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rheinische ART 08/2018

Archiv 2018

JAPANISCHE FARBHOLZSCHNITTE
Medium Druckbild

 

Sie waren einst Massenware, ein eher gering geschätzter Kunstzweig mit der Tendenz zum allgemeinen Hausschmuck. Dennoch waren die Holzschnitte in Europa ab 1870 die Initialzündung für ein sich rasant verbreitendes Japanfieber und ein visueller Stimulus für zahlreiche westliche Künstler.

 

Utagawa Hiroshige (1797–1858), Heimkehrende Flößer in der Abenddämmerung, Station Seba. Aus der Serie: 69 Stationen auf Kiso-Straße, Farbholzschnitt, 23,0 x 35,8 cm, Japan, 1836-37, Museum für Ostasiatische Kunst Köln, R 2015,10. Foto: RBA

 

Der japanische Farbholzschnitt fand im Zuge dieser Entwicklung viele Sammler auf dem alten Kontinent. Über eine absolute Spitzenkollektion verfügt bereits seit Anfang des letzten Jahrhunderts das in Köln beheimatete Museum für Ostasiatische Kunst an der Universitätsstraße.

 

Hosoda Eisui (tätig 1795–1803), Büstenporträt einer Kurtisane beim Biegen eines Iris-Blatts, Farbholzschnitt, 39,2 x 26,4 cm, Japan, ca. 1795, Museum für Ostasiatische Kunst Köln, R 10,82. Foto: RBA

 

Das Haus zeigt derzeit unter dem Titel „Das gedruckte Bild. Die Blüte der japanischen Holzschnittkultur“ eine bemerkenswerte Ausstellung zu dieser Kunst. Es ist, sieben Jahre nach den 150jährigen deutsch-japanischen Freundschaftsfeiern, eine sehr umfassende Exposition zu diesen immer wieder faszinierenden Bildwerken aus Fernost.

     Nach über hundert Jahren, so teilt das Museum mit, wurde die rund 2000 Objekte umfassende eigene Sammlung japanischer Farbholzschnitte und illustrierter Bücher durch den Experten Matthi Forrer erstmalig umfassend gesichtet und geordnet. Das Ergebnis dieser Pionierarbeit ist eine Schau, die weit mehr als die allseits bekannten und oftmals schon hierzulande gezeigten Meister des japanischen Farbholzschnitts wie Harunobu, Toyokuni, Utamaro, Hokusai und Hiroshige feiert.

     Denn die Vielfalt der präsentierten Objekte lässt erkennen, dass es sich mit dem Holzschnitt zudem um das Medium einer besonderen Informationskultur handelte. Dies gilt für Japan selbst, aber die Themen und die Ästhetik, die Bildsprache, erzählten auf dem alten Kontinent von einer anderen Welt. Heute gehören zahlreiche ihrer Motive, wie unter anderem die große Woge an der Küste von Kanagawa, zu den berühmtesten grafischen Werken der Welt.

 

Katsushika Hokusai (1760–1849), Große Woge an der Küste von Kanagawa. Aus der Serie: 36 Ansichten des Fuji-Berges, Farbholzschnitt, 24,5 x 37,0 cm, Japan, 1830, Museum für Ostasiatische Kunst Köln, R 78,3. Foto: RBA

 

Es ist durchaus angebracht, daran zu erinnern, um welch großartiges Kulturgut es sich hier tatsächlich handelt. So ließen sich beispielsweise Vincent van Gogh und James Whistler vom jaoanischen Holzschnitt inspirieren. Dessen Farbigkeit, Ornamentik und Perspektivik waren ein maßgeblicher Impuls für westliche Künstler der Prämoderne.

     Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass „Impressionismus, Art Nouveau und Expressionismus … ohne ihn nicht denkbar“ wären und selbst das Bauhaus „die geometrische Abstraktion aus Hokusais Lehrbüchern der Zeichenkunst gelernt“ habe.

