IN MEMORIAM
Daniel Spoerri – Chronist des Zufalls
Der Schweizer bildende Künstler, Eat-Art-Erfinder, Tänzer und Regisseur, Mitbegründer der Gruppierung Nouveau Réalisme, ist am 6. November in seiner Wahlheimat Wien verstorben.
Daniel Spoerri (1930-2024) Bildquelle © www.danielspoerri.or
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Der mit einem skurrilen Humor ausgestattete Aktionskünstler wurde damit berühmt, dass er benutztes, gar verdrecktes Geschirr, volle Aschenbecher, zerknüllte und beschlabberte Servietten und sonstige unappetitliche Reste zivilisierter Tischgedecke auf Holzplatten leimte und diese dann an die Wand hängte - als Tafelbild.
Diese als Tableaux pièges (Fallenbilder) bezeichneten „Kunstwerke“ wurden sein Markenzeichen und fanden sich als viel bestaunte Exponate in vielen Kunstmuseen der Welt wieder.
2021 richtete das Bank-Austria-Kunstforum in Wien eine große und dichte Retrospektive aus. Das Haus erinnerte daran, dass Daniel Spoerri 1960 mit den Objektkünstlern Jean Tinguely (mehr) und Niki de Saint Phalle (mehr) das „Manifest des Neuen Realismus“ unterzeichnet hatte.
Sie verstanden sich als Vertreter einer neuen Richtung, als Gegenpol zum dominierenden Informel (mehr) in Paris und zu den Pop-Art-Kreativen in den USA. Er sei ein „Handlanger des Zufalls“ hatte der gebürtige Rumäne damals über sich und seine Berufsbezeichnung gesagt.
Daniel Spoerri Tableaux pièges, Exponat in der Langen Foundation. Foto © rheinische ART 2021
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Die Sechsziger waren auch jenes Jahrzehnt, in dem Spoerri Düsseldorf als sein kulinarisches Experimentier- und Wirkungsfeld entdeckte.
Dort hatte der Koch und Event-Gastronom 1968 das Restaurant der Sieben Sinne am Burghof 18 eröffnet. Am selben Ort gründete er zwei Jahre später die ebenfalls legendäre Eat-Art Gallery. Das Restaurant war das erste Speiselokal, in dem Kunst und Kulinarik als „Ess-Kunst“ (Eat-Art) auf der Menükarte standen.
Daniel Spoerri 1995, im Hintergrund ein Fallenbild (Tableaux pièges). Foto © Pantalaskas, Bildquelle © Wikipedia CCBY-SA3.0 |
Der Meister aus der Schweiz kochte selbst und ließ servieren, was selbst den hartgesottensten rheinischen Kunstinteressierten noch nicht begegnet war: eine „cuisine exotique“ mit Seehundragout, Ameisen-Omeletts oder Klapperschlange – Python-Schnitzel sollen es gewesen sein. Die Reste davon gingen als plastische Objekte auf die Grundplatte und als Wimmelbilder à la Spoerri in die Senkrechte, also an die Wand.
Daniel Spoerri Installation in der Langen Foundation im Tadao Ando-Bau. Foto © rheinische ART 2021 |
An dieser Art von Kunst konnten auch seine künstlerischen Weggefährten nicht vorbei sehen. Gerne machten Joseph Beuys (mehr) und Dieter Roth (mehr) mit, die dekorative Aura eines Esstisches mit gefalteten Mundtüchern und anderem Trivialen im Zuge eines Tischgelages in das Gegenteil zu verwandeln.
Im Rheinland zeigte die Langen Foundation auf der Raketenstation Hombroich 2021/2022 den Künstler in einer Schau mit rund 150 Objekten. Sie trug den vielsagenden Titel „Ein Museum der Unordnung von Daniel Spoerri“ (mehr). Der außergewöhnliche Künstler wurde 94 Jahre alt.
rART/K2M