Archiv 2015
GALERIE VOSS
Lob der Flucht
Die Arbeiten des italienischen Malers Corrado Zeni zum Thema überraschen. Sie sind eindringlich. Etwas Unschuldiges schwingt in ihnen, sicherlich hervorgerufen auch durch das ins Bild gesetzte Weiß der Kleidung seiner visualisierten Protagonisten, den Flüchtlingen. Ein Flüchtling - das kann jeder sein, zumindest jeder, der sich auf die Gedankenwelt von Zeni zum Thema Flucht einlässt.
Corrado Zeni Éloge De La Fuite, 2014, Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm Foto©Galerie Voss |
Inspiriert hat Zeni der französische Forscher, Militärarzt und Chemiker Henri Laborit (1914 – 1995), den er wie folgt zitiert: „In Zeiten wie diesen ist Flucht die einzige Möglichkeit, um am Leben zu bleiben und zu träumen.“
Bereits im vergangenen Jahr begann Zeni, sich mit dem Thema Flucht und Flüchtlinge künstlerisch auseinander zu setzen. 2014 - da waren die Deutschen noch gänzlich vorstellungsfrei von dem, was heute Politik und Gesellschaft zutiefst bewegt. Das war in Italien bereits anders. Die Flüchtlinge, die zu Tausenden über das Mittelmeer kamen, strandeten Zuflucht suchend an ihren Küsten. Und erreichten diese nicht immer lebend.
Corrado Zeni Henceforth, 2015, Öl auf Leinwand, 120 x 160 cm Foto©Galerie Voss |
Spontan Mit seiner aktuellen Bildserie erfindet Zeni auch sich selbst ein bisschen neu: „Ich habe die Grundlagen meiner Arbeit aus meiner Sicht ins Gegenteil verkehrt. Seit fast zwanzig Jahren beobachtete ich Menschen, die ich meist zufällig traf, fotografierte sie, extrahierte sie von ihren Geschichten und versammelte sie in meiner eigenen, ganz persönlichen und losgelösten Geschichte. Die Technik und der kreative Prozess sind jetzt frei ... Die Malweise ist spontaner, weniger kontrolliert und reich an Symbolen.“
Corrado Zeni A time to go away, 2015, Öl auf Leinwand, 150 x 150 cm Foto©Galerie Voss |
Metaphorisch Die begriffliche Seite seiner neuen Werke stützt sich auf Laborits Überlegungen in dessen berühmtem Buch „Éloge de la fuite“ (Lob der Flucht). Doch lassen wir Corrado Zeni selbst zu Wort kommen:
„Flucht als Ressource und nicht als Kapitulation, Flucht, die uns nicht nur gestattet ist, wenn Ereignisse außer Kontrolle geraten sind, sondern auch, um neue, bisher undenkbare Wege zu finden, die uns neue Perspektiven eröffnen, zu Oasen werden. Dazu Laborit: ' ... ein sich ständig veränderndes Ziel zu verfolgen, dass nie erreicht wird, ist vielleicht das einzige Mittel, um Routine, Gleichgültigkeit und einem Sättigungsgefühl entgegen zu wirken. Es entspricht dem menschlichen Naturell, sich auf seiner Flucht nicht zurückzuziehen, sondern vorwärts zu gehen.'
Metaphorisch suchen die Charaktere in meinen neuen Bildern nach Fluchtmöglichkeiten von der Leinwand, aus einem Kontext, der sie nicht mehr beinhaltet, ihnen nicht mehr die Luft zum Atmen geben kann, die sie benötigen. Es dauert sieben Sekunden, um ein Vorurteil basierend auf das Erscheinungsbild zu kreieren. Deshalb habe ich beschlossen, jeden Menschen in den Bildern in weiße Kleider zu hüllen. Ich wollte jedwede Betonung auf die soziale Klasse, die Religion oder die Herkunft vermeiden. Jeder verdient eine Flucht.
Corrado Zeni Where are we now, 2015, Öl auf Leinwand, 100 x 200 cm Foto©Galerie Voss |
Als Künstler möchte ich ehrlich sein. Ich versuche, keine Angst davor zu haben, mit meinen Arbeiten zu überraschen, zu verändern, meine eigene Sprache und Arbeit umzuwälzen, anstatt an meiner Reflexion über den Menschen beharrlich festzuhalten. Dies ist wahrscheinlich mein Weg, zu entkommen.“
Irmgard Ruhs-Woitschützke
Die Ausstellung „Corrado Zeni – Éloge De La Fuite (Lob der Flucht)“ ist bis zum 31.01.2016 zu sehen.
Galerie Voss
Mühlengasse 3
40213 Düsseldorf
Tel. 0211 / 134982
Öffnungszeiten
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SA 11 - 14 Uhr und nach Vereinbarung