 

Utagawa Hiroshige (1797–1858), Stoffbahnen in der “Färber-Straße” in Kanda. Aus der Serie: 100 berühmte Ansichten von Edo, Farbholzschnitt, 35,5 x 24,0 cm, Japan, 1857, Museum für Ostasiatische Kunst Köln, R 54,14 (94). Foto: RBA

 

Katsushika Hokusai (1760–1849), Eine Laterne fängt Feuer und zeigt das Gesicht der Ermordeten, als ihr Ehemann, der sie umgebracht hat, ihr Grab mit seiner neuen Frau besucht. Aus der Serie: 100 Geistergeschichten. Farbholzschnitt, 26,2 x 18,8 cm, Japan, 1831, Museum für Ostasiatische Kunst Köln, R 77,1 (OS). Foto: RBA

 

Anonym Kapitän der holländischen Handelsniederlassung in Deshima mit Tonpfeife und Schirmträger, Titel: Ein Holländer und ein Schwarzer von (?), Handkolorierter Schwarzdruck, 36,8 x 24,8 cm, Nagasaki/Japan, 1790/1800, Museum für Ostasiatische Kunst Köln, R 10,5 (2). Foto: RBA

 

Bis heute ist allgemein weniger bekannt, dass die typische Bildsprache dieses in Japan als Ukiyo-e (Bilder der fließenden Welt) bezeichneten Kunstzweiges dortselbst lange Zeit eine gering geschätzte Kunstform war.

     Die schnelle und leichte Vervielfältigung mit Druckstöcken machte die Farbholzschnitte, trotz ihres teils extrem hohen Niveaus der Verfeinerung, zu einer wenig populären Kunst, die sich nicht messen ließ mit den großen japanischen Errungenschaften auf dem Gebiet der zen-geprägten Sumi-e (Tuschemalerei) oder den aristokratischen Künsten wie den Yamato-e (frühe, meist höfische Darstellungen), dem Nō-Theater oder gar der Teezeremonie.

     In Europa waren die Holzschnitte dagegen der Hebel, mit dem sich das westliche Auge langsam an die fremde, aber auch berauschend schöne, Kunst des japanischen Kaiserreiches zu gewöhnen verstand.

 

Nur wenige Jahrzehnte nach der erzwungenen Öffnung Japans und dem Ende seiner Isolationspolitik 1853 fand die japanische Holzschnittkultur nach Europa. In Köln waren es die Museumsgründer und Sammler Adolf und Frieda Fischer, die sich zwischen 1895 und 1912 gezielt um den Erwerb japanischer Farbholzschnitte bemühten (mehr).

     Die Stücke jener Zeit bilden heute einen wichtigen und vielleicht den ungewöhnlichsten Teil der Museumskollektion und damit der Ausstellung. Originaldruckplatten und eine Guckkastenkamera aus dem Völkerkundemuseum in Leiden vertiefen die Einblicke. Neben Darstellungen aus der Welt der Vergnügungsviertel und des Kabuki-Theaters (ukiyo-e) umfasst die Auswahl Sumo-Ringer, Helden der japanischen Geschichte, Kalender- und Gedichtblätter, Landschaftsdrucke und berühmte Ansichten von Edo, dem heutigen Tokio.

     Ferner werden Mallehrbücher, darunter Erstausgaben der Hokusai manga, Darstellungen von Europäern sowie von Dämonen und Gespenstern, bis hin zu Drucken des Sino-Japanischen Krieges 1894/95 gezeigt. Der Farbholzdruck lieferte seinerzeit, dies wird in der Schau deutlich, vielfältiges Wissen und aktuelle Informationen an das anspruchsvolle, bildungs- und vergnügungshungrige Publikum in den Metropolen des Inselreiches.
cpw


Die Ausstellung ist gleichzeitig eine Erinnerung an die Einweihung des Museumsneubaus vor 40 Jahren. Der von dem japanischen Architekten Kunio Maekawa geplante Neubau des Museums für Ostasiatische Kunst am Aachener Weiher wurde im Dezember 1977 eröffnet. Seit 2011 ist das Gebäude ein geschütztes Denkmal der klassischen Moderne in Köln. Das ursprüngliche Domiziel des 1913 gegründeten Museums wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.


Die Ausstellung „Das gedruckte Bild. Die Blüte der japanischen Holzschnittkultur“ ist verlängert worden und kann noch bis zum 30. September 2018 besucht werden.

Museum für
Ostasiatische Kunst Köln (MOK)

Universitätsstraße 100
50674 Köln
Tel. Kasse 0221 / 221 28617
Öffnungszeiten
DI – SO 11-17 Uhr

 

Zitat: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 6. März 2018. „Verherrlicht, verfemt, verrucht“ von Andreas Platthaus

 

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