Archiv 2024
MONS
Es geht ums Verstehen!
Auguste Rodin in Mons
Sein sezierender Blick auf den menschlichen Körper hat ihn berühmt gemacht. Dass der Bildhauer diesen aber nicht nur in Skulpturen von berückender Ästhetik umsetzte, sondern auch malerisch Ausdruck gab, ist derzeit im Musée des Beaux Arts, vormals BAM, im belgischen Mons zu sehen.
Auguste Rodin Feuille de croquis. Études de putti et silhouette ailée collées sur un paysage de Belgique à la sanguine (verso), Dix études de personnages (recto) (Skizzenblatt. Studien von Putten und geflügelten Silhouetten, die mit roter Kreide auf eine Landschaft Belgiens geklebt sind (verso), Zehn Charakterstudien (recto), entre 1871 et 1877, Graphite, plume et lavis d’encre brune sur papiers variés collés sur un support , H. 26,3 x L. 26,4 cm, Paris, musée Rodin, inv. D. 00345 à 350 (verso). © musée Rodin - photo Jean de Calan |
Mit der bildgewaltigen Schau „Rodin – Une Renaissance moderne“ katapultiert sich das Museum nach einem Jahr Renovierung zurück in den Reigen bemerkenswerter europäischer Museen. Seine zeitgenössische Begleitung findet der „Moderne-Künstler“ Rodin (1840-1917) in Berlinde De Bruyckere und ihren „Erzengeln“.
Rodins dauerhafte Aktualität und seine bildhauerischen Qualitäten mögen zu seiner Wahl zu diesem besonderen Termin Anlass genug gewesen sein - und die Tatsache, dass der französische Bildhauer von 1870-76 in Belgien weilte und diese Jahre als enorm prägend für seinen Werdegang als Bildhauer gelten.
Was weniger bekannt ist: Auguste Rodin war ein begnadeter Zeichner. Noch bevor er sich der Bildhauerei zuwandte, zeichnete er – eine Ausdrucksweise, derer er sich mit zunehmendem Alter immer mehr bediente. Er widmete seinen Zeichnungen viel Aufmerksamkeit und beschrieb sie als „Schlüssel zu seinen Arbeiten“. „Meine Skulptur ist lediglich eine Zeichnung in allen Dimensionen“ sagte er zum Reporter René Benjamin 1910.
Auguste Rodin Idylle d’Ixelles (Idyll von Ixelles), 1884, Marbre, H. 53,5 x L. 40,6 x P. 39,3 cm, Ixelles, musée d’Ixelles, inv. JBW471. ©Musée d'Ixelles, Foto : rheinische ART |
Was für hehre Worte, doch beim Betrachten seiner Zeichnungen erfährt man unbedingt die Wahrheit hinter diesem Zitat. Die Körper der Frauen und Männer sind pure Ästhetik, zumeist nur erahnbar, weil zeichnerisch nicht ausformuliert. Ihre Aura ist die der Schönheit, auch der Erotik, und sie vermitteln deutlich die Macht und Möglichkeiten des Körpers zum Ausdruck. Ein Ausdruck, der im Übrigen noch zu seinen Lebzeiten für Furore sorgte (mehr)…
Auguste Rodin Femme nue debout, les bras relevés derrière la tête (Nackte Frau steht mit hinter dem Kopf erhobenen Armen), entre 1890 et 1896, Graphite, plume et encre magenta, aquarelle et gouache sur papier vergé filigrané, H. 17,4 x L. 10,8 cm, Paris, musée Clemenceau, inv. 3. © Musée Clémenceau
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Das intuitive Empfinden, die Ahnung, die Gefühlswelt, waren dem Künstler zu eigen und für ihn ebenso beim Betrachten seiner Werke nicht nur von großer Bedeutung, sondern sogar Voraussetzung für ein tieferes Verständnis mit einer geistigen Annäherung an seine Arbeiten.
Denn „Es ist keine Frage des Schaffens. Erfinden, erschaffen, das sind Worte, die nichts bedeuten. Es geht ums Verstehen; Genie kommt nur zu denen, die nicht nur mit dem Auge, sondern auch mit ihrer Intelligenz verstehen“, erklärte Rodin 1908 zu Judith Cladel.
So werden in der Ausstellung fast 200 Werke aus öffentlichen und privaten Sammlungen gezeigt, darunter zahlreiche Meisterwerke Rodins aus Marmor, Gips und Bronze sowie Aquarelle und Drucke. Einige sind der Öffentlichkeit kaum oder gar nicht bekannt. So kann die Ausstellung mit hochrangigen Leihgaben der größten Museen Europas glänzen, darunter: die Musées royaux de Bruxelles, das Musées d‘Orsay, der Louvre, das Musée des Arts Décoratifs, der Petit Palais und selbstverständlich das Musée Rodin in Paris sowie das Victoria and Albert Museum in London.
Ausstellungsansicht Auguste Rodin. Une Renaissance moderne im Musée des Beaux Arts in Mons. © Foto rheinische ART. |
Zudem hat das Monser Haus das berühmte Bronzedenkmal Die Bürger von Calais im Bürgerpark des Rathauses aufstellen lassen. Eine Leihgabe, sicherlich, aber eine wirkmächtige.
Auguste Rodin Monument des Bourgeois de Calais (Die Bürger von Calais), 1889, Bronze, 3ème fonte, Fonderie nationale des Bronzes de Bruxelles, 1905-1906, H. 217 x L. 255 x P. 197 cm, Mariemont, Belgique, musée royal de Mariemont, inv. MRM, III.A.37. © Foto : rheinische ART. |
Die Kunst, so die Absicht der Macher, soll sich dem Bürger hin öffnen, sich zeigen, da sein, wo die Menschen sind – und so präsentieren sich in der unweiten Stiftskirche Sainte-Waudru zwei Erzengel, die „Arcangelo“ von de Bruyckere, an einem extraordinären Standort. In dieser beeindruckenden Umgebung schaffen es die grauen Figuren, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zeigen den Körper gesichtslos und mehr verhüllt als offen, die Füße und Waden sind sichtbar, die Form erahnbar.
Berlinde De Bruyckere Arcangelos (Erzengel), St. Waudru; Mons, © Foto: rheinische ART |
Es sind die „unterschiedlichen immateriellen Bestandteile“ von Kunst, so Xavier Roland, Direktor des Musée des Beaux Arts de Mons, auf die es ankommt, und der weiter ausführt: „Letzten Endes ist es unerheblich, ob wir uns in einer Kirche, in der Öffentlichkeit oder in einer Ausstellung befinden, da unser Körper eine einzigartige spirituelle Dimension filtert, der wir in uns wieder mehr Bedeutung schenken sollten. Abhängig von der Energie des Ortes bildet sich eine mystische Verbindung zwischen uns und dem Werk…“.
Irmgard Ruhs-Woitschützke
► Auguste Rodin gilt als ein Pionier der modernen Malerei. Mit seinen Zeichnungen und Aquarellen leistete er einen ganz besonderen Beitrag zum Verständnis des menschlichen Körpers, zum Raum, den dieser einnimmt, zum Einsatz der Farbe und Abstraktion. Seine Zeichnungen gelten als Inspirationsquellen für andere Künstler wie Schiele, Matisse, Klee und Picasso.
Die Ausstellung „Rodin. Eine moderne Renaissance“ ist bis zum 18.08.2024 zu sehen.
CAP/Musée des Beaux-Arts de Mons
Rue Neuve 8
7000 Mons / Belgien
Tel. 0032 (0)65335580
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr
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