Archiv 2010 - Menschen
Mensch
Christo
Die Bühne ist groß und der Mann auf ihr klein. Doch der Eindruck ändert sich, als der Mann seine klare Stimme erhebt. Ein Meister der Selbstdarstellung spricht: stimmstark, humorvoll, schlagfertig, wendig und vor allem - souverän. Christo, dem Mann fürs Monumentale in der Kunst, sind seine 75 Lebensjahre nicht anzumerken.
Der Künstler Christo |
DIE WELT kennt ihn und seine Frau Jeanne-Claude als Künstlerehepaar. Jeanne-Claude verstarb 2009, und deshalb ist er hier, in Brühl, im Max-Ernst Museum, wo derzeit die Ausstellung „Wrapped“ zu Ehren und zur Erinnerung an seine Frau zu sehen ist. (mehr hier auf dieser Seite ) „Two Works in Progress“ lautet der Titel des abendlichen Vortrags und Christo löst damit ein Versprechen ein, dass er und Jeanne-Claude sich vor vielen Jahren gaben: Sich einzusetzen, wenn einer nicht mehr da ist, für die gemeinsame Kunst, die gemeinsamen Projekte.
- Zwei Projekte -
Von denen gibt es noch zwei: „Over the River“, wo es um insgesamt 9,4 Kilometer des mit halbtransparenten Gewebe überspannten Arkansas River in Colorado geht und das Wüstenprojekt „Mastaba“. In der Wüste von Dubai soll aus 410.000 Ölfassern ein gigantische Bauwerk in Form einer Pyramide geschaffen werden. Allerdings eines, dass in seinen Dimensionen die Cheopspyramide überflügeln soll.
Fragen aus dem Publikum an Christo:
Gibt es ein neues Projekt für Deutschland? Alles ist möglich. Können Sie den Mond einpacken? Wenn genug Leute da oben sind, werden wir kommen. Woher nehmen Sie den Stoff? Der Stoff wird in Deutschland in Emsdetten gewebt. Und die Näharbeiten im Raum Leipzig/Cottbus erledigt. So war es z.B. beim Reichstag und für The Gates in New York. Wie finanzieren Sie Ihre Projekte? Durch den Verkauf der Collagen mit der Idee der Kunst im Vorfeld und während und nach der Kunstaktion. Meine Kunst ist öffentlich und ich brauche eine breite Öffentlichkeit, die meine Arbeiten kauft. Sonst sind die Projekte nicht zu finanzieren. |
Wer die Kunst von Christo und Jeanne-Claude kennt, weiß, dass hier keine Hirngespinste in die Welt gesetzt werden. Man kennt das Ehepaar als Künstler, die die Welt buchstäblich verändern. Sie verändern Bekanntes, oft Gesehenes, Alltägliches und deshalb nicht mehr wirklich Wahrgenommenes. Sie verhüllen „es“, bekleiden „es“ mit Stoff und nehmen dem Betrachter das Vertraute, das Normale. Doch sie schenken ihm überwältigendes Neues, eine andere Erfahrung mit Altbekanntem, deren Faszination sich kaum jemand zu entziehen vermag. In Deutschland ist es unstrittig das Projekt des Verhüllten Reichstags in Berlin gewesen, das ein Millionenpublikum begeisterte.
- Showtalent -
Christo auf der Bühne ist einnehmend und ein gewisses Showtalent ist ihm eigen. Man glaubt sofort, dass er Menschen überzeugen und begeistern kann. Eigenschaften, die so notwendig sind bei den gigantischen Kunst-Plänen wie eine sorgfältige Vorbereitung. Der Künstler erzählt, dass er dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl heute noch für seine Ablehnung des Projektes so dankbar sei wie der damaligen Bundetagspräsidentin Rita Süsmuth, die schließlich das Projekt „Verhüllter Reichstag“ 1995 vor dessen Umbau zum Sitz des Bundestages freigab. Christo braucht die Ablehnung eines Projektes genau so wie die Zustimmung, denn die Diskussionen um das Für und Wider gehören zum Prozess seiner Kunst wie die Fotos, bevorzugt vom Fotografen Voltz, und Filmaufnahmen, die die für nur eine kurze Zeit realisierten Utopien für die Nachwelt festhalten.
Der Kunsthistoriker Werner Spies hat zur Ausstellung und zur Erinnerung an Jeanne Claude das Buch „Christo und Jeanne-Claude – Grenzverlegung der Utopie“ verfasst. Er und Christo gaben eine Signierstunde und hatten gut zu tun. Über 750 Besucher stellten sich in die Warteschlange, um ihr erstandenes Buch oder Plakat signieren zu lassen.
Irmgard Ruhs-Woitschützke
Christo war am 15. Juni 2010 Gast im Max Ernst Museum Brühl.
Foto: Max Ernst Museum