rheinische ART
Start | | Über uns | Anzeigen | Impressum | Kontakt | Datenschutz

rheinische ART 07/2016

archiv 2016

ein mythos wird gefeiert
für immer jung: bauhaus


in drei jahren wird die legendäre gestalterschule 100 jahre alt. doch bereits jetzt, so könnte man meinen, beginnen die honneurs. im rheinland und in sachsen-anhalt widmen sich derzeit ausstellungen der weltweit renommierten hochschule. eine erste einstimmung auf das jahr 2019!

 

alma siedhoff-buscher bauhaus bauspiel, 22teilig foto: heiko hillig © naef

 
zum runden gründungsjubiläum dürfte landauf, landab ein wahrer hype um die berühmteste schule für architektur, gestaltung und kunst entfacht und ein vielfaches an erinnerungen aufbereitet werden.

 

marcel breuer lattenstuhl ti 1a 1922 sammlung vitra design museum foto: © vitra design museum, jürgen hans

 

mike meiré bauhaus 2008, küchentuch im bilderrahmen, foto: courtesy of bartha contemporary, london 

 

große und kleine expositionen, performances, installationen, symposien, bildbände oder dokumentationen: die gründung der lehranstalt „staatliches bauhaus in weimar“ - so der einstige amtliche name - vor 100 jahren durch walter gropius ist allemal anlass für eine intensive betrachtung dieser avantgarde-einrichtung. mit ihren radikalen ideen war sie, ob in architektur, typografie, tanz, musik oder corporate design, einzigartig und der zeit voraus.
     die berühmte bauhaus-ausbildung beruhte auf der dualität von theorie und praxis, von kunst und technik und von gestalterischer formenlehre und handwerk. maximen also, die zum beispiel bis heute einen herausragenden teil der deutschen „dualen berufsausbildung“ prägen und weltweit als beneidetes und erfolgreiches vorbild angesehen werden.
     als das bauhaus 1925 aus politischen gründen ins benachbarte dessau umzog, hatte es noch gut acht hochkreative jahre vor sich. Auf mehr als 15 aktive jahre kam das bauhaus als schule jedoch nicht. der nationalsozialismus sorgte 1933 für das aus.
     die aktiven jahre aber hatten es in sich. das bauhaus hat nicht nur stylisches für interieur, möbel, spielzeug, textilien, keramik oder schmuck geliefert, eine beispiellose moderne typologie des bauens entwickelt und, wie in leverkusen 2015 zu sehen war, auch bühnenarbeit etwa mit dem triadischen ballett von oskar schlemmer gepflegt (mehr), sondern im sinne eines ganzheitlichen ansatzes gleich auch wegweisende gesellschaftskonzepte verfasst. ein aspekt, der durch das allgemein als kühl, asketisch und sachlich gesehene stahlrohr-chrom-holz-image dieser hochschule leicht aus dem auge gerät.
     keine der aktuellen schauen greift mit ihren blicken den festivitäten des bauhausjahres voraus sondern fokussieren das bahnbrechende der bauhäusler.

 

ausstellungsansicht foto simon vogel, 2016 © kunst- und ausstellungshalle der bundesrepublik deutschland

 

in bonn zeigt die bundeskunsthalle an der museumsmeile die ausstellung „das bauhaus. alles ist design“. es ist eine exposition in erweiterter fassung, die vorher im vitra museum weil am rhein ihren einstand feierte; sie wird nach bonn noch einmal in brüssel zu sehen sein.

     die bonner präsentation ist beileibe keine klassische bauhaus-schau. kuratorin jolanthe kugler stellt vielmehr die frage in den raum, was das hochkreative bauhaus heute bedeutet und welchen einfluss es nach wie vor auf bildende künstler, designer und architekten der gegenwart ausübt. es geht in dieser sehenswerten ausstellung also um das bauhaus als gestaltungsquelle, um das design - eine wortschöpfung übrigens, die damals noch nicht existierte - und die auswirkungen und spuren, die ihre führenden köpfe in der heutigen kreativwirtschaft hinterlassen oder hinterlassen haben.

