rheinische ART
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rheinische ART 12/2015

Archiv 2015 
KÖLN FEIERT AGRIPPINAS 2000. GEBURTSTAG
Die Mutter von Köln


Die schöne Dame musste sehr lange warten. Nach 2000 Jahren sind jetzt der Originalkopf und der Körper der berühmten Statue Agrippina der Jüngeren, der Stadtmutter Kölns, wieder zusammen zu sehen.

 

Portraitkopf der Agrippina-Statue aus Grauwacke, einem fast schwarzen, extrem harten und unverwüstlichen Gestein. Das Exponat war 1885 in Rom fast unbeschädigt bei Bauarbeiten gefunden worden. © Ny Carlsberg Glyptothek Kopenhagen/ Römisch-Germanisches Museum Köln. Foto © rART 2015

 

Ohne Übertreibung kann man sagen: Es ist zwar eine kleine aber spektakuläre Schau, die das Römisch-Germanische Museum (RGM) in Köln mit "Agrippina - Kaiserin aus Köln" eröffnet hat. Köln konfrontiert mit seiner kaiserlichen Geschichte und kokettiert zugleich mit ihr als ein wahrhaft europäisches Ereignis.

 

Statue der Agrippina Foto © Musei Capitolini/ Centrale Montemartini, Rom/ Römisch-Germanisches Museum Köln 2015

 

Präsentation im RGM Köln: Die Statue der Kaiserin Agrippina wurde aus 41 Fragmenten zusammengefügt. Rechts daneben der originale Portraitkopf. Foto © rART 2015

 

Premiere Das ist nicht ganz unbegründet, denn erstmals sind das originale Haupt der römischen Kaiserin, eine Leihgabe aus Dänemark, und ihr Torso, eine Leihgabe aus Italien, vereint zu sehen - da kommt in der Tat einmal zusammen, was zusammen gehört. Dies war seit der Spätantike nämlich nicht mehr der Fall.      Die überlebensgroße schwarze Agrippina-Skulptur ist der Glanzpunkt dieser Sonderpräsentation, die anlässlich der 2000. Wiederkehr des Geburtstages der Herrscherin, die in der Ubiersiedlung Oppidum Ubiorum - dem späteren Köln - zur Welt kam, ausgerichtet wird.
 
Das Top-Exponat weist eine ungewöhnliche Geschichte auf. Vermutlich stammt die Statue aus dem großen Claudius-Tempel auf dem Celio, dem einst vornehmen Viertel Roms auf dem gleichnamigen Hügel. Agrippina hatte dort den Tempel zu Ehren ihres - dritten - Ehemannes Claudius errichten lassen.

     1885 fanden Archäologen dort bei Bauarbeiten für ein Militärkrankenhaus Fragmente der Statue, verbaut in einer mittelalterlichen Mauer. Allerdings blieben nicht alle Fundstücke in der „Ewigen Stadt“. Der unzerstörte Kopf der Kaiserin wurde von der Ny Carlsberg Glyptothek in Kopenhagen erworben und ist dort seither ausgestellt.

     Der Torso hingegen verließ den Fundort Rom nicht. Um eine Gesamtdarstellung zu erreichen, wurde er mit einem exakten Abguss des Kopenhagener Kopfes ergänzt. Die „geschönte“ Statue wurde seither – mustergültig restauriert – in der neuen Dependance der Kapitolinischen Museen in Rom, der Centrale Montemartini an der Via Ostiense, gezeigt. Geschichte vergeht, Zusammenhänge verblassen: Erst seit 2004 steht zweifelsfrei fest, dass Originalkopf und Rumpf dieses musealen Highlights als "Agrippina die Jüngere" zueinander gehören.

 

Italiens Botschafter Pietro Benassi und Kölns Bürgermeister Andreas Wolter unterstrichen anlässlich der Eröffnung den sensationellen Charakter der Exposition, die wie eine Brücke zwischen Nord und Süd wirken würde. Und Museumschef Marcus Trier sah in den hochkarätigen Leihgaben anlässlich des Geburtstags einen "Liebesbeweis von Italien an Köln". Denn die Ausleihe an das Römisch-Germanische Museum konnte, wie Trier ausführte, nicht zuletzt wegen hoher Transport- und Versicherungskosten, aber auch wegen Sicherheitsaspekten, längst nicht als selbstverständlich angesehen werden.

