Archiv 2017
ADOLF ERBSLÖH
Backstage
Manches Kunstwerk wird unter Wert gehandelt. Und mancher Künstler verschwindet (fast) im kulturellen Auf und Ab der Jahrzehnte oder taucht in anderer Funktion wieder auf. Ein solcher Fall ist Adolf Erbslöh.
Adolf Erbslöh Der elterliche Garten in Barmen, 1910, Von der Heydt-Museum Wuppertal © VG Bild-Kunst Bonn, 2017 |
Der in New York geborene Kaufmannssohn hatte seine familiären Wurzeln in Wuppertal-Barmen, wuchs dort auf und ging dort zur Schule. Er studierte an den Akademien in Karlsruhe und München. Als Maler ist er den Fachkundigen natürlich bekannt, außerhalb der Kunstkreise blieb er allerdings eine weitgehend unbekannte Figur.
Adolf Erbslöh Selbstbildnis, 1928, © Nachlassverwaltung Adolf Erbslöh
Adolf Erbslöh Winter (Blick aus der Wohnung des Künstlers in der Königinnenstr., München),1910 Öl auf Leinwand 52 x 57,5 cm Privatbesitz Foto: Antje Zeis-Loi/Medienzentrum
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Adolf Erbslöh (1871-1947) war wahrlich kein Kreativer der zweiten oder gar dritten Reihe. Im Januar 1909 gehörte er zu den Vordenkern und Mitbegründern der bedeutenden Künstlergruppierung „Neue Künstlervereinigung München“ (NKVM), aus der sich später die legendäre Malergruppe „Blauer Reiter“ (mehr) bildete. Das allein sichert ihm schon einen Platz in der Kunstgeschichte.
Der gewandte und - wie man wohl heute sagen würde - „gut vernetzte“ Erbslöh verhalf, zeit- und gesellschaftsbedingt, vorrangig den männlichen Mitgliedern der NKVM zum Tanz auf der Kunstbühne. Das brachte ihnen Ruhm, Ehre und Anerkennung, Erbslöh selbst blieb dabei allerdings eher „backstage“. Er war der Mann, der organisierte, arrangierte, vermittelte, ein Künstler, der Künstlerkollegen und vermeintliche Freunde beriet und förderte, ein Konsultant in Sachen Kunst und Öffentlichkeitsarbeit. So könnte man ihn heute mehr oder weniger charakterisieren.
Ob dahinter ein ökonomisches Kalkül stand oder gar ein Zwang, was bei der komfortablen Finanzausstattung des Künstlers eher unwahrscheinlich war, oder alles unter dem Titel Freundschaftsdienst und Kunstmäzenatentum lief, bleibt unklar.
Der Maler Erbslöh war auf jeden Fall in dieser Art von Management talentiert und zu einer Zeit, in der sich die bildende Kunst fundamental wandelte, nicht der Einzige, der sich derart betätigte. Offenbar jedoch wohl einer der seltenen malenden Manager.
Andere, wie etwa der Galerist und temporäre Ehemann der Wuppertaler Dichterin Else Lasker-Schüler (mehr) und als Avantgardeförderer bekannte Herwarth Walden (mehr), verstanden die Kunst der Vermarktung, das Platzieren und Protegieren von Künstlern und das generelle Klappern des Handwerks allerdings schon von Berufswegen noch besser und erfolgreicher.
Adolf Erbslöh Haus im Garten,1912 Öl auf Pappe 36 x 47 cm © Nachlassverwaltung Adolf Erbslöh
Adolf Erbslöh Kirchdorf, Bigge in Westfalen, 1921, Öl auf Pappe, 47 x 36 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal © VG Bild-Kunst Bonn, 2017
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Anlässlich des 70. Todestages und ein Vierteljahrhundert nach der letzten großen Schau zu Adolf Erbslöh in seinem heimischen Wuppertal erinnert das Von der Heydt-Museum mit einer stark bestückten Ausstellung an den Maler.
Es ist eine umfassende Werkschau, die seine kraftvoll leuchtenden Gemälde in den Mittelpunkt rückt.
