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rheinische ART 10/2015

Archiv 2015

GELESEN
Als an der Mosel noch romanisch parliert wurde
Von Simon Hopf

 

Mit „Alles paletti? Migration und Sprache an Rhein und Ruhr“ legt Peter Honnen eine kurzweilig zu lesende, mitunter auch überraschende Sprachgeschichte des Rheinlands vor.

 

Buchcover Foto©Greven Verlag

 

Auf die architektonischen Zeugnisse der römischen Antike sind viele Rheinländer zu Recht Stolz. Rom prägte das linksseitige Ufer und Hinterland des Stroms über Jahrhunderte. Mit der „Völkerwanderung“, der fränkischen Landnahme, so glaubt man gemeinhin, war mit allem Römischen weitgehend Schluss.
     Sitten und Gebräuche änderten sich, römische Bauten verfielen. Und was die Sprach- und Schriftkultur betrifft: Sieht man von der katholischen Kirche als Traditionsträger einmal ab, dürfte in der Bevölkerung dieses römische Erbe wohl ebenso schnell und flächendeckend in Vergessenheit geraten sein.

 

Welch ein Irrtum! Denn zumindest an der Mosel, an der Saar und am Mittelrhein hielt sich bis ins hohe Mittelalter eine romanische Sprachinsel – die Moselromania – deren Existenz inzwischen mehr und mehr im wissenschaftlichen Fokus steht.
     Munter Vulgärlatein oder eine dialektale Abart des lateinischen Idioms parlierende Moselaner wird sich heute kaum noch einer vorstellen können. Dementsprechend interessant sind die Ausführungen des Sprachwissenschaftlers Peter Honnen. Die Publikation veranschaulicht auf kaum 80 Seiten in unterhaltsam-fundierter Weise die Sprachgeschichte einer Region, die sich stets auch als Schmelztiegel verstanden hat.

 

„Migration ist das Thema der Stunde. 'Seit gut 50 Jahren kommen Migranten nach Deutschland' liest man etwa im Internet. Seit 50 Jahren? Darüber kann man im Rheinland eigentlich nur schmunzeln. Selbst wenn man lediglich die neuere Migrationsgeschichte betrachtet, so ist die 'polnische Invasion' ins Ruhrgebiet 125 Jahre alt, und über 100 000 Italiener waren schon lange vor dem Ersten Weltkrieg als Bauarbeiter im Rheinland tätig“, bemerkt der Kölner Greven-Verlag anlässlich der Buchpräsentation dazu.


Die geographische Abgrenzung des Rheinlands ist freilich so eine Sache an sich. Historisch betrachtet erstreckte sich von der Mosel bis Emmerich die alte preußische Rheinprovinz. Das vergisst man schnell, wenn heute vom Rheinland die Rede ist. Und auch, dass das Ruhrgebiet zum Teil noch Rheinland (Niederrhein) ist, mag aus dem Blick geraten sein. Honnen bindet beides charmant mit ein. Neben den Sprachkuriosa des Moselraums begegnet dem Leser also auch eine Episode zum Ruhrdeutschen. Darüber hinaus dürfen natürlich launige Anmerkungen zu Französismen nicht fehlen, über deren Herkunft ja die blühendsten Legenden zirkulieren. Wörter wie Fisematenten, Fisternöll und Kumpel sind angeblich sprachliche Zeugen der Verbrüderung von napoleonischen Soldaten mit Rheinländerinnen und der Solidarität der Bergarbeiter im Ruhrpott mit polnischen Zugewanderten.

 

Die „Franzosenzeit“ um die Wende vom 18. zum 19 Jahrhundert hinterließ jedenfalls weitaus weniger Worte als gedacht. Ganz im Gegenteil: Vielmehr dürften „die Franzosen“ erstaunt gewesen sein, welche französischen Begriffe im Rheinland längst Fuß gefasst hatten – und das schon seit Generationen. Denn so wie das Französische in den höheren Kreisen damals à la mode war, blieb es nicht aus, dass die einfache Bevölkerung diese und jene Wendung in ihre lokalen Mundarten zu übernehmen wusste.
     Im Rheinland war, das wird deutlich, sprachlich immer vieles im Fluss. Dies wird – so steht zu vermuten – auch künftig so bleiben. Wir alle sind also Teil dieses stetigen Wandels.

 

► Zum Autor: Peter Honnen (geb. 1954) ist Sprachwissenschaftler am Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbandes Rheinland in Bonn.


Alles paletti?
Migration und Sprache an Rhein und Ruhr

Greven-Verlag, 8,90 Euro
ISBN 978-3-7743-0655-4

 

 

 

 

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