rheinische ART
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rheinische ART 01/2018

Archiv 2017

PKW-GESCHICHTE(N)
Von Adventsautos und Wackeldackeln

 

Das Thema Auto ist an Aktualität kaum zu überbieten. Gesellschaftlich hoch emotional aufgeladen und politisch heiß. Der Deutschen vermeintlich „liebstes Kind“ hat tatsächlich eine eigene Ausstellung bekommen. Im Haus der Geschichte zu Bonn.

 

Manta - Boah Ey! Der Original-Opel-Manta aus der Actionkomödie „Manta, Manta“ (1991). Das Modell lief in der Version A von 1970 bis 1975 in Bochum vom Band. Die B-Version, die in Bonn zu sehen ist, wurde bis 1988 produziert und ist heute Kult in der Tuningszene. Foto © Haus der Geschichte Bonn/ Axel Thünker

 

Mit Kunst im engeren Sinne hat das zunächst so rein gar nichts zu tun. Abgesehen vielleicht von einigen „kunstvoll“ lackierten, designten, getunten flotten Kisten. Wohl mit Kultur, mit Sozial- und Technikkultur, mit Autokultur wenn man so will, mit Status, Freiheit und Mobilität.

 

Plakat zur Ausstellung "Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos" Foto © Schleiner + Partner, Freiburg, Haus der Geschichte Bonn

 

Werbung in der ADAC Motorwelt für die "Kraftwagenstraße" zwischen Köln und Bonn. © ADAC e.V./ Foto © Haus der Geschichte Bonn/ Axel Thünker

 

Nichts bewege die Deutschen so sehr wie das Automobil, heißt es in Bonn. Es hat sich seit Anfang der Sechzigerjahre zum wichtigsten Verkehrsmittel entwickelt. 44 Millionen Pkw sind derzeit in Deutschland zugelassen, statistisch gesehen besitzt also etwa jeder zweite Deutsche ein Auto. 86 Prozent des Personenverkehrs entfallen auf den motorisierten Individualverkehr.

     Die Schau verdeutliche, „wie das Auto deutsche Kulturgeschichte geprägt hat“, so Ausstellungsdirektor Thorsten Smidt. Und es sei eben viel mehr als ein Fortbewegungsmittel. Das zeige „sich im Niederschlag, den das Auto in Film, in Literatur, in der Kunst“ gefunde habe.


Die Ausstellung heißt „Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos“. Mit diesen drei Aspekten beleuchtet sie so gut wie alles, was sich im „Auto-Land Deutschland“ vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg getan hat. Eine wirklich große Rundumschau!
     Das Rheinland, daran sei erinnert, nimmt darin im Übrigen eine denkwürdige Rolle ein. Im Sommer 1932 weihte Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer (mehr) die erste moderne deutsche Kraftwagenstraße ein. Sie war der Vorläufer der Bundesautobahnen, stammte allerdings nicht, wie oft verbreitet, aus den Planungsbüros der NS-Machthaber. Die zweispurige, kreuzungsfreie Schnellstraße verband Köln mit Bonn.

     Im selben Sommer lud der Automobilclub ADAC, bereits 1903 (!) in Stuttgart gegründet, in der Ostsee-Sommerfrische Swinemünde zu einem Schönheits-Wettbewerb für Kraftwagen ein. 85 Jahre sind seither vergangen. Den ADAC gibt´s immer noch, natürlich stärker denn je. Die Kraftwagenstraße auch, sie ist im Wesentlichen die heutige Autobahn 555, und das Seebad ebenfalls, es heißt nur anders: Świnoujście.


Wer sich in der Autoschau in Historisches vertiefen will, hat reichlich Auswahl. Denn es gibt mit rund 800 Exponaten viel zu sehen in dieser Fahrzeugexpo - die auch eine Leistungsschau der deutschen Autoindustrie sein könnte.

     Und mit ihnen sind unweigerlich auch nostalgische Rückblicke verbunden. Das ist gewollt und sachlich geboten. Aber die Wirklichkeit ist manchmal schneller. Denn ungewollt, so könnte man denken, ist die Bonner Ausstellung auch ein Blick auf den schleichenden Tod einer einstmals glorreichen Technik, nämlich auf die des Verbrennungsmotors, dessen letztes Glöckchen langfristig geschlagen haben könnte.

 

"Knutschkugel", "Schlaglochsuchgerät" oder "Adventsauto": Der Volksmund kannte viele Bezeichnungen für die BMW Isetta, die von 1955 bis 1962 gebaut wurde. Foto © Haus der Geschichte Bonn/ Axel Thünker

 

Kaum ein zweites Massenprodukt, so heißt es, strahle eine Faszination aus wie das Automobil, über kaum ein anderes wird zugleich aktuell auch so gestritten.

     Werbe- und Marketingfachleute investieren Millionen, um ihr Produkt an die Käufer zu bringen. Aber Umweltbelastung, verstopfte Autobahnen und Innenstädte verleiden zunehmend die „Freude am Fahren". Und der Fahrspaß ist angesichts der immer krassere Züge annehmenden Abgasskandale, der Dieselverteufelung, der verniedlichenden „Schummel-Software“ und der kriminellen Kartellbildung eh vielen längst genommen.

     Dennoch gilt nach wie vor: Das Auto bleibt ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor. Hunderttausende Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt von der Autoindustrie ab.

