Archiv 2021
KUNSTTECHNIK
Alte Meister neu gesehen
Arbeiteten die großen Künstler wie Cranach, Rubens, Rembrandt, Caspar David Friedrich oder Manet mit Tricks und Kniffen? Waren sie also doch nicht so perfekt und ohne Makel? Eine Schau im Kölner Wallraf zeigt erstaunliche detektivische Ergebnisse!
Rembrandt Selbstbildnis im Scan-Verfahren der Röntgenfluoreszenz-Analyse, Foto: Abteilung Kunsttechnologie und Restaurierung im Wallraf. Bildquelle © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln |
Den Besucher erwartet in der Ausstellung „Entdeckt! Maltechniken von Martini bis Monet“ einmal eine völlig andere museale Szenerie.
Andrea und Raffaello del Brescianino, Allegorie der Geometrie, nach 1520, Öl auf Pappelholz. Ein Infrarotreflektogramm machte eine darunter liegende, vorgezeichnete Madonna mit Kind sichtbar, um 180 Grad gedreht. Bildquelle © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Foto: RBA Köln.
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Es ist keine klassische Schaustellung von Sammlungsbeständen, sondern eher eine Bilanz. Und zwar die einer rund zwanzigjährigen intensiven Forschung an über 200 prominenten Kunstwerken, die aus der Zeit zwischen dem späten Mittelalter und dem Beginn des 20. Jahrhunderts stammen.
Mit Röntgenstrahlen, Infrarot und Stereomikroskopen schauten die Kölner Kunstfachleute nicht nur auf die Malschicht, sondern auch in sie hinein und durch sie hindurch - egal ob auf Papier, Leinwand, Holz, Metall oder sogar Stein.
Die dabei zu Tage geförderten Resultate sind spektakulär und werden in der Ausstellung erstmals epochenübergreifend präsentiert. Drei Beispiele:
Unbekannt Martyrium des hl. Laurentius, frühes 17. Jh., Öl auf Kalksinter, links ohne und rechts mit rückseitiger Beleuchtung, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln Bildquelle © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln |
Ein unbekannter Künstler aus dem frühen 17. Jahrhundert schuf auf einer Steintafel das Gemälde „Martyrium des hl. Laurentius“. Die Kölner Spezialisten stellten fest, dass der Bildträger nicht aus Marmor, sondern aus Kalksinter-Gestein besteht.
Ursprünglich wurde hinter dieser durchscheinenden dünnen Platte mit Kerzenlicht die Illusion von lodernden Flammen erzeugt, die damit das Martyrium des dargestellten Heiligen auf dem Rost optisch dramatisch steigerte.
Rembrandt Selbstbildnis, um 1662, Öl auf Leinwand, rechts Röntgenaufnahme, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln. Bildquelle © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln |
Ein forschender Blick auf Rembrandts spätes Selbstporträt – vermutlich um 1662 mit Öl auf Leinwand gemalt – zeigt, was das bloße Auge nie sehen würde. Das als eines der herausragenden Gemälde der Schau geltende Werk offenbarte unter Röntgenstrahlen beträchtliche Abweichungen.
Zu Tage gefördert wurde nämlich, dass sowohl die charakteristischen Gesichtszüge des Porträtierten als auch die Bildkomposition diversen Korrekturen unterzogen worden waren. Es gilt als unsicher, ob diese Korrekturen (sogenannte Pentimente) von Rembrandt selbst stammten oder es sich um Übermalungen von fremder Hand handelt, die möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen wurden.
Max Liebermann Die Rasenbleiche, 1882, Öl auf Leinwand, rechts Röntgenaufnahme, mit der übermalten Wäscherin, Foto © Rheinisches Bildarchiv Köln. Bildquelle © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln |
Wesentlich eindeutiger ist da Max Liebermann vorgegangen. So zeigt sein großformatiges Gemälde „Die Rasenbleiche“, 1882 im niederländischen Zweeloo geschaffen, im Röntgenbild eine im Vordergrund kniende monumentale Waschfrau, die in einem Bauerngarten Wäsche zum Bleichen ausbreitet, sowie halb verdeckt eine zweite Wäscherin rechts hinter einem Obstbaum.
Beide Figuren fehlen auf der endgültigen Gemälde-Fassung. Hintergrund der Änderung: Liebermann hatte die ursprüngliche Variante erstmals auf der Kunstausstellung des „Pariser Salon“ 1883 präsentiert und sich verheerende Kommentare eingehandelt.
Der Berliner Impressionist beugte sich daraufhin den Kritikern und nahm eine Art „Marktanpassung“ vor: Er übermalte später die Bauernmägde zugunsten eines Waschzubers im Vordergrund, kürzte das Gemälde am unteren Bildrand um etwa 20 Zentimeter, streckte damit das Format und präsentierte ein Werk mit neuem Charakter, Typ: harmonisches Landschaftsbild mit Staffagefiguren.
Infrarotreflektogramm macht im Landschaftsgemälde von Dirk Dalens d. Ä. eine Figurengruppe sichtbar, die der Künstler übermalte, Abteilung Kunsttechnologie und Restaurierung im Wallraf, Foto: RBA Köln; Bildquelle © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
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Die heutige moderne Technik machte die Aufdeckung dieses Vorgangs und zahlreicher anderer Geheimnisse möglich. Die staunenswerten Einblicke hinter die Kulissen der Kunst lassen 700 Jahre Malerei in einem neuen Licht erscheinen, betont das Wallraf-Richartz-Museum.
Wohl wahr! Auch dank der höchst innovativen Präsentation mit breiter Wissensvermittlung sind diese detektivischen Blicke auf die Kunsttechnologie und Restaurationstechniken bislang ohne Beispiel in deutschen Museen.
Die Ausstellung ist aufgebaut wie der spannende Entstehungsprozess eines Gemäldes. Sie eröffnet mit einer Darstellung der „Bildträger“ Papier, Leinwand oder – sehr ungewöhnlich – bombiertem Metall, analysiert dann die „Grundierung“, „Unterzeichnung“, „Farbauftrag & Malweise“ sowie „Korrekturen“ und endet mit dem Kapitel „Finale Schritte“.
Neben Gemälden, Forschungsbildern und Analysen präsentieren die Experten vertiefende Filme, die die Inhalte lebhaft veranschaulichen, und lassen auch zeitgenössische Kunstschaffende zu Wort kommen.
Darüber hinaus geben interaktive Animationen einen Einblick in die verschiedenen Untersuchungsmethoden und Phänomene. In einem großen „Akademiesaal“ können die Interessenten ihr neues Wissen abschließend in die Tat umsetzen und nach Gipsabgüssen, Skulpturen und Modellen selbst zeichnen.
Umgeben werden sie dabei von Bildern und Texten, die den harten Weg vom Lehrling zum Meister aufzeigen - beginnend im Zeitalter der Zünfte bis hin zur akademischen Ausbildung in heutiger Zeit. Eine Schau mit faszinierenden Details und Einsichten.
rART/K2M
Die Ausstellung Entdeckt! Maltechniken von Martini bis Monet kann bis zum bis 13. Februar 2022 besucht werden.
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Obenmarspforten 40 (Am Kölner Rathaus)
50667 Köln
Tel. 0221 / 221 211 19
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr