archiv 2021
RÜCKBLICK
Brennpunkt Asien
In den Bann gezogen hat Asien die (westliche) Welt schon immer. Eine Ausstellung in Köln erinnert an 500 Jahre Kultur- und Wirtschaftsaustausch mit dem Fernen Osten.
„Im Inneren des Kaiserhofes“ Peking, Kupferstichillustration aus: Johan Nieuhof, L’Ambassade de la Compagnie orientale de Provinces Unies vers l’Empereur de la Chine ou Grand Cam de Tartarie, Amsterdam 1665, Nachlass H.W. Siegel, Re 2020,2, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken |
Zum Mythos Asien beigetragen haben die illustrierten Reiseberichte der europäischen Jesuitenmissionare, Kaufleute und Gesandten des 17. und 18. Jahrhunderts. Sie lieferten damals Beweise, dass im Fernen Osten hochzivilisierte Länder mit einer gebildeten Bevölkerung existieren.
Tsubaki Chinzan (1801-1854) Portrait eines Samurai, Tusche und Mineralfarben auf Seide, Japan, Edo-Periode, Mitte 19. Jh., Slg. Adolf und Frieda Fischer, A 249, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken
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Beispiel China: Die Reisenden beschrieben ein Land, in dem Frieden, Wohlstand und Religionsfreiheit herrschten. Vor dem Hintergrund der europäischen Inquisition und der Religionskriege verkörperte „Das Reich der Mitte“ für die Philosophen der Aufklärung das Ideal eines Staates ohne Kirche und Adel, mit einem auf Leistung statt auf Herkunft basierenden Beamtensystem und einer bis in die Unterschicht gebildeten Bevölkerung.
Verfolgungen wegen religiöser Ansichten waren in jenen Jahrhunderten in China wie auch in Japan nicht üblich. Der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) sah in China deshalb das „Europa des Fernen Ostens“, anders und fremd, aber ebenbürtig und gleichrangig.
Das Kölner Museum für Ostasiatische Kunst (MOK) präsentiert in einer Schau Reiseberichte des 17. bis 19. Jahrhunderts aus dem Legat Hans-Wilhelm Siegel (1903-1997).
Der Fokus liegt auf China und Japan und spiegelt das Bild, das in Europa von diesen Ländern lange vorherrschte. Also jenen zwei heute ökonomisch starken Staaten am Westpazifik, der aktuell zu einem neuen politischen und militärischen Krisengebiet heranwächst.
Das war die Region Fernost bereits früher einmal, daher der Titel der Ausstellung: „Brennpunkt Asien. Das China- und Japanbild Europas von der Aufklärung bis zum Kolonialismus“.
Anonymer Künstler „Holländer“, handkolorierter Schwarzdruck, Japan, Edo-Periode, 1760er bis 1770er Jahre, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken |
Der Kolonialismus des 19. Jahrhunderts prägt den europäischen Blick auf China und Japan bis heute, heißt es im MOK. Darüber sei das Bewusstsein der gegenseitigen geistigen und künstlerischen Inspiration, die Europa mit Ostasien verbindet, in Vergessenheit geraten.
Athanasius Kircher „Adam Schall von Bell (1591-1666) in chinesischer Mandarinrobe“, Kupferstichillustration aus China Illustrata, 1667, Amsterdam, Nachlass H.W. Siegel, Re 2020,4 Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken
Namban-Truhe,Holz, Schwarzlack, Perlmutteinlagen, Gold- und Silberstreudekor, Metallbeschläge und -griffe, Japan, Edo-Periode, 1600-1650, E 83,1, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken
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Die Schau erinnert an die am chinesischen Kaiserhof hoch respektierten Jesuiten, zu denen der unweit von Köln geborene Adam Schall von Bell (1591-1666) gehörte. Ein Missionar mit großen wissenschaftlichen und künstlerischen Fähigkeiten.
Die frühe euro-chinesische Zusammenarbeit am Kaiserhof führte zu bedeutenden künstlerischen und technischen Innovationen. Durch die Handelskompanien (mehr) wurden große Teile der Bevölkerung Chinas mit westlichen Themen, zum Beispiel Adam und Eva im Garten Eden, und mit westlichen Darstellungsmethoden wie der Linearperspektive vertraut.
Im Zeitalter des Kolonialismus änderte sich die europäische Sicht. China erzielte mit dem Handel von Porzellan, Tee und Seide gewaltige Handelsüberschüsse, doch lehnten die Qing-Kaiser diplomatische Beziehungen ab und sahen keinen Bedarf für den Import europäischer Produkte.
England beschloss, die begehrten China-Waren gegen Opium aus Indien zu erwerben und entfachte die Opiumkriege (1839-42, 1856). Militärisch unterlegen musste China Pacht- und Konzessionsgebiete für den Freihandel einräumen. Das chinesische Kaiserreich verlor die Souveränität über seinen Außenhandel und fand 1911 nach mehr als zwei Jahrtausenden sein Ende.
„Commodore Perry trifft die Beauftragten des japanischen Kaisers in Yokohama“, kolorierte Illustration aus: Francis L. Hawks, Narrative of the Expedition of an American Squadron to the China Seas and Japan, Washington 1856, Re 2020,18, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken |
Japan gelang es, sich rund 200 Jahre lang abzuschotten. Im 17. Jahrhundert verwies der Tokugawa Shogun Portugiesen und Spanier samt Bibel und Feuerwaffen des Landes, da er fürchtete, getaufte Feudalfürsten in seinem Reich könnten sich gegen ihn verbünden. Fortan trieb Japan nur noch mit China und den Niederlanden Handel; die Aneignung westlichen Denkens, westlicher Technologien und Darstellungsmethoden erfolgte über das Studium von Büchern.
1854 wurde das Inselreich durch den amerikanischen Commodore M. C. Perry zur Öffnung seiner Häfen gezwungen. Danach setzten in der Meiji-Periode Reformen ein und Japan stieg Ende des 19. Jahrhunderts selbst in die Reihen der imperialistischen Kolonialmächte auf. Davon zeugen in der Schau die patriotischen Holzschnitt-Triptychen.
K2M
► Zu den herausragenden Exponaten gehört die Originalausgabe von Athanasius Kircher: China Illustrata (Amsterdam, 1667) mit dem berühmten Portrait des Kölner Jesuitenmissionars Adam Schall von Bell in der Tracht eines chinesischen Hofbeamten (s. oben).
► Die Ausstellung präsentiert ferner Reiseberichte zu Japan, wie die „Beschreibung von Japan“ (Amsterdam, 1733) des Arztes Engelbert Kämpfer, die als erstes wissenschaftliches Standardwerk gilt.
Die Ausstellung "Brennpunkt Asien Das China- und Japanbild Europas von der Aufklärung bis zum Kolonialismus" kann bis zum 13. Februar 2022 besucht werden.
Museum für Ostasiatische Kunst Köln
Universitätsstraße 100
50674 Köln
Kasse 0221.221-28617
Öffnungszeiten
DI – SO 11 – 17 Uhr
1. Donnerstag im Monat 11 – 22 Uhr (ausgenommen Feiertage)
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