 

marcel breuer klubsessel b 3 (bekannt als wassily-sessel) 1925 sammlung vitra design museum foto: © vitra design museum, jürgen hans

 

konstantin grcic pipe tisch und stuhl 2009 sammlung vitra design museum foto: florian böhm

 

miro stars and stripes, 2015, stillleben (digitaldruck) © miro

 

die aktuelle perspektive auf das bauhaus vermittelt die schau, „indem historische exponate aus der bauhaus-ära den werken heutiger gestalter gegenübergestellt werden“, wie die bundeskunsthalle betont. die geschickte optische verknüpfung von alt und neu verdeutlicht, was von der dessauer ideenwelt der späten zwanzigerjahre in die designarbeiten der gegenwart einfließt.

     in der exposition werden die werke großer künstlerpersönlichkeiten wie gropius, breuer, feininger, klee oder kandinsky mit zahlreichen modernen entwürfen kombiniert. ludwig mies van der rohes (mehr) berühmter armstuhl mr 20/3 zum beispiel, entworfen 1927 und heute eine ikone des bauhaus-designs, oder marcel breuers freischwinger b 3 aus derselben zeit, werden in beziehung gesetzt zu einem stuhl in karbon-kautschuk-komposite von clemens weishaar (2012) und einem modernen schreibtisch-stuhl-ensemble von konstantin grcic namens „pipe“ aus dem jahre 2009.


die ausstellungsmacher verdeutlichen vor allem eines: das bauhaus war ein extrem komplexes, vielschichtiges „labor der moderne“, das als erstes künstlerisches „totalexperiment“ gelten kann, bei dem „die verbreitung von design in allen lebensbereichen erprobt wurde“. und die schau räumt auf mit dem klischee, das alles gestalterische aus dem dessauer haus minimalistisch, kühl und geometrisch gewesen sei.

     stattdessen ist unübersehbar, dass die bauhaus-meister und ihre schüler in hohem maße an sozialen zusammenhängen, experimenten und prozessen interessiert waren. sie trugen mit ihrem „offenen designbegriff“ entscheidend dazu bei, dass „design heute unsere gesamte lebenswelt durchzieht“, wie das vitra design museum bei der erstpräsentation der schau bereits hervorhob. diese verbindung spiegelt sich auch im untertitel der ausstellung, nämlich: alles ist design“.

 

bauhausgebäude dessau, südseite werkstattflügel. die architektur-ikone der moderne wurde 1925/26 nach plänen von walter gropius errichtet. gropius: „man muss um den bau herum gehen, um seine körperlichkeit und die funktion seiner glieder zu erfassen.“ foto © rheinische art 2016

 

in dessau, dem zweiten aktuellen schauplatz, bieten die stiftung bauhaus dessau und das land sachsen-anhalt in einer art flächendeckender präsentation eine retrospektive auf eineinhalb jahrzehnte bauhaus-aktivitäten und -standorte innerhalb der heutigen grenzen des bundeslandes.
     „große pläne! moderne typen, fantasten und erfinder. die angewandte moderne in sachsen-anhalt 1919-1933“, so der titel, ist eine verbundausstellung mit präsentationen in dessau, halle, magdeburg, merseburg, leuna, elbingerode und quedlinburg. das projekt versteht sich als ouvertüre für ein mehrjähriges programm, in dem sich das land sachsen-anhalt auf das 100-jährige gründungsjubiläum 2019 vorbereitet. Da ist dann also noch mehr zu erwarten.