Zudem präsentiert die Ausstellung auch Werke seiner Künstlerfreunde, um Erbslöhs Rolle als Arrangeur der Avantgarde zu beleuchten. Und so titelt denn auch die Schau: Adolf Erbslöh – der Avantgardemacher.
Denn er war es, der die Künstler der Münchner Szene um Alexej von Jawlensky, Franz Marc, Wassily Kandinsky, Alexander Kanoldt und - in dieser Reihenfolge - auch Jawlenskys Ehefrau, die reiche russische Adelige und Salonière Marianne von Werefkin und Kandinskys Muse und langjährige Mitstreiterin Gabriele Münter vor und nach dem Ersten Weltkrieg als Freund förderte.
Sie bildeten „eine explosive Gruppe von Individualisten“, so das Museum, die Erbslöh als engagierter Organisator und Mediator zusammenhielt und der er durch seine Beziehungen den Weg zu verschiedenen Ausstellungen in renommierten Museen ebnete, so dass sie schließlich internationale Beachtung fanden.
Schon in den 1910er Jahren, als die akademische Malerei immer noch das Maß aller Dinge war, kam es zu aufsehenerregenden, ja fast revolutionären Ausstellungen in Elberfeld, in der Ruhmeshalle in Barmen und anderen bedeutenden Kunstorten des rheinisch-bergischen Raums (mehr). Dass sich in der Folge das industriestarke Tal der Wupper mit Barmen zu einem wichtigen Umschlagplatz der neuen Moderne entwickelte, ist nicht nur dem örtlichen Mäzenatentum sondern auch in gewisser Weise dem Förderer Adolf Erbslöh zuzurechnen.
Adolf Erbslöh Mädchen mit rotem Rock, 1910, Öl auf Pappe, 114 x 86 cm, © Nachlassverwaltung Adolf Erbslöh
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Mit Anerkennung für dessen malerische Arbeiten sparten seine Kollegen nicht. Franz Marc meinte 1910 bewundert: „Erbslöh’s neue Sachen sind glänzend.“
Zu diesen Gemälden gehörte unter anderem „Das Mädchen mit dem roten Rock“. Im Winter des Folgejahres arrangierte Erbslöh die Teilnahme der NKVM-Künstler an der vierten Ausstellung der Berliner „Neuen Secession“ (mehr), er selbst nahm sich zurück und war dort nicht vertreten. 1912 wiederum war Adolf Erbslöh mit mehreren Werken auf der großen Sonderbundausstellung (mehr) in Köln zu sehen.
In Sachen Ausstellung halfen dem weltgewandten Maler und Förderer seine Kontakte zu den führenden Museumsdirektoren seiner Zeit, zu Richart Reiche, zu Friedrich Fries und zu Karl Ernst Osthaus (mehr).
In ständigem engen Kontakt und Austausch mit den führenden Künstlern seiner Zeit, als ruhender Pol im Epizentrum der Moderne, entwickelte er seinen eigenen Malstil eher bedächtig. Stets um eine intensive Reflexion seines eigenen Tuns bemüht, erarbeitete er, ausgehend von einem farbglühenden Expressionismus, in dem die Freundschaft zu Jawlensky erkennbar wird, und einem moderaten Kubismus seinen sehr eigenen Duktus.
Darin wird trotz aller Nüchternheit und Sachlichkeit ein ganz zeitgenössisches Naturempfinden spürbar. Erbslöhs Portraits, Stillleben und Landschaften verbinden die Leuchtkraft der Farbe mit einem klar strukturierten, räumlichen Bildaufbau und werden so zu harmonischen Werken voller verborgener Rhythmik.
Claus Peter Woitschützke
Die Ausstellung „Adolf Erbslöh – der Avantgardemacher“ ist bis zum 20. August 2017 zu sehen.
Von der Heydt-Museum
Turmhof 8
42103 Wuppertal
Tel. 0202 / 563 2500
Öffnungszeiten
DI - SO 11 - 18 Uhr
DO 11 - 20 Uhr