ARCHIV 2012
Der Genremaler Cornelis Bega in Aachen
Anmut in Armut
Cornelis Bega, Selbstbildnis, ca. 1649-50 Privatsammlung |
Er wird als Wiederentdeckung gepriesen und dies sehr wohl zu Recht. Der Haarlemer Cornelis Bega (1631/32 - 1664), ein etwas in Vergessenheit geratener Zeitgenosse Rembrandts und Vermeers, gilt als einer der besten Maler, Zeichner und Radierer des Goldenen Zeitalters der Niederlande. Erstmals seit rund 350 Jahren wird sein Œuvre in einer monografischen Übersichtsschau gewürdigt. Zu danken ist dies dem Aachener Suermondt-Ludwig- Museum. Das Haus hat über 110 Werke Begas unter dem Titel „Eleganz und raue Sitten“ in einer sehenswerten und spannenden Schau versammelt.
DAS BESONDERE und Faszinierende an Begas meisterhaften Werken ist sein enorm detaillierter und gleichwohl nie voyeuristisch wirkender Blick auf die raue Lebenswirklichkeit der einfachen Leute seiner Zeit. Die Lächerlichkeit hat in seinen Bildern keinen Platz.
Virtuoser Meister der Nuancen
Mit einer der Rembrandtschule angelehnten feinmalerischen Eleganz und hoher farblicher Raffinesse, die der brillanten Licht- und Schattenmalerei des gleichaltrigen und heute wesentlich berühmteren Jan Vermeer van Delft (1632-1675) nicht nachsteht, bestechen Begas Bilder.
Er lässt den Betrachter eintauchen in die Welt der armen Stuben, zwielichtigen Gasthäuser und schmuddeligen Kaschemmen, der Habenichtse, Zecher und Dirnen, der feisten Bauern, rüden Knechten und Mägde, der obskuren Alchemisten und Astrologen. Seine Sicht auf die Gesellschaft und vor allem auf ihre Randfiguren erstaunt allerdings durch ihre psychologische Tiefe und der zu vermutenden Empathie. Vulgäre Szenen und deftigen Humor sucht der Betrachter vergebens.
Cornelis Bega, Wirtshausszene mit betrunkenem Mann, 1661, Privatsammlung |
Seine Bilder, gemalt mit großer Klarheit und Ästhetik, reflektieren aus heutiger Sicht mit fast hyperrealistischer Schärfe die Emotionalität von Alltagssituationen jener Zeit. Das Genre der „Bauernbilder“ diente zu Begas Zeiten gemeinhin der Belustigung oder Belehrung der vermeintlich feineren und vermögenderen Gesellschaft; schließlich wollte sich der honorige homo urbanus - der städtische Bilderwerber calvinistischer Prägung - durch die Betrachtung des ungebildeten Bauern (des homo rusticus) seiner Kultiviertheit vergewissern.
Cornelis Bega, Mutter und Kind in einer Taverne, ca. 1662-64 © Dunkerque, Musée des Beaux-Arts / Anne Gold Cornelis Bega, Sitzender junger Mann, ca. 1660-62, Privatsammlung
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Bega dagegen spürt in seinen Werken das alle und alles Verbindende auf, zeigt das Würdevolle, das Menschliche und lässt spöttischen Anspielungen keinen Raum. Eher dürften die Sehgewohnheiten seiner Zeitgenossen ins Wanken geraten sein, wenn Gegensätzliches wie lasterhafter Trunk mit mütterlicher Fürsorge den Bildinhalt bestimmen.
Paradox Bega
Dass der Niederländer, der nur etwa 33 Jahre alt wurde und kaum mehr als zehn Jahre tatsächlich schöpferisch arbeitete, die rauen Sitten in höchst eleganter Handfertigkeit festhielt und mit dem Blick fürs Wesentliche Armut mit Anmut darstellte, gehört für Museumsdirektor und Kurator Peter van den Brink zum „Paradox Bega“. Die malerische Überhöhung der Menschen lässt ihre Armut nicht verzweifelt und ausweglos erscheinen, sondern spiegelt durchaus Gemeinschaft und Mitgefühl. Überhaupt ist Cornelis Bega ein Virtuose im Austarieren von Hell und Dunkel. Harte Kontraste sind seine Sache nicht, eher wirken die gemalten Personen wie vom Spotlight bestrahlt. Viele der Milieubilder spielen sich im Halbschatten ab, seine Feinabstimmung kennt unzählige grau- und erdfarbene Zwischentöne.
Spross einer Künstlerfamilie
Cornelis Bega wurde 1631 oder 1632 in Haarlem geboren. Er entstammte einer verzweigten Künstlerfamilie von Malern, Bildhauern, Architekten und Edelmetallschmieden, die mehrere Generationen in der niederländischen Stadt ansässig waren. Sein Vater Pieter Jansz. Begijn war Gold- und Silberschmied, sein Großvater mütterlicherseits der bedeutende Historienmaler Cornelis van Haarlem (1562-1638), ein Künstler des Manierismus und Wegbereiter von Frans Hals. Nach einem Zerwürfnis mit seinem Vater änderte Cornelis seinen Namen in Bega. Seine Malerlehre absolvierte er heutigen Kenntnissen zufolge beim Genremaler van Ostade (1610-1685). Ab 1654 war Bega Mitglied der lokalen Haarlemer Lukasgilde und betrieb ein eigenes Atelier. 1664 starb er unverheiratet und kinderlos an der Pest. Sein Vermächtnis bleibt in seinen Bildern erhalten.
► Im Suermondt-Ludwig-Museum werden etwa 40 Gemälde, 34 Zeichnungen und sämtliche bekannten, je geschaffenen Radierungen präsentiert. Sie stammen zum einen aus Begas Frühwerk, zum anderen gehören sie in die letzten fünf Lebensjahre des Künstlers, in denen er seine große Virtuosität erreichte.
Claus P. Woitschützke
Die Ausstellung „Cornelis Bega – Eleganz und raue Sitten“ ist bis zum 10. Juni 2012 zu sehen.
Suermondt-Ludwig-Museum Aachen
Wilhelmstraße 18
52070 Aachen
Tel. 0241 / 479 800
Öffnungszeiten:
DI – FR 12 - 18 Uhr
MI 12 - 20 Uhr
SA + SO 11 - 18 Uhr
Das Suermondt-Ludwig-Museum kooperiert mit der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, wo die Ausstellung vom 29. Juni bis zum 30. September 2012 gezeigt wird.
©Fotos Suermond Ludwig Museum Aachen