Archiv 2022
KULTURAUSTAUSCH
„Persophilia“
Die orientalische Hochkultur der Perser hatte immer viele Verehrer, namhafte und weniger namhafte. Zu den ersteren gehörte ohne Zweifel Johann Wolfgang von Goethe, der Verfasser des Gedichtbandes West-östlicher Divan.
Das Mausoleum (Hafezie) des berühmten persischen Dichters Hafez in Shiraz (Provinz Fars) umfasst einschließlich Gartenanlage eine Gesamtfläche von 19.116 qm. Es wurde 1935 von dem französischen Architekten André Godard entworfen. Seit 2013 ist es UNESCO-Welterbe. Foto © YJC Young Journalists Club Shiraz/Iran |
Mohammed Schemseddin, Ehrenname Hafez oder Hafis („jener, der den Koran auswendig kann“) Detail einer Buchmalerei in einem persischen Manuskript des Dīwān, 18. Jh.; Standort: British Library, London. Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei
Joseph Karl Stieler Johann Wolfgang von Goethe im Alter von 79 Jahren. Öl auf Leinwand, 1828. Foto © Wikipedia gemeinfrei. Standort: Neue Pinakothek München.
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Goethe bewunderte Persiens größten Dichter und Mystiker Hafez fast grenzenlos. Aber auch die Philosophen Friedrich Wilhelm Nietzsche und Georg Wilhelm Friedrich Hegel wertschätzten die persische Kultur und wollten sich nicht ihrem Zauber entziehen.
Das ist bis heute so geblieben, auch wenn das Staatsgebilde nicht mehr Persisches Großreich heißt, sondern Islamische Republik Iran. Gegenwärtig könnte man gar sagen: Irans Kultur ist „in“.
Mehrere Kulturevents widmen sich diesjährig dem Land. Einige Beispiele: In Berlin gab es im Februar die Iranische Kulturwoche und im März endete dort die große Sonderausstellung zu Irans Kunst und Kultur aus fünf Jahrtausenden.
Im Mai bietet in München das Iranische Kulturfest (6. Termeh Festival Munich, Gasteig HP8) Lesungen, Performances und Filme aus der aktuellen Kulturlandschaft des Iran und thematisiert dabei insbesondere die schwierigen Bedingungen für Kreative in dem von Boykottmaßnahmen stark betroffenen Land.
Das Niederrheinische Musikfestival in der Langen Foundation bei Neuss offeriert im Juni unter dem Motto „Oriental Colours – West-östliche Begegnungen“ eine Synthese aus Musik, Tanz und Literatur aus Iran.
Die kulturellen Aktivitäten sind gleichwohl keine Einbahnstraße. Deutsche Kulturschaffende des Kunstforums 99 e.V. aus Rheinbach bei Bonn bespielen derzeit mit iranischen Partnern in einem binationalen Kreativkollektiv namens „Artolog 8“ eine Ausstellung in der Galerie „Taar-o-Pood“ in Shiraz. Die rheinischen Künstler sind Ingrid und Knut Reinhardt, Helga Berg Dooremans und die Grafikdesignerin Elaheh Bazaei.
I. & K. Reinhardt Goethe visits Iran, 2022, 30 x 30 x 40 cm, 17 perforated glass panes, integrated LED lamps, Foto © robART 2022
Kultureller Brückenschlag: Knut Reinhardt (links) bei der Übergabefeier des Goethe-Lichtportraits am Grab von Hafez in Shiraz am Donnerstag, 5. Mai 2022. Foto © YJC Young Journalists Club Shiraz/Iran
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Kernaktion im Programm ist dabei die Installation einer Goethe-Lichtskulptur aus Plexiglas des Künstlerpaares Reinhardt. Das Duo ist auf die Fertigung dieser sehr speziellen und technikorientierten Kunstform ausgerichtet und präsentierte bereits in Irans Hauptstadt Teheran ihre Lichtkunst-Arbeiten (mehr).
Die Goethe-Skulptur wurde als Schenkung am Grab des größten persischen Hofdichters Hafez in dessen Geburtsstadt Shiraz aufgestellt. Die Übergabe der Skulptur erfolgte an dem prestigeträchtigen Mausoleum mit zahlreichen Vertretern aus dem persischen Kunst- und Kulturbereich.
Warum gerade Goethe symbolisch eine Reise nach Persien angetreten hat und dort gezeigt wird, sehen die beiden Rheinbacher Künstler als Ausdruck der traditionell engen „Verbindung der deutschen und persischen Kultur“.
Sowohl Hafez (1315–1390) als auch der über 350 Jahre später geborene Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) haben in ihren Geburtsländern bis heute eine ungeheure Relevanz. Der deutsche Naturforscher und Dichter und der persische Poet waren prägende Figuren mit ähnlichen Interessen und Weltsichten. Goethe sah in Hafez einen „Zwilling im Geiste“. Er schrieb 1819 in seinem in Weimar erschienen Gedichtband West-östlicher Divan überschwänglich:
Und mag die ganze Welt versinken,
Hafis mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sei uns, den Zwillingen, gemein!
Goethe war in den Jahren 1812/1813 in der Anna-Amalia Bibliothek in Weimar auf die erste komplette deutsche Übersetzung von Hafez Meisterwerk Dīwān aufmerksam geworden. Das Werk inspirierte ihn zu seinem Gedichtband, den er in Anlehnung an das Hafez-Werk den West-östlichen Divan nannte und der eine der frühen Auseinandersetzungen mit der muslimischen Welt darstellt.
Das Werk besteht aus zwölf Büchern mit annähernd 300 Gedichten. Die Poesie des Persers löste bei Goethe, wie es heute heißt, den Drang aus, sich mit dessen Religion zu befassen. Goethe hatte sich daher tief in die komplexe Koran-Welt und die Prophetenbiografie eingearbeitet und ergänzend umfangreiche Orient-Studien betrieben.
Ausstellungsplakat Artolog 8 Bildquelle © Kunstforum 99 e.V. Rheinbach 2022
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Der Einfluss von Goethes sprachlichem Kunstwerk auf die seinerzeitige Kulturszene war beträchtlich. Es löste in der deutschen Literatur und Dichtung eine große Faszination und Begeisterung für Persiens lyrische Werke und Kultur aus, die als „Persophilia“ in die Literaturepoche der Romantik einging. Diese Faszination ist bis heute geblieben.
Die Kunstgalerie „Taar-o-Pood“ in Shiraz, in der die Ausstellung der rheinischen Artolog 8 - Künstler nun eröffnet worden ist, gilt als ein renommierter Ort.
Dort zeigte bereits 2016 der Maler und Objektkünstler Günther Uecker (*1930), Mitglied der ehemaligen Düsseldorfer ZERO-Künstlergruppe, Arbeiten unter dem Titel „Tribute to Hafez“ (Huldigung an Hafez). Die Inspiration zu dem 42 Druckgrafiken umfassenden Mappenwerk basierte auf seiner Begegnung mit der Kultur des Irans. Vier Jahre zuvor hatte Uecker in Teheran mit „Verletzungen – Verbindungen“ seine erste Ausstellung in dem Land.
Claus Peter Woitschützke
Die Ausstellung Artolog 8 Hafez & Goethe wird bis zum 13. Mai 2022 gezeigt.
Kunstgalerie
„Taar-o-Pood“ نگارخانه تار و پود
Hafez Street
Shiraz (Fars)
Islamische Republik Iran
Tel +98 71 322 60429
Öffnungszeiten täglich
10 – 13 Uhr
16 – 21 Uhr
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