Museen zur Herausgabe von Kulturgütern mit „kritischer Provenienz“ zwingen, wie diese offiziell heißen.
Deutsches Zentrum Kulturgutverluste
Humboldtstraße 12
39112 Magdeburg
Tel +49 (0)391 727 763 0
Website: www.kulturgutverluste.de