rheinische ART
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rheinische ART 05/2022

Archiv 2022

SKULPTURENHALLE
Aus dem Leben gegriffen

 

Bunt und fröhlich, fast wie ein lustiger Schauplatz, wirkt sie, die Ausstellung des Malers und Bildhauers Bertram Jesdinsky in der Skulpturenhalle der Thomas Schütte Stiftung.

 

Bertram Jesdinsky Standbild Hund, 1991, Aluminium, Aluminiumfolie, 240 x 80 x 80 cm, Privatsammlung, Wiesbaden, Foto: Dejan Sarić

 

Skurril, mythisch, verworren, naiv? Vielleicht von allem ein bischen. „Jesdinsky hatte sich den kindlichen Blick auf die Dinge bewahrt“, schreibt der Kurator Dieter Schwarz in seinem Essay zur Ausstellung.
     Bertram Jesdinsky (1960-1992) ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Selbst Thomas Schütte kannte ihn nicht und erst einige Fotoaufnahmen seiner Werke weckten sein Interesse. Dabei ist Jesdinsky kein gänzlich Unbekannter. Er gehörte zu den acht Künstlern, die 1988 von der Stadt Düsseldorf den Auftrag erhielten, Kunstwerke für die U-Bahnstation Heinrich-Heine-Allee zu schaffen. Die Künstler sollten mit ihren Arbeiten auf die Umgebung des Bahnhofes reagieren.

 

Bertram Jesdinsky Ohne Titel (Straßenbahnunfall), frühe 1980er, Dispersion auf Papier, 211 x 336,5 cm, Foto: Dejan Sarić


Allein dieses Briefing gibt schon Aufschluss über das besondere Talent von Jesdinsky: das der Beobachtung. Er musste augenscheinlich nicht weit reisen, um schlichtweg spannende Szenarien aufzuzeigen. Ihm genügte die eigene Umgebung. Seine Bildtitel fand er in dem, was er sah.

     Besonders der Rheinländer wird sich in seinen Gemälden wiederfinden. Da gibt es den „Straßenbahnunfall“, das „Dorf am Niederrhein“ oder die „Autobahn Duisburg“. Die Identifikation mit den so lebendig aufgezeigten und bildreich erzählten Alltagsgeschichten ist beim Besucher, der sich unversehens in der Rolle eines Zuschauers wiederfinden kann, durchaus gegeben.

 

Bertram Jesdinsky Das Bad auf der Wiese, 1990, Eisen verzinkt, 122 x 310 x 80 cm, Kunstpalast, Düsseldorf, Foto: Dejan Sarić

Die dargestellten Details sind bekannt. Alles schon selbst mal erlebt!? Jesdinsky erlaubt sich seine eigenen künstlerischen Schlenker. Die Perspektive auf die jeweilige Szenerie ist eine besondere und die Protagonisten sind als Tiere, in seinen Gemälden oft als Hunde, dargestellt. Alle individuell, alle anders, aber mit einem Gesichtsausdruck, der der gezeigten Situation in menschlicher Mimik entspricht: Da gibt es den lässig hinter dem Steuer des Autos sitzenden rauchenden Hund, Welpen, die an der Pfote ihrer Hundemutter die Autobahnbrücke überqueren oder den Zollstock haltenden, diskutierenden Hundbauarbeiter.


»In« seinen Gemälden wiederfinden ist eine ungewöhnliche Aussage über die Betrachtung seiner Bilder. Hierzu wird der Künstler von Dieter Schwarz zitiert: „Anfangs malte ich fast nur große Bilder, weil ich wollte, daß der Betrachter dadurch mitten im Bild drin ist. Im Anschluss an das Straßenbahnbild entstanden Gemälde, die sehr viel kleinteiliger angelegt sind, in denen viele Geschichten erzählt werden und der Betrachter zwar davorsteht, aber praktisch mitten im Geschehen ist.“

 

Bertram Jesdinsky Ohne Titel, frühe 1980er, Draht, Kordel, Einkaufspapiertüte, Pappe, 70 x 73 cm, Foto: Dejan Sarić


Jesdinsky experimentierte immer wieder mit unterschiedlichen Materialien. Besonders bei seinen Skulpturen ist dieser ungezwungene Umgang mit Werkstoffen zu bemerken. Pappe, bemalt mit Epoxidharzen, wirkt aus seiner Werkstatt wie Keramik. Die der gewünschten Form nachgebenden Pappe ließ Jesdinsky phantastische Plastiken erschaffen: Da gibt es den Angler, das Mondkalb oder die Giraffe.

 

Bertram Jesdinsky Giraffe, 1988, Epoxydharz auf Wellpappe, Autoreifen, 200 x 100 x 100 cm, Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren, Günther-Peill-Stiftung, Foto: Dejan Sarić

 

Für den mit „Der große Fischzug“ betitelten Bären nutzte er Gummimatten und für das sich am Boden genießerisch wälzende Pferd „Das Bad auf der Wiese“ gelochtes Blech. Das aus Holz und Leinen bestehende „Glücksschwein“ scheint seine Umgebung mit freundlichem Interesse zu beobachten. Jesdinsky: „Grob betrachtet sehen die Menschen alle ziemlich gleich aus. Man bezeichnet sie als Tiere, um bei ihnen bestimmte Eigenschaften aufzuzeigen … In meinen frühen Bildern ist es oft so, daß alle einigermaßen belebten Gegenstände und Wesen als solche Tiere dargestellt werden, so zum Beispiel auch Autos und Straßenbahnen.“
     Seine Skulpturen sind kaum dazu gemacht, erhöht auf Sockeln zu stehen. Sie befinden sich mitten im Leben.
Irmgard Ruhs-Woitschützke


Bertram Jesdinsky begann 1979 das Studium der Mathematik und Geschichte, dass er alsbald abbrach. Er gründete mit Freunden die Anarchistische GummiZelle und malte Graffiti und Spraybilder im öffentlichen Raum. 1982 wurde er in die Kunstakademie Düsseldorf aufgenommen und studierte bis 1989 bei Alfonso Hüppi.


Die Ausstellung „Bertram Jesdinsky“ ist bis zum 07.08.2022 zu sehen.
Skulpturenhalle Thomas Schütte Stiftung
Lindenweg / Ecke Berger Weg
Nähe Raketenstation
41472 Neuss / Holzheim
Tel. 02182 / 8298520
Öffnungszeiten
FR – SO 10 – 18 Uhr