 

Blick in die Ausstellung. Schöne Schwestern. Links: Marmorportrait der jungen Agrippina, die im Alter von dreizehn mit Gnaeus Domitius Ahenobarbus, einem Großneffen des Augustus, verheiratet wurde. Mitte: Drusilla, die Lieblingsschwester der späteren Kaiserin. Rechts: Portrait der Schwester Livilla. Foto © rART 2015 

 

Die Biografie der jüngeren Agrippina hat es in sich.  Agrippina wurde am 6. November 15 n. Chr. im Oppidum Ubiorum als siebtes von mindestens neun Kindern ihrer prominenten Eltern geboren. Ihre Mutter, die ebenfalls Aggripina hieß und daher meist als Agrippina Maior - oder "die Ältere" - bezeichnet wird, war eine Enkelin des Kaisers Augustus. Ihr Vater, Nero Claudius Germanicus, war damals Feldherr über vier kaiserliche Legionen und als Statthalter im Oppidum Ubiorum stationiert. Augustus, der erste römische Kaiser, hatte Agrippinas Geburtsort in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts v. Chr. auf dem Gebiet der heutigen Kölner Altstadt (mehr) gegründet – als Militärstützpunkt für eine Eroberung Germaniens bis zur Elbe.

    Die römische Familie verließ die Rheinregion allerdings bereits 16 n. Chr. wieder, denn Kaiser Tiberius beorderte den bei den Truppen beliebten Heerführer Germanicus in den Osten, wo er kurz darauf unter ungeklärten Umständen im syrischen Antiochia ums Leben kam. Agrippina, die Halbwaise, wuchs in Rom im kaiserlichen Haushalt auf und wurde jung in erster Ehe mit einem Großneffen des Augustus vermählt. Aus dieser Ehe stammt ihr einziger Sohn, der spätere Kaiser Nero.

     Als Mitglied der iulisch-claudischen Herrscherdynastie, durch ihre Familie und eine zweite Ehe bedingt zu großem Wohlstand gelangt, stieg Agrippina 49 n. Chr. in dritter Ehe mit ihrem Onkel Kaiser Claudius - dessen vierte Ehefrau sie war - an die Spitze der römischen Gesellschaft auf. 

 

Tod durch Verhungern. Bildnis von Vipsania Agrippina (Agrippina maior), auch "Agrippina die Ältere" genannt; Ehefrau des Germanicus und Mutter von Agrippina der Jüngeren. Sie starb 33 n. Chr. im Gefängnis vermutlich den Hungertod. Foto © Römisch-Germanisches Museum / Rheinisches Bildarchiv Köln 2015, Anja Wegner.

 

Tod durch Gift. Portrait des Claudius. Der vierte römische Kaiser wurde 54 n. Chr. vermutlich von seiner Gattin Agrippina der Jüngeren vergiftet. © Römisch-Germanisches Museum Köln Foto © rART 2015

 

Tod durch Erschlagen. Marmor-Portrait der Agrippina d.J. (Agrippina minor), die im Auftrag ihres Sohnes Nero 59 n. Chr. ermordet wurde. © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha/ Römisch Germanisches Museum Köln. Foto © rART 2015

 

Selbstmord. Jugendbildnis des Nero. Der Muttermörder nahm sich wegen seines Machtverlustes 68 n. Chr. das Leben. Er war der letzte Vertreter der iulisch-claudischen Dynastie. © Norddeutsche Privatsammlung / Römisch-Germanisches Museum, Köln  Foto © rART 2015

 

CCAA Bereits im folgenden Jahr erhielt die Kaisergattin - als erste lebende Frau im Imperium - vom Senat den Ehrentitel Augusta verliehen. Sie drängte ihren Ehemann Claudius, ihrem Geburtsort den Rang einer Bürgerkolonie nach römischem Recht und den Namen „Colonia Claudia Ara Agrippinensium“ (CCAA) - heute Köln - zu verleihen.

     Seither gilt sie als Stadtgründerin der rheinischen Metropole. Denn der neue Status der Siedlung lockte Händler, Handwerker und Veteranen aus dem gesamten Imperium Romanum in die „Colonia“ und verhalf der jungen Kommune am Rhein rasch zu großer Blüte. Agrippina war die erste Frau, deren Name in eine Städtebezeichnung im Westen des Reiches einging. Und das heutige Köln stieg als CCAA in "die Champions League der Städte" auf, wie Museumsdirektor Marcus Trier anschaulich vermerkte.

