rheinische ART
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rheinische ART 04/2015

Archiv 2015

WALLRAF-RICHARTZ MUSEUM
Giovanni Maria Morandi

 

Morandi - der Stilllebenmaler? Nein, um seinen weltberühmten Bologneser Namensvetter Giorgio geht es nicht in der Ausstellung im Wallraf. Das Kölner Museum präsentiert vielmehr Zeichnungen von Giovanni Maria Morandi (1622-1717), der bislang als Maler von Altartafeln und als Porträtist von sieben Päpsten hervorgetreten ist.

 

Giovanni Maria Morandi Auffindung des Mose, um 1680/90, Rötelzeichnung, Graphische Sammlung, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud

 

Als Zeichner dürfte er nur wenigen Experten bekannt sein. Sehr zu Unrecht, wie die kleine aber feine Schau im Wallraf zeigt. Denn Morandi verstand es, den Rötel als selbständiges Zeichenmittel auf immer neue Weise einzusetzen. Er platzierte Rötellavierungen ebenso bravourös wie effektvoll neben Weißhöhungen und gelangte so zu einer eigenständigen, ästhetischen Formensprache.

 

Giovanni Maria Morandi Verkündigung, um 1680, Rötelzeichnung, Graphische Sammlung, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud

 

Giovanni Maria Morandi Martyrium der Heiligen Katharina, um 1680/90, Rötelzeichnung, Graphische Sammlung, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud

 

Das Kölner Konvolut seiner Zeichnungen datiert überwiegend in die Jahre nach 1680. Zu dieser Zeit betrieb Morandi in Rom eine große Werkstatt mit einem umfangreichen Schülerkreis. In der Stadt genoss er als Porträtist der römischen Oberschicht hohes Ansehen. Mehr noch: Er porträtierte zahlreiche Kardinäle und alle sieben Päpste von Alexander VII. bis Clemens XI. Für Alexander VII. malte er darüber hinaus mehrere Altartafeln für Kirchen in Rom und Siena. Morandis Ruf reichte weit über die Alpen bis an die habsburgischen Höfe in Wien und Innsbruck, wo er zwischen 1663 und 1667 Porträtaufträge für die kaiserlichen Familien übernahm sowie Altarstücke und Allegorien ausführte.

 

Seine künstlerischen Anfänge aber lagen in Florenz: Zeitgenössische Biographen berichten, dass Morandi bei dem Florentiner Maler Giovanni Biliverti (1585-1644) und möglicherweise auch bei Sigismondo Coccapani (1583-1643) in die Lehre ging. Schon als Kind trat der in Florenz geborene Morandi als Page in den Dienst der großherzoglichen Familie Medici ein, wo er eine umfassende höfische Ausbildung erhielt. Er wurde im Fechten, Tanzen und Reiten unterrichtet und er lernte zu malen und zu zeichnen. Wahrscheinlich legten seine Lehrherren einen Schwerpunkt auf die zeichnerische Praxis, denn dieser maß man in der ersten Hälfte des Seicento in Florenz besondere Bedeutung zu.
     Seinen großen Erfolg in Rom verdankte er allerdings dem Florentiner Duca Jacobo Salviati (1607-1672), der zu seinem wichtigsten Förderer werden sollte. Er finanzierte ihm nicht nur eine Studienreise in die belangreichen Kunstzentren Norditaliens, sondern holte ihn in jungen Jahren auch nach Rom, wo er ihn als Porträtmaler in die weltliche und geistliche Oberschicht der Ewigen Stadt vermittelte. 1717 starb Morandi dort im hohen Alter von 94 Jahren.

