Archiv 2019
GEIERWALLY
Kunst und Berg-Welten
Seit jeher ruft der Berg - auch Künstler! Bis heute faszinieren und inspirieren die Gebirge und die Erhabenheit dieser Natur die Akteure in der Kunst.
Anna Stainer-Knittel Selbstbildnis im Adlerhorst (Privatbesitz), 1864, Öl auf Leinwand, 215 x 165 cm, Foto Copyright: Familie Stainer, Wattens/Tirol
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In Solingen stellt das Kunstmuseum zum Thema Berg-Welten traditionelle Gemälde des 19. Jahrhunderts aktuellen Werken verschiedener Künstler gegenüber.
Besonders interessant: Erstmals in Deutschland ist das Schaffen der Tirolerin Anna Stainer-Knittel (1841–1915) zu sehen. Eine bergaffine Portrait- und Blumenmalerin, die bislang kaum in den Kunst-Fokus genommen wurde, wie es in Solingen heißt.
Dabei ist Stainer-Knittel mehr oder weniger die Protagonistin der populären und fiktiven Figur „Geierwally“, die in zahlreichen Büchern, Verfilmungen, einer Oper und unzähligen anderen Darstellungen zu Weltruhm gelangte.
Die Kultfigur ist zentraler Begriff der Ausstellung „Geierwally und der Berg in der zeitgenössischen Kunst“, in der neben Werken auch Dokumente der Tirolerin zum Thema „Mythos Berg“ zu sehen sind und „in einen Dialog“ treten mit Zeitgenössischem.
Anna Stainer-Knittel, die wahre „Geierwally“, Selbstbildnis um 1857. Ihre Adlerhorst-Episode wurde zur Grundlage des dramatischen, gleichnamigen Heimatromans (publiziert 1875) von Wilhelmine von Hillern. Foto gemeinfrei © wikipedia 2019
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Anna Stainer-Knittel stammte aus Elbigenalp im Tiroler Lechtal und besuchte als eine der ersten Studentinnen die Vorschule der Kunstakademie in München. Nach der Studienzeit kehrte sie nach Tirol zurück, verdiente ihren Lebensunterhalt mit Malerei, vor allem mit Portraits und Gemälden im Biedermeierstil und avancierte zu einer angesehenen Innsbrucker Bürgerin.
Ihre spätere Berühmtheit fußte auf einer spektakulären Begebenheit aus dem Jahre 1862. Die gerade 21 Jahre alte Anna hob in einer abenteuerlichen Kletteraktion an einer Felswand einen Adlerhorst aus, um so Haustiere vor den Raubvögeln zu schützen. Eigentlich, so hieß es wohl auch damals, eine Angelegenheit für junge, wagemutige Bergbuben, von denen aber offenbar keiner Traute zeigte.
Der bayerische Schriftsteller Ludwig Steub beschrieb die Anektote in der Kurzgeschichte „Das Annele im Adlerhorst“. Ein Dutzend Jahre später inspiriert der Text die Autorin Wilhelmine von Hillern zu ihrem Erfolgsroman „Die Geier-Wally“, der in elf Sprachen übersetzt wurde und als Vorlage für Theaterstücke und eine Oper diente.
An den späten publizistischen Erfolgen der „Geierwally“ hat die Malerin kaum partizipiert. Sie hatte bereits 1864 ihre Tat selbst in Szene gesetzt und das großformatige Selbstportrait „Anna im Adlerhorst“ gemalt. Das Gemälde wurde für sie zum Auslöser für intensive Studien der Landschaftsmalerei im Gebirge.
Hiroyuki Masuyama Jungfrau, Installation, Foto © Kunsthaus Interlaken, Fotoquelle Kunst Museum Solingen 2019 |
Birgit Jensen ARARAT, 2011, Acryl auf Leinwand, Foto © Kunst Museum Solingen 2019
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Die in Solingen präsentierten zeitgenössischen Stücke der Gruppenausstellung stammen von fünf Künstlern. Der japanische Maler, Bildhauer und Fotograf Hiroyuki Masuyama (*1968) ist für seine monumentalen Wandbilder in Leuchtkästen berühmt. Aus Hunderten von Aufnahmen von Jungfrau, Matterhorn und Montblanc schuf er einen idealen Berg.
Die Düsseldorferin Birgit Jensen (*1957), die unter anderem für Kunst im Siebdruck und Moiré-Verfahren bekannt ist, vermischt fotografische und malerisch-grafische Informationen zu einer Bildsprache zwischen Abbildung und Abstraktion.
Der Berliner Sven Drühl (*1968), Maler und promovierter Kunstwissenschaftler, arbeitet im Bereich der konzeptuellen Malerei und zitiert in seinen Bergmotiven bekannte Vorbilder wie Ferdinand Hodler oder Caspar David Friedrich.
Der gebürtige Schweizer Rainer Eisch (*1967) schafft in seinen Filmen Scheingebirgswelten, die durch ihre Ästhetik faszinieren.
Heike Weber (*1962) schließlich, in Köln lebende Künstlerin, entwarf für die Solinger Schau eine fiktive Bergkulisse als ortsbezogenes Wandrelief. Die dafür verwendeten roten Wäscheleinen und Nadeln symbolisieren „quasi den Akt des Hakensetzens beim Bergklettern“, wie es in der Ausstellung heißt.
rART
Die Ausstellung „Geierwally und der Berg in der zeitgenössischen Kunst“ endet am 23. Juni 2019.
Kunst Museum Solingen
Wuppertaler Straße 160
42653 Solingen
Tel 0212 – 258 14-0
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 17 Uhr
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