 

Mord und Totschlag Doch von einem erbaulichen Familien- und Verwandtschaftsverhältnis im iulisch-claudischen Herrscherhause konnte nicht die Rede sein. Agrippina, die vorsichtig ausgedrückt eine "vielschichtige Persönlichkeit" war, verstand es, politische Ambitionen und Machtgier konsequent, ja skrupellos, umzusetzen.

     Das hatte für alle Beteiligten höchst unangenehme Folgen. Denn kaum hatte der Onkel Kaisergemahl Claudius Agrippinas Sohn aus erster Ehe, Nero, per Adoption zum Thronfolger gemacht, ließ die Gattin den Gatten - da sie eine Trennung befürchtete - mittels eines giftigen Pilzgerichtes beseitigen. So jedenfalls berichten es historische Quellen (die moderne Forschung kennt auch andere Theorien). Agrippina selbst wurde fünf Jahre später, mit gerade 44 Jahren, im Auftrag ihres Sohnes Nero wegen ihrer Herrschsucht und Machtansprüche ermordet. "Mag er mich töten, wenn er nur Herrscher wird", zitiert Tacitus (Annalen 14.9) Agrippinas Gedanken vor ihrem Ende. Kaiser Nero wiederum beging 68 n. Chr., vom Senat zum Staatsfeind degradiert, Selbstmord mit einem Dolch. Mit ihm endete die iulisch-claudische Dynastie und ihre Bedeutung für das Römische Reich.

     Der Museumsbesucher kann sich an einem Stammbaum über die verzwickte Verwandtschaft informieren: rote Tropfen markieren symbolisch als Bluttropfen all jene, die eines unnatürlichen Todes starben. Und das waren nicht wenige. Roms großer Geschichtsschreiber Tacitus ließ im Übrigen kein gutes Haar an der kaiserlichen Dame: "Auch sollte der Geburtstag Agrippinas unter die Unglückstage gerechnet werden", führte er in den Annalen (14,12) aus. Das sieht man natürlich in Köln heute ganz anders.

 

Blick in die Ausstellung: Versammelte Verwandtschaft. Foto © rART 2015

 

Die Ausstellung im RGM präsentiert die Kaiserin im Kreis ihrer Familie aus dem iulisch-claudischen Herrscherhaus. Neben Portraits der Urgroßeltern Kaiser Augustus und Livia stehen die Bildnisse der Großeltern Agrippa und Antonia. Die Eltern Germanicus und Agrippina die Ältere sind durch herausragende Skulpturen vertreten, aber auch einige ihrer Geschwister. Der Sohn und Muttermörder Nero ist als Kind und als Kaiser präsent.

     Anhand römischer Gold- und Silbermünzen mit dem Bildnis Agrippinas der Jüngeren dokumentiert die Schau den Aufstieg und den Fall dieser mächtigen Frau ihrer Zeit. Die antiken numismatischen Schätze machten Agrippina schon zu Lebzeiten im gesamten Römischen Reich zunächst als Ehefrau, später als Mutter und Beraterin des herrschenden Kaisers bekannt. So negativ die antike Geschichtsschreibung Agrippina sah, so wichtig ist sie für die Historie Kölns. Die Schau stellt sie in Werken seit der Renaissance als ‚Stadtmutter‘ vor – und bis heute spielt sie nicht zuletzt im Brauchtum eine bedeutende Rolle. Im Kölner Karneval ist sie die Jungfrau, "Ihre Lieblichkeit", und wird als beschützende Stadtmutter Colonia im Kölner Dreigestirn stets von einem Mann dargestellt.

K2M


 Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Generalkonsulat der Republik Italien und dem Italienischen Kulturinstitut in Köln


Die Ausstellung „Agrippa – Kaiserin aus Köln“ wird bis zum 28. März 2016 gezeigt.

Römisch-Germanisches Museum                                                                                

Roncalliplatz 4

50667 Köln

Tel. 0221 / 22124438

Öffnungszeiten

DI - SO 10 - 17 Uhr

 


 

 

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