 

Spektrum Von kleinformatigen Skizzen bis hin zu großen, äußerst malerischen Kompositionszeichnungen reicht das Spektrum seiner in Köln präsentierten Blätter, die sich mit religiösen und mythologischen Sujets beschäftigen. Wahrscheinlich dienten sie Morandi dazu, Aufträge für Altarbilder vorzubereiten. Da sich heute aber kaum eine Zeichnung mit einem konkreten Gemälde in Verbindung bringen lässt, vermutet Kurator Christoph Orth, dass Morandi vorsorglich kompositorisch wie bilddidaktisch zufriedenstellende Varianten eines Themas entwarf, um sie bei einem späteren Gemäldeauftrag als Vorlage heranziehen zu können.
     Sicher ist, dass Morandi - wie viele seiner Kollegen auch - mit einem festen Repertoire an Figuren und Kompositionsschemata arbeitete, das er versatzstückartig einsetzte. Dabei bediente er sich einer üppigen barocken Formensprache: Eine "Verkündigung" (um 1680) zeigt die Madonna mit ausgebreiteten Armen und mit zum Betrachter geöffnetem Oberkörper, während sie ihren Blick einem Engel zuwendet, der aus himmlischen Sphären hinabsinkt. Die harmonische Wirkung der Figuren im Bildraum erzielte Morandi durch ihre geschickte Blickführung und eine dreieckige Bildkomposition. Mit weißen Höhungen verstand er es, die Gliedmaßen plastisch darzustellen, und er erzeugte mit Lichtreflexen ein spannendes Spiel von Helligkeit und Verschattung.

     Bei dem "Martyrium der Heiligen Katharina" (um 1680/90) bestimmt die monumentale Figur der Heiligen das Bildgeschehen, die ihre rechte Hand mit gewaltiger Geste nach unten streckt und ihre Linke anmutig vor die Brust führt. Schergen fliehen erschrocken im Hintergrund, während sich der Himmel öffnet und Engel Katharina die Märtyrerpalme reichen. Diese Zeichnung bereitete eine Altartafel vor, die Morandi später doch nicht ausführen sollte. Die graue Quadrierung und die wenigen vorgenommenen Korrekturen lassen aber darauf schließen, dass sich Morandi intensiv mit dem Motiv auseinandergesetzt hat und sich in einem relativ späten Stadium innerhalb der Werkvorbereitung befand.

 

Giovanni Maria Morandi, Betender Papst? (Hl. Karl Borromäus?), um 1680/90, Rötelzeichnung, Graphische Sammlung, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud

 

Auffallend ist, dass sich in dem Kölner Bestand nur ein einziges Porträt befindet. Das Blatt von 1680/90 zeigt einen Geistlichen, der kniend vor einem aufgerichteten Kreuz betet. Identifiziert werden konnte er bislang nicht; möglicherweise handelt es sich um einen Papst oder den Heiligen Karl Borromäus – darauf jedenfalls lässt der traditionelle Titel des Blattes Hl. Karl Borromäus? schließen. Ungewöhnlich mutet die fast genrehafte Schilderung des Zimmers an, die an niederländische Interieurs erinnert. Den Boden des großzügigen Raums ziert ein im geometrischen Muster verlegtes Parkett. Darauf stehen im Hintergrund ein prunkvolles Bett und links daneben ein Stuhl, über dem ein Gemälde hängt. Ein zurückgezogener Vorhang gibt den Blick frei auf eine Portalrahmung und ein nicht weiter ausgeführtes Wappenschild.

 

 Das Wallraf-Richartz-Museum bewahrt mit 16 Blättern noch vor Florenz das bedeutendste Konvolut von Morandis Zeichnungen. Weitere Zeichnungen befinden sich in den Kabinetten in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Leipzig, London und Paris. In Köln schlummerten sie jahrzehntelang fast vergessen in der Graphischen Sammlung. Dem Kurator Christoph Orth gelang es, die historische Auftragslage für einzelne Zeichnungen neu zu bewerten und für wieder andere die Provenienzen zu enträtseln.

Marion Lisken-Pruss

 

Die Ausstellung „Giovanni Maria Morandi. Ein Barockkünstler in Rom“ ist bis zum 28. Juni 2015 zu sehen.
Wallraf-Richartz-Museum
Graphisches Kabinett
Obenmarspforten 40, Am Kölner Rathaus
50667 Köln
Tel. 0221 / 221 - 211 19
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr


 

 

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