Archiv 2011: aus "Besuchenswert"
Wider das Vergessen: Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum Köln
Plakat zur Ausstellung |
Alltag in Litzmannstadt
Nahezu unbekannte Fotografien vom Leben und Sterben im sogenannten Ghetto Litzmannstadt zeigt die Wanderausstellung „Das Gesicht des Gettos“ (so der Originaltitel), die von der Berliner Gedenkstätte „Topographie des Terrors“ erarbeitet wurde. Die Fotodokumentation zeigt nicht die Täterperspektive, sondern stammt überwiegend von jüdischen Berufsfotografen, die selbst im Ghetto gefangen und täglich vom Tod bedroht waren.
ES SIND vielfach berührende oder irritierende Szenen, die die Fotografen zwischen 1940 und 1944 festhielten und die den Alltag von Menschen unter katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen zeigen. Die Bilder dokumentieren nicht nur das NS-Verbrechen, sie erzwingen zugleich einen Blick auf das Leben in einer Zwangsgemeinschaft, in der die Betroffenen um ihr Überleben kämpfen, aber auch ihre Würde erhalten und ihre Menschlichkeit nicht verlieren wollen.
Der Ausstellung gelingt es, einen tiefen Einblick in die Gefühlslage der Menschen im Ghetto und ihrer ausweglosen Situation zu geben. Die Berufsfotografen, vor allem Henryk Ross und Mendel Grossman, fertigten neben Passfotos auch Aufnahmen für offizielle Zwecke, um den funktionierenden Alltag und die Arbeit in kriegswichtigen Betrieben zu dokumentieren. Daneben zeigen Fotos aus dem privaten Milieu der Ghetto-Internierten eine bestürzende Normalität angesichts von Hunger, Krankheit und Todesdrohung.
Druckerei der Schilderwerkstatt
Im „Fachkurs" |
Die Fotografien stammen aus einer Sammlung von 27 Fotoalben mit 12.000 Kontaktabzügen des Staatsarchivs Łódź. Die einzigartigen Dokumente wurden 2006 gefunden. Sie lagen jahrzehntelang unbeachtet im Staatsarchiv und wurden bei Recherchen für ein Gedenkbuch über die Berliner Juden in Litzmannstadt entdeckt. Es handelt sich überwiegend um Auftragsarbeiten für die jüdische Selbstverwaltung des Ghettos, den Judenrat.
Die Textilmetropole Łódź war zum Zeitpunkt des deutschen Überfalls die zweitgrößte polnische Stadt. Sie wurde am 11. April 1940 in "Litzmannstadt" umbenannt, nach dem deutschen Erste-Weltkrieg-General und NS-Würdenträger Karl Litzmann (1850-1936).
Im Stadtteil Bałuty richtete die deutsche Besatzungsverwaltung im Frühjahr 1940 das nach Warschau zweitgrößte Ghetto im deutschen Machtbereich ein. Auf einer Fläche von nur rund vier Quadratkilometer lebten zu Beginn 160.000 polnische Juden. Im Herbst 1941 trafen die ersten Deportierten aus dem „Großdeutschen Reich“ ein: 20.000 Männer, Frauen und Kinder aus Prag, Wien und Luxemburg sowie aus Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg und Köln. Die Situation, auf die diese als „Westjuden“ bezeichneten Deportierten trafen, machte schlagartig deutlich, was die Nationalsozialisten mit ihrer antisemitischen Politik beabsichtigten. Nur wenige überlebten.
K2M
► „Das Gesicht des Ghettos“ ist die erste von zwei Ausstellungen, die anlässlich des 70. Jahrestages der Deportationen vom NS-Dokumentationszentrum im Kölner EL-DE-Haus (mehr) gezeigt werden.
► Die zweite Ausstellung (ab 8. September) trägt den Titel „Deportiert ins Ghetto Litzmannstadt (Łódź)“. Sie befasst sich mit der Deportation von Rheinländern in das Ghetto.
Die Ausstellung "Das Gesicht des Gettos" - Bilder jüdischer Photographen aus dem Ghetto Litzmannstadt 1940-1944 ist bis zum 4. September 2011 zu sehen.
NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
EL-DE-Haus
Appelhofplatz 23-25
50667 Köln
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Öffnungszeiten:
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