 

der rheinländer hugo junkers (1859-1935) um 1920. der ingenieur und unternehmer, der aus rheydt stammte, gründete 1895 in dessau die firma junkers & co. 1919 wurden daraus die junkers flugzeugwerke ag. fotograf unbekannt

 

direktorenhaus gropius von 1926 (eingangsbereich). Der originalbau wurde wie auch der des nachbarhauses moholy-nagy im märz 1945 durch bomben zerstört. rekonstruiert bzw. renoviert sind beide häuser als sog. „neue meisterhäuser“ seit 2014 wieder begehbar. foto © rheinische art 2016

 

prototypen des neuen bauens: das meisterhaus-emsemble gropius-bau (rechts), moholy-nagy/feininger-bau (links). die insgesamt vier meisterhäuser, benannt jeweils nach ihren erstbewohnern, waren schaufenster einer modernen wohnkultur, die nach dem ersten weltkrieg mit einer kulturellen erneuerung einherging. foto © rheinische art 2016

 

die derzeitige ausstellung „moderne typen, fantasten und erfinder“ zeige, so die organisatoren, dass das bauhaus in dessau nicht solitär stand, sondern im verbund mit vielen weiteren utopien, orten, institutionen und menschen in ganz sachsen-anhalt.

     neue wohnsiedlungen, raketeneuphorie, technische rekorde, versuchsschulen für neues lernen oder werbung als kunst – während der weimarer republik war das mitteldeutsche industriedreieck zwischen magdeburg, halle und leipzig ein tummelplatz und testfeld für aktivisten und reformer auf der suche nach neuen modernen lebensformen.

     seinen besonderen und nachhaltigsten ausdruck findet dies in der bauhaus-architektur. nach dem umzug nach dessau hatte diese sparte eine jahrlange boomphase. beredtes zeugnis ist heute noch die hohe dichte an bauhaus-gebäuden in der stadt an der elbe, die gemeinsam zum unesco-kulturerbe gehören. neben dem von walter gropius entworfenen weltbekannten schulhaus - ein moderner zweckbau von 1925/26 mit dem gestürzten markanten schriftzug - sind dies unter anderem die meisterhäuser, die neubausiedlung dessau-törten, die laubenganghäuser von gropius-nachfolger hannes meyer und das ausflugslokal kornhaus.


man muss die ökonomische und gesellschaftliche situation jener Jahre ins gedächtnis rufen, um das revolutionäre der bauhaus-architekten zu würdigen. der wohnungsbau galt in den zwanzigerjahren in deutschland als eine der großen herausforderungen. es herrschte wirtschaftliche depression und massive wohnungsnot, die schaffung neuer, angemessener wohnformen sowie gesundes und wirtschaftliches bauen galten als kernthemen der baumeister. dies trug zur überlegung bei, die industrielle serienproduktion von gütern auf die bauwirtschaft zu übertragen.

     erste ansätze dieses „aufbruchs in die moderne“ finden sich schon jahre vorher in der werkbund-idee mit ihrer werkbundausstellung in köln (mehr) und in den entwürfen des großen belgischen gestalters henry van der velde (mehr). gropius hatte 1910 einen vorschlag zur „rationalisierung im bauwesen“ vorgelegt. sein zentraler gedanke darin: mit einem system aus industriell gefertigten bauteilen und flexibel erweiterbaren raum-einheiten sollte größtmögliche variabilität und standardisierung erreicht werden.

 

innen: das neue meisterhaus moholy-nagy, bruno fioretti marquez architekten 2010-2014, innenansicht, wandarbeiten: o. nicolai, copyright: christoph rokitta, 2014, stiftung bauhaus dessau

 

der „baukasten im großen“ (gropius) sollte häuser wie am fließband ermöglichen. das kostengünstige eigenheim für „familie jedermann“ unter den prämissen licht, luft und sonne war das erklärte ziel, teils noch unter dem einfluss der gartenstadtidee mit nutzflächen hinter dem haus und raum für kleintierhaltung. gegen ende der zwanziger entstanden dann nach plänen von gropius die törtener reihenhäuser und unter seinem nachfolger hannes meyer laubenganghäuser.

