Archiv 2010: aus "Besuchenswert"
Typisch Amerikanisch?
Der amerikanische Fotograf Mitch Epstein im Kunstmuseum Bonn. Eine Deutschlandpremiere
Die meist großformatigen Farbfotografien des amerikanischen Künstlers Mitch Epstein genießen in den Vereinigten Staaten bereits seit Jahren sowohl in Fachkreisen als auch im breiten Publikum ein hohes Ansehen. In Deutschland ist sein Name bislang weniger präsent, sieht man von einigen Buchpublikationen über den Künstler und sein Œuvre ab.
Mitch Epstein, New Orleans I, Louisiana 1974, 48 x 65 cm. Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln
Mitch Epstein, Vietnam Veteran’s Parade, New York City 1973, 48 x 65 cm. Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln
Mitch Epstein, Amos Coal Power Plant, Raymond City, West Virginia 2004, C-Print, 178 x 229 cm. Walther Collection Neu-Ulm
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DAS KUNSTMUSEUM Bonn präsentiert Epsteins Werke nun zum ersten Mal in Deutschland im Rahmen einer umfassenden Einzelausstellung. Sie bildet dabei den Auftakt zu einer Trilogie über zeitgenössische amerikanische Fotokunst. Die Schau vereint zwei grundverschiedene Serien Epsteins, die im Zusammenspiel die Breite seines bisherigen Schaffens adäquat widerspiegeln.
Die erste, auch zeitlich früher anzusiedelnde Serie Recreation – American Photography (ab 1973) schildert Alltägliches, Unspektakuläres und Profanes aus dem amerikanischen Alltag der 70er. In diesen Werken, denen ein dokumentarischer Charakter innewohnt, wird die Anlehnung Epsteins an die Tradition der Street Photography mit ihren Meistern wie Brassaï oder Cartier-Bresson durchgehend deutlich. Sie spiegeln das zu diesem Zeitpunkt ausgeprägte Bedürfnis des Künstlers nach Authentizität und Lebensnähe und den Wunsch, wie Epstein sich formuliert, „vor Ort“ zu sein, wider.
American Power
Die zweite ausgestellte Serie American Power gehört zu den aktuellsten Arbeiten Epsteins. Der Name ist dabei geradezu programmatisch: Im Mittelpunkt steht die Darstellung der Energieindustrie, ihr Eingreifen in die Natur und die Gesellschaft. Epstein bedient sich nun gewaltiger Formate, seine Aufnahmen haben die Spontaneität der früheren Werke eingetauscht zugunsten von Komposition und Symmetrie. Der Betrachter hat nicht den Eindruck, dass hier irgendetwas dem Zufall überlassen wurde.
Details werden monumental in Szene gesetzt, selten jedoch pathetisch und in den besten Bildern durchaus mit Witz und Ironie: Etwa wenn Epstein eine Zapfsäule zeigt, deren Aufschrift den Fahrer animieren soll, ausschließlich den Treibstoff eines bestimmten Konzerns zu erwerben, um so islamistischen Terrorismus zu boykottieren. Oder die Darstellung einer romantischen Allee mit alten Bäumen, an deren Ende nicht – wie man erwarten würde – ein herrschaftliches Haus steht, sondern ein Energiekraftwerk. Einige Arbeiten faszinieren gerade durch die in ihnen dargestellten Gegensätze. Etwa das bekannte „Louisiana II“ von 2005, das während der katastrophalen großen Überschwemmung in New Orleans aufgenommen wurde, als die Kunst vor Diebstahl und ihre Häuser vor Plünderung geschützt werden mussten. Es zeigt frontal einen Wachmann im örtlichen Kunstmuseum, der durch sein Fernglas blickt. Auf dem Tisch liegen neben ihm eine Schrotflinte und eine Dose mit Butterkeksen. Typisch amerikanisch?
Robert Woitschützke
Die Ausstellung ist bis zum 23. Januar 2011 zu sehen.
KunstMuseumBonn
Museumsmeile
Friedrich-Ebert-Allee 2
53113 Bonn
Tel. 0228 / 77-6260
Öffnungszeiten
DI -SO 11 – 18 Uhr
MI 11 – 21 Uhr
Fotos: Kunstmuseum Bonn