 

Mit dem Großen Preis von Deutschland fand auf dem Nürburgring 1951 zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg ein internationales Rennen statt. Foto © Haus der Geschichte Bonn/ Axel Thünker 

 

Kultobjekt Wackeldackel 1965 fertigte der Unternehmer Rakso Oskar Schneider eine kleine Hundefigur mit beweglichem Kopf und meldete sie wenig später in Italien zum Patent an. Foto © Haus der Geschichte Bonn/ Axel Thünker

Kultiges "Geliebt. Gebraucht. Gehasst.“ ist ein interessantes, oft erheiterndes und sehr kurzweiliges Panorama zum Thema Automobil.

     Unter den Exponaten befinden sich ausgewählte Fahrzeuge mit Kultstatus. So etwa der 6,24 Meter lange Mercedes 600 Pullman, Baujahr 1963, der seinerzeit das Staats- und Repräsentationsfahrzeug war. Eine Augenweide ist die sozialistische Sportwagenschönheit „Melkus RS 1000“ aus der DDR, die fast nur noch Autofans geläufig ist.

     Und dann ist da noch als Spitzenexponat der Opel-Manta aus dem gleichnamigen Film. Der Pkw ist ein cineastisches, grellfarbiges Auto-Denkmal mit Fuchsschwanz am Rückspiegel und kolossalen Reifen auf ebensolchen Felgen. Hier, das lernt der Besucher spätestens jetzt, spiegelt sich in der Automarke die Persönlichkeit des Fahrers.

     Ein anderes Tierdekor findet sich vermutlich noch bis heute da und dort auf der Hutablage von Limousinen, wackelnd, nickend als Solist oder mit Rolle – Toilettenpaier im Häkelkleid versteht sich.

 

 VW-Werbung 1953 Foto © Haus der Geschichte Bonn/ Axel Thünker

 

Porsche warb in den 1970er Jahren mit weiblichen Reizen. © Porsche Archiv/ Foto © Haus der Geschichte Bonn/ Axel Thünker 

 

Seit seinen Anfängen ermöglichte das Auto Individualität und Unabhängigkeit. Es erweiterte in Ost wie in West den Handlungsspielraum des Menschen und wurde so zum Symbol der Freiheit.

     Mit der zunehmenden Motorisierung nutzte eine immer größere Zahl von Menschen das Auto für den Weg zum Arbeitsplatz oder zu Ausflügen und Urlaubsreisen: Mit dem VW-Käfer oder Opel Kadett nach Rimini, mit dem Trabi an den Balaton. Autowerbung, Popsongs und Filme knüpften an die Versprechen von „Freiheit und Abenteuer" an. Noch in den 1970er Jahren propagierte der ADAC "Freie Fahrt für freie Bürger".
     Spiegelte das Auto an sich früher noch Sozialstatus und Einkommenshöhe, veränderte sich seine gesellschaftliche Funktion zunehmend: Automarke, Ausstattung, Design und Zubehör schafften eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich auszudrücken. Das Markenimage und die emotionale Aufladung des Produkts wurden zur zentralen Marketing-Aufgabe der Fahrzeugindustrie. In Auto- und Fanclubs, gerne bei legendären Simpel-Pkw wie dem 2 CV oder edler bei Nostalgieschlitten der Oberklasse, schließen sich immer noch Gleichgesinnte zusammen. Aber für viele ist ihr Fahrzeug schlichtweg eine Notwendigkeit.

 

Die Euphorie der automobilen Anfangsjahre ist mittlerweile fast gänzlich verschwunden. In den Städten findet die Idee des „Car-Sharings“ immer mehr Anhänger, während die Landbewohner auf Autos angewiesen bleiben.

     Über zukünftige schadstoffarme Elektroautos - auch im Haus der Geschichte ein Thema – wird seit Jahren berichtet. Aber innerhalb Deutschlands hat diese Technik erst jüngst wirkliche Dynamik erfahren. Allerdings sind es nicht die Großkonzerne, die entwicklungstechnisch brillieren, sondern eher Entwickler und Hersteller aus dem Mittelstand oder dem Hochschulwesen, die für Aufsehen sorgen. Dabei gibt es bereits einen Zeithorizont für die Abkehr von Benzin und Diesel: Ab 2030, so die EU, sollen nur noch emissionsfreie Pkw auf die Straßen dürfen. In zwölf Jahren also, ist das realistisch? 

     Etwas unterbelichtet erscheint in der Schau all das, was noch bis vor gut 30 Jahren in vielen Städten unter dem Autowahn geschah (mehr). Die Ausrichtung auf die „autofreundiche Stadt“, die Asphaltierung von Plätzen, die Verkehrsschneisen durch Altstädte und die betonierten mehrspurigen Halbtunnel - zukunftsweisende Planung und umweltfreundliches Bauen war das, so muss heute schmerzhaft konstatiert werden, nicht.
Claus P. Woitschützke


Die Ausstellung „Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos“ kann bis zum 21. Januar 2018 besucht werden. Der Eintritt ist frei.
Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Museumsmeile
Willy-Brandt-Allee 14
53113 Bonn
Tel 0228 – 91650
Öffnungszeiten
DI - FR 9 – 19 Uhr
SA, SO 10 - 18

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