     im gropius-programm standen auch großbürgerliche direktorenvillen mit autogarage, einliegerwohnung für hausmeister und weinkeller. in der sogenannten meisterhaussiedlung von gropius, einem gebäudeensemble von vier modernen großzügigen doppelhaushälften für bauhaus-lehrer im grünen, wohnten ab 1927 mehrere künstler, gestalter und architekten tür an tür. oskar schlemmer hatte georg muche zum nachbar, ein haus teilten sich wassily kandinsky und paul klee, lionel feininger bog um die ecke und war bei lászló moholy-nagy. es dauerte nicht lange, „bis die künstlerpersönlichkeit sich auch im inneren der häuser niederschlug“, wie die süddeutsche zeitung vermutete. wohl wahr! von der tapete bis zur wagenfeld-lampe, vom aschenbecher über den serviettenhalter bis hin zur kaffeemaschine und zum teeservice: alle objekte sollten seinem zweck dienlich sein und, wie gropius es forderte, „…seine funktionen praktisch erfüllen, haltbar, billig und schön sein.“

     da vertrat der bauhausgründer ideen, die vor ihm schon sein visionärer und genialer lehrmeister peter behrends (mehr) ähnlich formulierte hatte. das war zunächst in düsseldorf und dann in behrends architekturbüro in neubabelsberg, wo das baumeistertrio walter gropius, mies van der rohe und le corbusier „in die lehre“ gegangen war.

 

 derzeit ist im bauhausgebäude eine erste kleine auswahl an exponaten der bauhaus-sammlung ausgestellt. Mit der eröffnung des bauhaus museums dessau in jubiläumsjahr 2019 wird die komplette sammlung erstmals umfassend zu sehen sein.


► im jahr 1923 hatte der universal-künstler lászló moholy-nagy eine „neue typografie“ propagiert. Im zuge dieser entwicklung setzte sich zwischen 1925 und 1928 am bauhaus die kleinschreibung durch. unter herbert bayer entstand das corporate design des bauhauses und rot und schwarz waren die dominierenden druckfarben.

 

► aus diesem grunde und als hommage an das bauhaus und seine großartigen künstler haben sich redaktion und grafik der rheinische art. entschieden, diese veröffentlichung in typografischer annäherung sowie in schwarz / rot und in kleinschreibung zu halten. wir hoffen, es gefällt.


claus p. woitschützke


die ausstellung „das bauhaus - alles ist design“ wird bis zum 14. august 2016 gezeigt.
kunst und ausstellungshalle der bundesrepublik deutschland gmbh
friedrich-ebert-allee 4
53113 bonn
tel 0228 - 9171-200
öffnungszeiten
di, mi 10-21 uhr
do-so 10-19 uhr

 

die einzelnen verbundausstellungen des ausstellungsprojekt „große pläne! die angewandte moderne in sachsen-anhalt 1919-1933“ werden teilweise nur kurze zeit zu sehen sein. die zentrale ausstellung „moderne typen, fantasten und erfinder“ der stiftung bauhaus dessau läuft bis zum 6. januar 2017.

bauhausgebäude
stiftung bauhaus dessau
gropiusallee 38
06846 dessau-roßlau
tel 0340- 6508 250


meisterhaussiedlung
stiftung bauhaus dessau

ebertallee 59-71
06846 dessau-roßlau
tel 0340-6508-250
öffnungszeiten
mo – so 10-17 uhr (april bis oktober)
mo – so 11-17 uhr (november bis märz)

 

 

 

 

Die 
rheinische ART.
empfiehlt:

Mit GOOGLE ins Museum.


Das Google Arts & Culture Projekt zeigt Meisterwerke aus den Museen und Sammlungen dieser Welt.

► 
mehr

Und geht der Frage nach: Was ist Contemporary Art?

mehr