Archiv 2018
WELT DER SPIELE
Zurück auf Los!!
Des Menschen Spieltrieb ist ein unendliches Bedürfnis. Spielen, so heißt es jetzt in Köln, mache Spaß, rege die Sinne an, schule das Gedächtnis und beflügele die Fantasie.
„Der gute Schupo. Ein zeitgemäßes Verkehrsspiel für die Jugend“, 1930er-Jahre; Kölnisches Stadtmuseum/ Foto: Rheinisches Bildarchiv, Sabrina Walz |
Wohl wahr! Dieser Erkenntnis trägt das Kölner Stadtmuseum mit einer kurzweiligen Sonderschau Rechnung. „Bretter, die die Welt bedeuten“ titelt die Ausstellung und meint mit diesem geflügelten Wort nicht Schillers Bühnenbretter als vielmehr jene der Brettspiel- und Würfelkultur. Mit eindrucksvollen Exponaten präsentiert das Haus die Vielfalt der Gesellschaftsspiele und lädt damit gleichzeitig zu einer besonderen Zeitreise durch die Kölner Geschichte ein.
Jagd auf Kohlenklau, gedruckt von Lepthien-Schiffers, 1943/44; Privatbesitz Dieter Mensenkamp, Detmold/ Foto: Rheinisches Bildarchiv, Sabrina Walz
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Einzelne Stücke, wie das Würfelspiel „Jagd auf Kohlenklau“ lassen verblüffende Parallelen zur aktuellen Energiepolitik erkennen.
Zur Erklärung: In den Kriegsjahren 1944/1945 waren im Deutschen Reich die Rohstoffe längst so knapp, dass an allem gespart werden musste, auch an Papier, Holz und Pappe und damit auch an der Produktion von unterhaltsamen Spielen. Eine Ausnahme bildete das Kohlenklau-Spiel, das die süddeutsche Druckerei Lepthian-Schiffers mit einer Auflage von sage und schreibe vier Millionen Exemplaren unter die „Volksgenossen“ bringen durfte.
Thematisiert wurde in diesem einfachen Brettspiel das Energiesparen. Gejagd wurde derjenige, der sich an dem Energieträger Kohle vergriff, indem er der „Volksgemeinschaft“ das schwarze Gold stahl oder verschwenderisch damit umging. Wer dem Kohlenklau also eins auswischte war Vorbild und wurde belohnt, dem Verschwender drohte ein „Zurück auf Los“. Als gutes Beispiel für subtile Propaganda und Unterhaltung im Zweiten Weltkrieg hat es „Jagd auf Kohlenklau“ als Exponat tatsächlich auch bis in das renommierte British Museum in London gebracht.
Eine Reise im Luftschiff, J.W. Spear & Söhne (Verlag), Nürnberg, 1905; Privatbesitz Dieter Mensenkamp, Detmold/ Foto: Rheinisches Bildarchiv, Sabrina Walz
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Im Fokus der bunten Kölner Schau steht die kulturgeschichtliche Bedeutung der Gesellschaftsspiele. Die oft kunstvoll illustrierten Spielbretter und -karten aus den unterschiedlichsten Epochen spiegeln den sich wandelnden Zeitgeist und wichtige gesellschaftliche Entwicklungen: Politische Umbrüche und Propaganda – siehe „Kohlenklau“ –, neue Techniken und Reisemöglichkeiten oder gängige Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit – all dies prägte (und prägt noch heute) Spielregeln und Bildmotive.
Schachspiel des Kölner Erzbischofs Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels (1761-1784); Kölnisches Stadtmuseum/ Foto: Rheinisches Bildarchiv, Sabrina Walz
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Dass die Spielsachen sowohl Luxusgut als auch Erziehungsmedium sein können, verdeutlichen einige prägnante Beispiele. Seit dem Mittelalter erfreuten sich prächtig gestaltete Brett-, Würfel- und Kartenspiele bei Adel und reichem Bürgertum besonderer Beliebtheit.
Herausragendes Zeugnis hierfür ist das Schachspiel des Kölner Erzbischofs Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels mit seinen kunstvoll geschnitzten Elfenbeinfiguren. Später wurden Gesellschaftsspiele durch neue Drucktechniken für eine breitere Bevölkerungsschicht bezahlbar. Zudem kamen vermehrt Spiele für Kinder auf den Markt, die nicht nur unterhalten, sondern der Bildung und Erziehung dienen sollten. Ein beliebtes Familienspiel war in Köln „Die Reise ins Himmelreich“ (um 1900) mit seinem moralisierenden und belehrenden Charakter: Tugenden wie Fleiß und Frömmigkeit wurden belohnt, Faulheit bestraft.
Rheinreise, Otto Maier (Verlag), Ravensburg, um 1910; Kölnisches Stadtmuseum/ Foto: Rheinisches Bildarchiv, Sabrina Walz |
Die Spielebranche ging stets mit der Zeit. Jede neue technische Entwicklung wurde „ins Spiel“ gebracht. So etwa die im 19. Jahrhundert aufkommenden Dampfschiffe und Eisenbahnen oder danach die Zeppeline. Prächtige Brettspiele wie „Die Reise nach Paris“ (nach 1863) oder die „Rheinreise“ (um 1910) setzten dieses sich wandelnde Verständnis von Mobilität und Reisen in fantasievolle Bildwelten um.
VC 4000-Konsole des Kölner Hörgeräteherstellers Interton Electronic (1978–1983). Eine Original-VC 4000-Konsole kann in der Ausstellung von den Besucherinnen und Besuchern getestet werden. Kölnisches Stadtmuseum/ Foto: Rheinisches Bildarchiv, Sabrina Walz
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Die Ausstellung umfasst auch die Spielkultur der Gegenwart und gibt Einblick in die innovative Kölner Game-Design-Szene. Anschaulich dargestellt werden zudem, wie heute Computerspiele entstehen. Ein besonderes Highlight ist der „VC 4000 Video Computer“ – eine von einem Kölner Hörgerätehersteller entwickelte Spielkonsole, die ab 1978 für einige Jahre mit Erfolg auch im Ausland verkauft wurde.
► Der Titel „Spielend durch 2000 Jahre Köln“ darf übrigens wörtlich genommen werden: Ein von den innovativen Kölner Entwicklerstudios „ART+COM“ und „the Good Evil“ umgesetztes digitales Gesellschaftsspiel lässt Besucher jeden Alters während des Parcours zur Spielfigur werden, mit der sie mitten hinein in die Geschichte springen und alleine oder im Team spannende Rätsel lösen können.
K2M
Die Ausstellung „Bretter, die die Welt bedeuten. Spielend durch 2000 Jahre Köln“ wird bis zum 26. August 2018 gezeigt.
Kölnisches Stadtmuseum
Zeughausstraße 1–3
50667 Köln
Tel. 0221 / 221-22398
Öffnungszeiten
MI - SO 10 - 17 Uhr
DI 10 - 20 Uhr